30.05.2022 - PDF
Chronologie zur Corona-Krise in Österreich - Teil 7: Der Delta-Lockdown, die Omikron-Welle und das “Frühlingserwachen”
Mitte Dezember 2021 wurde angesichts der sinkenden Fallzahlen im Rahmen der Delta-Welle der allgemeine Lockdown beendet. Der sogenannte “Lockdown für Ungeimpfte”, der seit November 2021 in Kraft war, endete Ende Jänner 2022. Der Verfassungsgerichtshof bestätigte die umstrittene Maßnahme später als verfassungskonform. Im Vergleich zu “Delta” zeigte die neu aufkommende Omikron-Variante mildere Krankheitsverläufe, jedoch kam es dennoch zur Belastung der kritischen Infrastruktur aufgrund von Personalausfällen.
Das Impfpflicht-Gesetz wurde am 20. Jänner 2022 beschlossen und am 5. Februar 2022 trat die Impfpflicht offiziell in Kraft. Nur wenig später, Anfang März, wurde ein Aussetzen der Impfpflicht mit der Begründung der milderen Verläufe bei der Omikron-Variante verkündet.
Im Februar 2022 wurden weitreichende Öffnungen für März verkündet (“Frühlingserwachen”). Kurz nach den Öffnungen erreichte die Omikron-Welle ihren Höchststand. Nach dem Abklingen der Omikron-Welle entspannte sich die Lage weiter und ermöglichte weitere Lockerungen der Maßnahmen.
Von Christina Walcherberger, Florian Holl, Markus Pollak, Nikolaus Kowarz und Julia Partheymüller
Dieser Beitrag dokumentiert die Schlüsselereignisse, Entwicklungen und Maßnahmen der Corona-Krise in Österreich im Zeitraum von Dezember 2021 bis Mai 2022. In bisher sechs Beiträgen zur Chronologie der Corona-Krise in Österreich wurden bereits der erste Lockdown im Frühjahr 2020, die darauffolgende Phase der Normalisierung im Sommer 2020 sowie der Beginn der zweiten Welle im Herbst 2020 beschrieben. Weiters wurden in früheren Beiträgen bereits der Lockdown im Winter 2020/21 sowie die dritte Welle im Frühjahr 2021 dargestellt. Zuletzt betrachteten wir die Ausbreitung der “Delta”-Variante im Herbst 2021. Im vorliegenden Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Entwicklungen im Zeitraum von Dezember 2021 bis Mai 2022.
Dezember 2021 - Jänner 2022: Beendigung des Delta-Lockdowns, der neue Gegner Omikron und das Impfpflicht-Gesetz
Anfang Dezember wurden Öffnungsschritte für den 12. Dezember 2021 bekannt gegeben die den Delta-Lockdown, der seit November für insgesamt 21 Tage angedauert hatte, beendeten. Die Öffnungen verteilten sich allerdings nicht einheitlich über das Bundesgebiet. Während das Burgenland, Tirol und Vorarlberg mit 12. Dezember 2021 die Gastronomie, Beherbergungsbetriebe sowie die Kultur und den Handel unter Geltung der der 2G-Regel öffneten, warteten Niederösterreich, Salzburg und die Steiermark damit noch bis zum 17. Dezember 2021. Oberösterreich blieb bis zu diesem Tag aufgrund der hohen Infektionszahlen im weitgehenden Lockdown in allen Bereichen außer der Grundversorgung. Wien öffnete die Gastronomie-, Beherbergungs- und Kulturbetriebe sowie den Handel erst am 20. Dezember 2021. Am 19. Dezember 2021 wurde zudem zum ersten Mal seit 2008 ein verkaufsoffener Sonntag mit den Arbeitnehmervertreter*innen vereinbart, um Teile der pandemiebedingten Verluste im Weihnachtsgeschäft auszugleichen. Rund 180 Millionen Euro wurden so zusätzlich erwirtschaftet. Der sogenannte “Lockdown für Ungeimpfte” wurde jedoch bundesweit auch nach Ende des allgemeinen Lockdowns fortgesetzt. Erst mit 31. Jänner trat dann die 4. COVID-19-Maßnahmenverordnung in Kraft, welche den “Lockdown für Ungeimpfte” beendete.
Nach der Identifikation der neuen COVID-19-Variante B.1.1.529 Ende November 2021, genannt Omikron, welche von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als “besorgniserregend” eingestuft wurde, verschärfte Österreich Anfang Dezember seine Einreisebestimmungen und verhängte einen Einreisestopp für die südlichen Länder Afrikas. Im weiteren Verlauf des Dezembers wurde bekannt, dass sich vermutlich auch Geimpfte bzw. Genesene leichter als mit früheren Virusvarianten mit Omikron infizieren können. Frühe Berichte wiesen auf mildere Krankheitsverläufe bei der Omikron-Variante hin. Zugleich wurde aber vor der hohen Infektiosität der neuen Variante gewarnt. Am 18. Dezember 2021 wurde die neu eingesetzte Gesamtstaatliche COVID-Krisenkoordination (“GECKO”) im Bundeskanzleramt vorgestellt. Diese sollte sich fortlaufend um die wissenschaftliche Analyse der pandemischen Lage sowie die daraus folgende Ableitung politischer Handlungsempfehlungen kümmern. Das COVID-19-Prognosekonsortium sprach im Dezember von einer “Ruhe vor dem Sturm”. Der Virologe Norbert Nowotny ging davon, dass das Risiko aufgrund einer Omikron-Infektion im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, um 75 bis 80 Prozent geringer sein werde als bei vorangegangenen Varianten, sah allerdings ein Risiko für die kritische Infrastruktur aufgrund von krankheitsbedingten Personalausfällen. Tatsächlich resultierten die hohen Infektionszahlen in der Omikron-Welle später in einer niedrigeren Belegung der Intensivstationen als in früheren Wellen (siehe Abbildung 3).
Anfang Jänner wurden neue Regelungen zu Quarantäne und Maskenpflicht beschlossen, die ab 11. Jänner gelten sollten. So wurde unter anderem eine FFP2-Maskenpflicht in hochfrequentierten Zonen im Freien und im Handel erstmals eine Kontrollpflicht des 2G-Nachweises eingeführt. Neben diesen neuen Maßnahmen wurde wenig später auch die Kontaktpersonen-Regelung geändert. Mit 8. Jänner gab es somit keine Unterscheidung zwischen K1- und K2-Kontaktpersonen[1] mehr. Damit galten alle mindestens dreimal Immunisierten nicht mehr als Kontaktpersonen. Als Kontaktperson galt man fortan auch nicht mehr, wenn bei Kontakt alle Beteiligten eine FFP2-Maske getragen haben. Alle Kontaktpersonen sowie positiv Getesteten konnten sich zudem ab dem 5. Tag mittels PCR-Tests “freitesten”.
Am 19. Jänner verkündete die Bundesregierung Schutzzonen für Gesundheitseinrichtungen sowie Impf- und Teststraßen einführen zu wollen, um das dortige Personal vor möglichen Übergriffen durch COVID-19-Maßnahmengegner*innen zu schützen. Aufgrund von rasch steigenden Infektionszahlen (siehe Abbildung 2) wurde am 20. Jänner verkündet, dass die sogenannten “Wohnzimmertests” (zuhause durchgeführte Antigen-Tests) in allen Bundesländern außer Wien wieder zugelassen werden, da die PCR-Testsysteme des Landes überlastet seien. Am selben Tag wurde die Verlängerung der COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung beschlossen und somit der “Lockdown für Ungeimpfte” (siehe Teil 6 der Chronologie) verlängert sowie die Sperrstunde in der Gastronomie auf 22 Uhr verlegt. Wenig später, am 24. Jänner, wurden die Einreisebestimmungen gelockert. Das Vorweisen eines negativen Testergebnisses bei der Einreise war damit für Personen mit Boosterimpfung nicht mehr notwendig.
Nachdem am 3. Dezember 2021 der erste Entwurf des Gesetzes zur Impfpflicht bekannt geworden war, beschloss der Nationalrat das Impfpflicht-Gesetz am 20. Jänner 2022. Zuvor hatte am 7. Jänner 2022 die ELGA GmbH, Betreiberin der Elektronischen Gesundheitsakte, mitgeteilt, dass eine technische Umsetzung der Impfpflicht über das nationale Impfregister frühestens ab April 2022 möglich sei. Laut Gesundheitsministerium würde aber dennoch an der Impfpflicht mit Februar 2022 festgehalten werden. Nach dem Ablauf der offiziellen Einspruchsfrist am 10. Jänner verkündete Bundeskanzler Karl Nehammer, es werde nach Prüfung der eingelangten Einsprüche beim planmäßigen Inkrafttreten der Impfpflicht bleiben und nur ein “Feinschliff” sei noch nötig. Bis zum Ende der Einspruchsfrist waren im Rahmen des Begutachtungsverfahrens rund 200.000 Stellungnahmen eingelangt. Zeitgleich gab es anhaltende Diskussionen über die 3G-Regel am Arbeitsplatz, die trotz aufrechter Impfpflicht weiter gelten sollte. Außerdem wurde ein die Impfpflicht begleitendes Maßnahmenbündel angekündigt, das unter anderem eine Impfgutscheinlotterie durch den ORF enthalten sollte. Letzteres wurde jedoch aufgrund der Ablehnung durch den ORF niemals umgesetzt.
Februar 2022: Inkrafttreten der Impfpflicht und die Ankündigung des “Freedom Day”
Angesichts des nachlassenden Schutzes der zweiten Impfung in der Omikron-Welle wurde am 1. Februar 2022 die Gültigkeit des COVID-19-Impfzertifikats in Österreich von neun auf sechs Monate verkürzt. Zwei Tage später stimmte auch der Bundesrat dem Impfpflichtgesetz zu und am 5. Februar trat dieses offiziell in Kraft. Am 7. Februar 2022 bestätigte der Bundesrat auch die Verordnung mit Details zum Vollzug der Impfpflicht. Ab 15. März 2022 sollte eine nicht vollständige Impfung mit einer Verwaltungsstrafe in Höhe von 600 Euro geahndet werden, die alle drei Monate fällig werden sollte. Die täglichen Erstimpfungen waren derweil zum Erliegen gekommen (Abbildung 4). Anfang Februar 2022 wurde auch die Maskenpflicht im Turnunterricht an Schulen und einige Tage später zudem die Maskenpflicht am Sitzplatz in Volksschulen zurückgenommen. Am 17. Februar 2022, wurde bekannt gegeben, dass die neu berufene Impfpflicht-Kommission eingerichtet wurde und ihr erster Bericht zur Bewertung der Impfpflicht am 8. März 2022 erwartet würde.
Am 16. Februar 2022 verkündete die Bundesregierung den Beschluss, der besagte, dass ein Großteil der verbliebenen COVID-Schutzmaßnahmen ab 5. März 2022 fallen würde. Die auch als “Frühlingserwachen” bezeichneten Öffnungsschritte wurden unter anderem mit den milderen Krankheitsverläufen bei der Omikron-Variante begründet. Mit den Öffnungen sollten auch sämtliche G-Regeln (2G, 3G) entfallen, außer in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Zudem sollte die bisher auf 23 Uhr festgelegte Sperrstunde aufgehoben und somit die Nachtgastronomie wieder geöffnet werden. Auch Veranstaltungen sollten wieder ohne Einschränkungen möglich sein. Die FFP2-Maske sollte nur mehr im Bereich der kritischen Infrastruktur verpflichtend getragen werden. Wien hingegen hielt an der 2G-Regel in der Gastronomie fest, da sich die BA.2-Subvariante zu diesem Zeitpunkt weiterhin in Ausbreitung befand. Die Expert*innen von GECKO erklärten, dass Öffnungen bei sinkenden Infektionszahlen empfehlenswert seien, aber bei steigenden Fallzahlen die Infektionsdynamik weiter anheizen können.
Mit 12. Februar waren bereits die 2G-Regel im Handel, in Museen und bei körpernahen Dienstleistern gefallen. Am 19. Februar traten weitere Lockerungsmaßnahmen, die bis zum “Frühlingserwachen” am 5. März gelten sollten, in Kraft. So wich die 2G-Regel in fast allen Bereichen, die nicht zur kritischen Infrastruktur gehörten, der 3G-Regel. Die Sperrstunde in der Gastronomie wurde auf 24 Uhr verlegt. Es herrschte jedoch weiterhin Maskenpflicht in Gesundheitseinrichtungen, öffentlichen Verkehrsmitteln und in lebensnotwendigen Geschäften (Apotheken, Supermärkten, Banken). Wien behielt als einziges Bundesland die 2G-Regel in der Gastronomie sowie in Sportstätten bei. Ab 21. Februar wurde auch in allen Schulstufen die FFP2-Maskenpflicht am Sitzplatz aufgehoben und Veranstaltungen wie Exkursionen wieder ermöglicht. Weiters wurde Ende Februar bekanntgegeben, dass von nun an wieder Präsenzpflicht an allen Schulen gelte. Es wurde außerdem verlautbart, dass die einst zum Contact-Tracing eingeführte „Stopp Corona“-App des Roten Kreuz eingestellt würde, da die dazugehörige Förderung des Gesundheitsministeriums ausgelaufen sei.
Am 24. Februar wurde frühmorgens der Einmarsch Russlands in die Ukraine bekannt. Im weiteren Verlauf der Invasion und der anhaltenden Kampfhandlungen rückte die Berichterstattung über die Pandemie allgemein in den Hintergrund.
März 2022: Neuer Gesundheitsminister, das Ende der G-Regeln und neue Infektionshöchststände
Zu Beginn des Monats, am 3. März 2022, verkündete Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein überraschend nach weniger als einem Jahr (318 Tagen) im Amt seinen Rücktritt. Sein Nachfolger wurde der grüne Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch. Zwei Tage später, am 5. März 2022, kam es zu den bereits skizzierten Öffnungsschritten. Am 8. März 2022 wurde Johannes Rauch offiziell als neuer Gesundheitsminister angelobt und der erste Bericht der Impfpflicht-Kommission veröffentlicht. Bereits am selben Tag kam es mit 51.344 Neuinfektionen zum bisherigen Höchststand an täglichen Neuinfektionen während der gesamten Corona-Krise in Österreich. Am nächsten Tag, dem 9. März 2022, wurde bekannt, dass die Impfpflicht vorerst für drei Monate “ausgesetzt” werde. Das Gesundheitsministerium begründete dies mit dem Fazit der Impfpflicht-Kommission, wonach aufgrund der milderen Krankheitsverläufen bei der Omikron-Variante die Verpflichtung zur Impfung nicht verhältnismäßig sei. Als Reaktion auf die rasch steigenden, nie zuvor dagewesenen Infektionszahlen, forderte die österreichische Corona-Kommission “geeignete Präventionsmaßnahmen”. Zudem stufte die Kommission ganz Österreich wieder als Gebiet mit sehr hohem Risiko (rote Ampelfarbe) ein.
Am 15. März 2022 wurden trotz der angespannten epidemiologischen Lage von Gesundheitsminister Johannes Rauch neue, entschärfte Regelungen zu Tests und zur Quarantäne ab 1. April verkündet. Am gleichen Tag gab es mit 64.034 Fällen abermals einen neuen Höchststand an Neuinfektionen. Diese anhaltend hohen Infektionszahlen führten aufgrund der milderen Verläufe bei Omikron zu keiner direkten Überlastung der Gesundheitseinrichtungen. Allerdings kam es in vielen Bereichen zu einem großflächigen Ausfall an systemisch wichtigen Mitarbeiter*innen aufgrund der hohen Infektionszahlen (siehe Abbildung 2). Am 17. März 2022 warnte dann die Österreichische Ärztekammer vor einer Überlastung des Gesundheitssystems aufgrund steigender Patient*innenzahlen. Das Bundesland Wien führte im Gesundheitsbereich die 2G+ Regel ein und beschränkte die Zahl der erlaubten Besucher*innen. In allen Bundesländern wurde über das Verschieben von nicht dringend notwendigen Operationen, das Sperren von Betten und ähnliche Maßnahmen berichtet. Zudem wurde bekannt, dass der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuz, Gerry Foitik, sich, nach Kritik am Pandemie-Management, aus der GECKO zurückziehe.
Daraufhin wurde am 18. März 2022 das Wiederinkrafttreten der Maskenpflicht in Innenräumen in ganz Österreich ab 23. März 2022 beschlossen. Am 24. März traten die neuen COVID19-Schutzmaßnahmen in Kraft. Die FFP2 Maskenpflicht in Innenräumen wurde wieder eingeführt, in der Gastronomie konnten Betreiber*innen statt der Maskenpflicht auch einen 3G Nachweis verlangen. Zudem sollte bei einem leichten Krankheitsverlauf sowie zwei Tagen Symptomlosigkeit die Quarantäne nach fünf Tagen ohne Test beendet werden. Letztere Regelung war laut Gesundheitsminister Rauch auf “explizite Bitte” von Spitälern sowie Alten- und Pflegeheimen umgesetzt worden.
Am 30. März 2022 gab der Verfassungsgerichtshof nach Prüfung einer eingebrachten Beschwerde über die Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen der 5. COVID-19-Maßnahmenverordnung bekannt, dass sowohl der Lockdown für Ungeimpfte von 15. bis 21. November 2021 als auch der notwendige 2G-Nachweis für das Betreten bestimmter öffentlicher Orte verfassungskonform war.
April 2022: Begrenzte Tests, weitere Lockerungen und nachgemeldete Todesfälle
Am 1. April 2022 traten die, zuvor am 15. März 2022 verkündeten, neuen Regelungen bezüglich Corona-Tests und Quarantäne in Kraft. Fortan bekam jede*r Österreicher*in pro Monat fünf gratis PCR- und fünf gratis Antigen-Tests. Zudem blieben Tests für jene Personen gratis, die Symptome aufwiesen, vulnerablen Gruppen angehörten oder einen Besuch im Krankenhaus oder Altenheim planten. Am 11. April wurde verkündet, dass ab 18. dieses Monats statt wie bisher dreimal wöchentlich nur ein Test pro Woche an Schulen durchgeführt werden müsse. Am darauffolgenden Tag verkündete das Nationale Impfgremium seine Empfehlung, Risikogruppen eine vierte Corona-Schutzimpfung zu verabreichen.
Am 14. April 2022 wurde erstmals seit dem 10. März 2022, als ein zwischenzeitlicher Rückgang an Infektionen verzeichnet worden war, ganz Österreich bis auf die Bundesländer Burgenland, Vorarlberg und Kärnten von der Corona-Kommission auf orange (hohes Risiko) zurückgestuft. Kurz darauf, am 16. April 2022, kam es erneut zu Lockerungen der COVID-Schutzmaßnahmen. Die FFP2-Maskenpflicht endete in der Gastronomie, dem Handel und bei Veranstaltungen. Masken waren fortan nur mehr in Bereichen der kritischen Infrastruktur wie Supermärkten oder Gesundheitseinrichtungen verpflichtend. Zudem wurde die Gültigkeit des Grünen Passes für Geboosterte von 9 auf 12 Monate verlängert. In Wien, als letztem Bundesland, fiel an diesem Tag die 2G-Regel in der Gastronomie. Am 25. April wurde die Maskenpflicht an allen Schulen Österreichs komplett aufgehoben. Zudem empfahlen Expert*innen des Nationalen Impfgremiums an diesem Tag die Boosterimpfung auch für Kinder ab 5 Jahren.
Ebenfalls am 25. April 2022 verkündete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre Besorgnis über den starken Rückgang an durchgeführten COVID-19-Tests. Dieser mache die WHO “immer blinder”, da die Datenbanken so weniger Informationen über Infektionen und Sequenzierungen von entdeckten Viren erhielten. In Österreich blieb die Test-Positivrate, die ein Indikator dafür ist, ob ausreichend getestet wird, trotz verminderter Testanzahl im April 2022 unter der WHO-Empfehlung von 5 Prozent, wie Abbildung 6 zeigt.
Zwei Tage nach Ostern, am 19. April, verlautbarte das Gesundheitsministerium eine “Nachmeldung” von über 3000 bisher nicht dokumentierten Todesfällen. Die nachgemeldeten Todesfälle verteilten sich über den gesamten Pandemieverlauf bis Ende des Jahres 2021 und stammten aus der Todesursachenstatistik der Statistik Austria. Zwei Tage später teilte die Ampelkommission mit, dass aufgrund der positiven Entwicklung der Infektionszahlen nur mehr das Burgenland als rot (sehr hohes Risiko) eingestuft werde. Am 27. April 2022 veröffentlichte das EU-Statistikamt Eurostat Zahlen zur Lebenserwartung in der Europäischen Union für das Jahr 2020. Demzufolge war die Lebenserwartung im Jahr 2020 pandemiebedingt erstmals seit den 1960er Jahren gesunken. In Österreich sank so die Lebenserwartung von 82 auf 81,3 Jahre - so stark wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1951.
Mai 2022: Neue Varianten am Horizont, Pausieren der Maskenpflicht
Anfang Mai wurden in Österreich abermals neue COVID-19-Varianten (BA.4 und BA.5) nachgewiesen. Laute GECKO schütze eine Infektion mit den früheren Omikron-Varianten (BA.1 und BA.2) nicht vor der Variante BA.4. Es werde aber noch Monate dauern, bis sich die neuen Varianten als dominant durchsetzen würden. Am 5. Mai 2022 wurde auch das Burgenland von der Ampelkommission von rot auf orange (hohes statt höchstes Risiko) herabgestuft. Oberösterreich, Vorarlberg und die Steiermark wurden zudem zum ersten Mal seit Monaten mit der Farbe gelb (mittleres Risiko) eingestuft. Wenig später, am 12. Mai 2022 wurden weitere Bundesländer auf gelb zurückgestuft; lediglich das Burgenland, Kärnten und Tirol waren von nun an noch orange.
Zudem gab der Verfassungsgerichtshof am 6. Mai 2022 bekannt, dass auch der zweite “Lockdown für Ungeimpfte” (von 21. - 30. Jänner 2022) verfassungskonform gewesen war. Einen Tag später verkündete Gesundheitsminister Rauch, die FFP2-Maskenpflicht werde im lebensnotwendigen Handel sowie in Gesundheitseinrichtungen und den öffentlichen Verkehrsmitteln vorerst bis Anfang Juli bestehen bleiben. Am 16. Mai wurde die bis dahin gültige 3G-Regel bei der Einreise nach Österreich, nach langanhaltender Forderungen der Tourismusbranche, aufgehoben. Am 24. Mai wurde bekannt, dass die Maskenpflicht in Supermärkten und öffentlichen Verkehrsmitteln ab 1. Juni pausiert wird. Die Impfpflicht bleibe weiterhin ausgesetzt.
Zusammenfassung und Fazit
Nach dem Höhepunkt der Delta-Welle im November 2021 wurden die Maßnahmen Anfang bis Mitte Dezember 2022 wieder gelockert. Der allgemeine Lockdown endete und die Bereiche der Gastronomie, Hotellerie und des Handels durften fortan wieder, mit Einschränkung der 2G-Regel, betreten werden. Für Ungeimpfte dauerte der de facto Lockdown bis Ende Jänner 2022 fort, da sie weiterhin ihre Wohnung nur zu bestimmten Zwecken (wichtige Besorgungen, Erwerbsarbeit) verlassen durften. Diese starken Beschränkungen für Menschen ohne durch Impfung oder Infektion erworbene Immunität war umstritten, wurde jedoch durch den Verfassungsgerichtshof später als verfassungskonform bestätigt.
Zugleich mit dem Abklingen der Delta-Welle mehrten sich bereits erste Warnungen vor der Omikron-Welle. Die neue GECKO-Kommission wurde einberufen und sollte Empfehlungen zum Umgang mit den neuen Herausforderungen erarbeiten. Trotz einer hohen Infektiosität zeigte Omikron mildere Verläufe, sodass die Intensivstationen weniger stark belastet wurden. Jedoch ergaben sich neue Herausforderungen durch krankheitsbedingte Personalausfälle.
Das viel diskutierte Gesetz zur Impfpflicht wurde Ende Jänner im Nationalrat beschlossen. Nachdem zunächst aufgrund technischer Hürden Zweifel daran bestanden hatten, ob sich das Gesetz umsetzen ließe, änderte sich im Zuge der Omikron-Welle die Einschätzung der Gefahrenlage. Die Impfpflicht-Kommission empfahl ein vorläufiges Aussetzen der Impfpflicht. Trotz hoher Infektionszahlen kam es im März zu weitgehenden Lockerungen der COVID-Schutzmaßnahmen. Nachdem Anfang März Gesundheitsminister Mückstein zurückgetreten war und Johannes Rauch sein Amt übernommen hatte, kam es zu weiteren Öffnungsschritten, während gleichzeitig Rekordinfektionszahlen verzeichnet wurden. Zudem wurden Quarantäne-Regelungen gelockert, um den coronabedingten Mitarbeitermangel in Gesundheitseinrichtungen ausgleichen zu können.
Nach dem langsamen Absinken der Infektionszahlen wurde Anfang April die Zahl der gratis verfügbaren PCR- und Antigen-Tests deutlich eingeschränkt. Infolgedessen sanken die Zahlen der gemeldeten Neuinfektionen stark, wenngleich die gleichzeitig sinkende Testpositivrate auf ein tatsächliches Sinken des Infektionsgeschehens hindeutete. In weiterer Folge wurden dadurch weitere Lockerungen möglich und ein Pausieren der Maskenpflicht ab Juni wurde angekündigt. Gleichzeitig wurden bereits neue Virusvarianten in Österreich, die sich in Ausbreitung befinden, nachgewiesen. Es steht zu befürchten, dass die Pandemie in Österreich mit dem Sommer 2022 noch nicht vorbei ist.
Christina Walcherberger arbeitet als Studienassistentin am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und ist Teil des Teams des Austrian Corona Panel Project (ACPP). Sie studiert im Bachelorstudiengang Politikwissenschaft.
Florian Holl arbeitet als Studienassistent am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und ist Teil des Teams des Austrian Corona Panel Project (ACPP). Er studiert im Bachelorstudiengang Politikwissenschaft.
Markus Pollak arbeitet als Studienassistent am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und ist Teil des Teams des Austrian Corona Panel Project (ACPP). Er studiert im Master Politikwissenschaft.
Nikolaus Kowarz arbeitet als Studienassistent am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und studiert im Master Politikwissenschaft.
Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES).
Fußnoten
[1] Als Kontaktpersonen gelten Personen, die mit einem an Corona erkrankten Menschen in Kontakt waren zum Beispiel durch Händeschütteln oder ein Gespräch. Je nachdem, wie intensiv der Kontakt war, wird zwischen Kategorie 1 (K1) und Kategorie 2 (K2) unterschieden.
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