19.05.2021 - PDF

Chronologie zur Corona-Krise in Österreich - Teil 5: Dritte Welle, regionale Lockdowns und Impffortschritt

  • Nach den Öffnungen am 8. Februar 2021 erfasste eine dritte Infektionswelle Österreich.  Allerdings erhöhten sich die Infektionsraten im Februar und März deutlich langsamer als während der zweiten Welle im Herbst 2020. Angesichts des sich intensivierenden Infektionsgeschehens, setzten Wien, Niederösterreich und das Burgenland nach anfänglichen Öffnungsdiskussionen auf einen erneuten “harten” Lockdown ab 1. April, der mehrere Wochen dauerte. Vorarlberg hingegen lockerte ab dem 15. März zahlreiche Maßnahmen.
  • Die Bundesregierung wurde im Zuge einer Regionalisierung der Krisenpolitik zunehmend von den Landeshauptleuten als Kommunikations- und Entscheidungsschaltstellen der Maßnahmen ersetzt. Gesundheitsminister Rudolf Anschober trat am 13. April 2021 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurück und wurde sechs Tage später von Wolfgang Mückstein ersetzt. 
  • Die Impfkampagne beschleunigte sich trotz Lieferproblemen seit März deutlich. Bis zum 18. Mai 2021 hat etwa 40% der impfbaren Bevölkerung (16+) zumindest die erste Impfdosis erhalten. In etwa 7 von 10 Impfungen entfielen dabei auf Impfstoffe von BionTech/Pfizer. Außerdem wurden die Testkapazitäten weiter ausgebaut und Antigen-Schnelltests bundesweit kostenlos in Apotheken angeboten. In Wien wurden außerdem PCR Tests gratis zur Verfügung gestellt.
  • Die Arbeitslosenquote lag im April 2021 (8,7%) weiterhin leicht über dem Vorkrisenniveau im Februar 2020 (8,1%). Allerdings lag sie deutlich unter dem Wert während des ersten Lockdowns im April 2020 (12,7%).

Von Markus Pollak, Nikolaus Kowarz und Julia Partheymüller

Seit über einem Jahr bestimmt die Corona-Krise das öffentliche Leben in Österreich. Wir haben im Rahmen unserer Corona-Chronologie die verschiedenen Phasen der Krise beleuchtet und die wichtigsten Ereignisse festgehalten: Von der Vorgeschichte und dem ersten Lockdown (Chronologie Teil 1), über die Normalisierung in den Folgemonaten (Chronologie Teil 2), den ruhigen Sommer 2020 und den Beginn der zweiten Welle (Chronologie Teil 3), bis hinzu den neuerlichen Lockdowns sowie der Durchführung von Massentests und der Impfkampagne ab Ende Dezember 2020 (Chronologie Teil 4).

Abbildung 1: Ereignischronologie

Im vorliegenden Beitrag beschreiben wir die wichtigsten Ereignisse, die Entwicklung des Infektionsgeschehens sowie die wirtschaftliche Entwicklung im Zeitraum von Februar bis Mai 2021.

Februar 2021: Öffnungen und Mutationen

Nach einem verlängerten “harten” Lockdown im Dezember 2020 und Jänner 2021, endeten am 8. Februar 2021 eine Reihe von bundesweiten Maßnahmen per Verordnung des Gesundheitsministeriums. Damit wurden zahlreiche Einschränkungen aufgehoben, wie zum Beispiel die ganztägigen Ausgangsbeschränkungen, die Schließung des Handels sowie die Schulschließungen. Obwohl das angekündigte Ziel einer 7-Tagesinzidenz von weniger als 50 deutlich verpasst worden war, hatte sich das bestätigte Infektionsgeschehen zuvor deutlich reduziert.

Allerdings breiteten sich neue Virusmutationen auch in Österreich aus. Nur vier Tage nach dem Ende des Lockdowns, am 12. Februar 2021, verkündeten die deutschen Behörden, Einreisen aus Tirol zu beschränken und erklärten das Bundesland zum “Mutationsgebiet”. Gleichzeitig trat eine Verordnung des österreichischen Gesundheitsministeriums in Kraft, die Ausreisen aus Tirol in andere Teile Österreichs beschränkten, um die Ausbreitung der Virusmutationen zu bekämpfen.

Nach den Öffnungen erhöhten sich die bundesweiten Infektionszahlen laut Daten der AGES [1] erneut, wenngleich die schnellen Steigerungsraten der zweiten Welle im Herbst nicht erreicht wurden (siehe Abbildung 2). Gleichzeitig wurde im Februar bekanntgegeben, dass die Testkapazitäten massiv aufgestockt werden sollten. Ab 1. März wurden schließlich in ganz Österreich gratis Antigen-Tests in Apotheken zur Verfügung gestellt, die auch Selbsttestungen ermöglichen.

Abbildung 2: Epidemiologische Kurve (gemeldete Neuinfektionen pro Tag) sowie 7-Tages-Inzidenz, (Quelle: covid19-dashboard.ages.at)

März 2021: Tests, Öffnungsdiskussionen und Ankündigung von Lockdowns

Anfang März wurde angesichts der weiterhin bestehenden Maßnahmen über weitere Öffnungsschritte diskutiert. Dabei kündigte die Bundesregierung und die Landeshauptleutekonferenz am 1. März die Öffnung der Schanigärten ab 27. März an.  Vorarlberg, das Bundesland mit den zu diesem Zeitpunkt niedrigsten Infektionsraten, sollte ab 15. März den Anfang machen und weitreichende Lockerungen in Gastronomie, Sport und Kultur umsetzen. Das Bundesland sollte als “Modellregion” die vorgesehenen Öffnungen in anderen Bundesländern erproben. Bundeskanzler Kurz wiederholte dabei das Ziel der Bundesregierung, “bis zum Sommer zur Normalität zurückzukehren”. Öffnungen im Kulturbereich wurden für April angekündigt. Letztlich sollten sich nur die Öffnungsschritte in Vorarlberg bewahrheiten, wenngleich zunächst zahlreiche Gastronomiebetriebe nicht öffneten, da sie aufgrund der verschärften Maßnahmen Umsatzausfälle befürchteten.

Am 3. März wurde außerdem bekannt, dass aufgrund der Ausbreitung der sogenannten “südafrikanischen” Virusvariante (B.1.351) im Tiroler Bezirk Schwaz ein EU-Kontingent von 100.000 Biontech/Pfizer Impfdosen frühzeitig zur Verfügung gestellt werde. Die Impfung begann ab 11. März für alle im Bezirk Schwaz Ansässigen ab dem 16. Lebensjahr und wurde wissenschaftlich begleitet, um den Wirkungsgrad des Impfstoffs angesichts neuer Mutationen zu überprüfen. Die Ausbreitung aggressiver Virusmutationen, unter anderem der “britischen” Virusvariante, und die reduzierte Wirksamkeit von Imfpstoffen gegenüber neuen Varianten wurden  zunehmend mit Hinblick auf die weitere Entwicklung der Krise diskutiert. 

Am 26. März wurde die “Alles gurgelt” Aktion in Wien gestartet, die kostenlose PCR-Tests für Menschen in Wien zur Verfügung stellt und über Supermärkte und Drogerien abgewickelt werden. Wenig zuvor kam es dabei zu einer diplomatischen Kontroverse um Bundeskanzler Kurz’ Kritik an einem “Basar” im Zusammenhang zur EU-Impfstoffverteilung. Dabei forderte der Bundeskanzler eine partielle Neuverteilung der Impfstoffe durch die Europäische Union (EU), wofür er auch von Parteikollegen wie EU-Kommissar Johannes Hahn kritisiert wurde

Die Lage am Arbeitsmarkt verbesserte sich laut Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) seit den Öffnungsschritten im Februar zunehmend. Lag die Arbeitslosenquote laut nationaler Berechnung  im Jänner 2021 noch bei 11,4%, sank sie bis März auf 9,3%. Die Entwicklung setzte sich im April 2021 fort (siehe Abbildung 3)

Abbildung 3: Arbeitslosigkeit im Zeitvergleich (Quelle: Arbeitsmarktservice [AMS])

April 2021: Ost-Lockdowns und der Rücktritt des Gesundheitsministers

Das sich deutlich intensivierende Infektionsgeschehen ließ im März schließlich keine Zweifel mehr daran, dass Österreich mit einer dritten Infektionswelle konfrontiert werden würde. [2] Dabei zeigten sich größere regionale Unterschiede, da zum Beispiel Vorarlberg im März eine deutlich geringere Inzidenz als andere Bundesländer vorzuweisen hatte (siehe Abbildungen 4 und 5).

Angesichts der regionalen Unterschiede bei den Infektionen, kam es Ende März zu einer Änderung in der österreichischen Krisenpolitik. Bisher hatte man, trotz der Einführung der Corona-Ampel, hauptsächlich auf bundesweite Maßnahmen gesetzt - auf dieser Grundlage wurde auf die erste und zweite Welle mit landesweiten Lockdowns reagiert. Angesichts der sich zuspitzenden Situation im März 2021, wurde aber diesmal auf regionale Lösungen in den einzelnen Bundesländern gesetzt. Die Landeshauptleute nahmen damit eine führende Rolle in den den Entscheidungs- und Kommunikationsprozessen während der Krise ein. Am 24. März verkündeten die Landeshauptleute von Niederösterreich, Burgenland und Wien eine sechstägige “Osterruhe” ab 1. April. Dabei handelte es sich um einen “harten Lockdown”, der ganztägige Ausgangsbeschränkungen sowie die Schließung des Handels und der Schulen vorsah. 

Allerdings wurde bereits zwei Tage vor dem Beginn der “Osterruhe” die Gültigkeit der Maßnahmen in Wien bis 11. April verlängert - Verlängerungen in Niederösterreich und Burgenland folgten später. Es sollte allerdings nicht die einzige Verlängerung bleiben. Niederösterreich und Wien verlängerten am 6. April und am 12. April zwei weitere Male den Lockdown, bis er schließlich am 2. Mai enden sollte. Die Schulen allerdings wurden bereits unter bestimmten Auflagen eine Woche zuvor geöffnet. Die burgenländische Landesregierung entschied sich jedoch gegen die dritte Verlängerung des Lockdowns und beendete den “harten” Lockdown bereits am 18. April. Die Gastronomie und der Kulturbereich blieben in allen Bundesländern bis auf Vorarlberg geschlossen.

Abbildung 4: 7-Tages-Inzidenz nach Bundesland, (Quelle: covid19-dashboard.ages.at)

Abbildung 5: 7-Tages-Inzidenz nach Region, (Quelle: covid19-dashboard.ages.at)

Nach mehrtägigem Krankenstand und etwaigen medialen Spekulationen um seinen Gesundheitszustand trat Bundesminister Rudolf Anschober am 13. April 2021 aus gesundheitlichen Gründen zurück. Er hatte seit Krisenbeginn das für das Krisenmanagement zentrale Gesundheitsressort geleitet. Sechs Tage später, am 19. April, wurde Wolfgang Mückstein als neuer Gesundheitsminister angelobt

Nach zahlreichen Lieferproblemen des Impfstoffherstellers Astra Zeneca, die die EU Impfstrategie massiv beeinträchtigen, bereitete die EU Ende März schließlich eine Klage gegen den Pharmakonzern vor. Nach Rechtsansicht der europäischen Kommission war der Impfstoffhersteller seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Außerdem wurde seit März über mögliche Nebenwirkungen des Impfstoffs von Astra Zeneca diskutiert. Schließlich hatte die Europäische Arzenimittelbehörde (EMA) im April einen extrem selten auftretenden Wirkungszusammenhang zwischen dem Impfstoff und Thrombosen bestätigt.

Mai 2021: Ende des Ost-Lockdowns und die Intensivierung der Impfkampagne

Anfang Mai wurde schließlich der “Ost-Lockdown” vollständig beendet. Wien und Niederösterreich kehrten damit zur bundesweiten Norm des Teil-Lockdowns zurück. Nächtliche Ausgangsbeschränkungen, die Schließung der Gastronomie sowie des Tourismus blieben damit in Kraft. Allerdings öffneten sowohl Schulen, Museen und der Handel. Aufgrund der bundesweit sinkenden Infektionszahlen kündigte die Bundesregierung zuletzt bundesweite Öffnungsschritte für den 19. Mai 2021 an. 

Seit März hat außerdem das Impfprogramm deutlich an Geschwindigkeit zugenommen (siehe Abbildungen 6 und 7). Bis 15. März 2021 - nach über zwei Monaten - waren eine Million Impfdosen verimpft (Kalenderwoche 11) worden. Etwa zwei Monate später, am 17. Mai 2021, wurden laut Gesundheitsministerium bereits 4.056.335 Impfdosen verabreicht, wobei allein seit Monatsanfang in etwa 1 Million Impfdosen verabreicht worden waren. Knapp 38% der impfbaren Bevölkerung (16+) hat damit bislang zumindest die erste Dosis erhalten. 69,9% der bisher verabreichten Impfungen wurden von Biontech/Pfizer zur Verfügung gestellt, während 20,3% von Astra Zeneca und 9,5% von Moderna geliefert wurden (Stand: 12. Mai). 

Die Priorisierung des nationalen Impfgremiums verschiedener Personengruppen wurde im Rahmen der Impfkampagne immer wieder kontrovers diskutiert. Abbildungen 6 und 7 zeigen die Anteile der verschiedenen Altersgruppen an Erst- bzw. Zweitimpfungen im Zeitverlauf. 

Abbildung 6: Impffortschritt, Erstimpfungen nach Altersgruppen und verwendetem Impfstoff (Quelle: www.data.gv.at/katalog/dataset/4312623f-2cdc-4a59-bea5-877310e6e48d)

Abbildung 7: Impffortschritt, Zweitimpfungen nach Altersgruppen und verwendetem Impfstoff (Quelle: www.data.gv.at/katalog/dataset/4312623f-2cdc-4a59-bea5-877310e6e48d)

Zusammenfassung und Fazit

Der Zeitraum von Februar bis Mai war insgesamt von der dritten Pandemiewelle sowie der Ausweitung von Massentests und Impfungen geprägt. Die Lockerungen, die im Februar umgesetzt worden waren, konnten nicht dauerhaft beibehalten und die Versprechen weitere Bereiche zu öffnen nicht eingelöst werden. Stattdessen wurde das öffentliche Leben in drei Bundesländern (Wien, Burgenland, Niederösterreich) nochmals durch verschärfte Maßnahmen eingeschränkt. Auf regionale Lockerungen in Vorarlberg folgte ein neuerlicher Anstieg der Infektionszahlen. 

Allgemein verlief der Anstieg der Infektionszahlen im Frühjahr jedoch weniger sprunghaft als noch zu Beginn der zweiten Welle. Dies könnte darauf hindeuten, dass die neuen Maßnahmen wie Massentests und Impfungen zwar vermutlich nicht ausreichen, um die Krise vollständig zu überwinden, aber dennoch zu einer Verlangsamung der Virusausbreitung beigetragen haben könnten. Zu hoffen ist, dass mit dem Fortschreiten der Impfungen, dem zurückgehenden Infektionsgeschehen und den anstehenden Öffnungen die Corona-Krise nun ein für allemal überwunden werden kann. Ob allerdings das Versprechen eines normalen Sommers 2021 eingelöst werden kann oder ob doch Virusmutanten der “Rückkehr zur Normalität” einen Strich durch die Rechnung machen, bleibt abzuwarten.


Markus Pollak arbeitet als Studienassistent am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und ist Teil des Teams des Austrian Corona Panel Project (ACPP). Er studiert im Master Politikwissenschaft.

Nikolaus Kowarz arbeitet als Studienassistent am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und studiert im Master Politikwissenschaft.

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES).


 

Fußnoten

[1]  Alle Angaben zu bestätigten Infektionen, Todesfällen und Zuwachsraten in diesem Blogbeitrag beziehen sich auf die offiziellen Daten sowie die Berechnungsweise des österreichischen Gesundheitsministeriums, der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH sowie auf das AGES Dashboard COVID-19: https://info.gesundheitsministerium.at/
Die Angaben können daher von den Zahlen anderer Quellen abweichen. z.B. COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU): https://coronavirus.jhu.edu/map.html

[2] Die Sieben-Tage Inzidenz steht für das (aus Vergleichbarkeitsgründen) auf 100.000 Personen gerechnete Infektionsgeschehen in 7 Tagen.

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