13.11.2020 - PDF

Verwirrung um die Corona-Ampel: Nur ein Drittel weiß, was zu tun ist

  • Am 5. November entschied die Corona-Kommission, ganz Österreich auf rot zu schalten. Die Strategie der regionalen Kontrolle wurde mit dieser Entscheidung  einstweilen beendet.
  • Bereits davor wurde der Nutzen des Ampel-Systems von der Bevölkerung jedoch als eher beschränkt gesehen. Im Oktober gab nur etwa ein Drittel der Befragten an, zu wissen, was bei den unterschiedlichen Schaltungen der Corona-Ampel zu tun sei. Für 27% lautete die Antwort “teils-teils”, während 39% angaben, es eher nicht oder gar nicht zu wissen. 42% fühlten sich durch die Corona-Ampel nicht gut über das Erkrankungsrisiko in ihrem Bezirk informiert.
  • Die Hälfte der Menschen in Österreich richtete bereits vor der bundesweiten Rot-Schaltung ihr eigenes Verhalten nicht nach der Corona-Ampel aus. 25% hingegen behaupteten, das eigene Verhalten an der Corona-Ampel auszurichten. Der Rest gab an, dies “teils-teils” zu tun. 
  • Im Vergleich zu September gaben im Oktober deutlich weniger Befragte an, ihr eigenes Verhalten entsprechend der Corona-Ampel anzupassen. 

Von Markus Pollak

Im Sommer 2020 wurde im Zuge von Bemühungen zur Abwendung einer möglichen zweiten Corona-Welle in Österreich ein neues Instrument entwickelt: die Corona-Ampel. Sie soll für jede Region Österreichs die Gefahr einer Ansteckung sowie das Risiko einer Überlastung des Gesundheitssystems bewerten. Wie in der Chronologie des Corona-Blogs nachzulesen ist, ist die Corona-Ampel seit 4. September in Betrieb und wird seither wöchentlich von der Corona-Kommission (ein Gremium bestehend aus Expert*innen der AGES und der GÖG) aktualisiert. Darauffolgend wurde sie in der Öffentlichkeit breit diskutiert, vor allem im Hinblick auf eine mögliche Einflussnahme  politischer Akteure auf die Bewertung, sowie bezüglich der fraglichen Verbindlichkeit der mit den Ampelfarben verbundenen Maßnahmen (z.B. Schulschließungen bei Ampelfarbe Rot). 

Vielfach wurde von Kommentator*innen bemängelt, dass die Bedeutung der Ampelfarben und die damit verbundenen Verhaltensregeln für erhebliche Verwirrung in der Bevölkerung sorgen (z.B. hier). In diesem Beitrag wird auf Grundlage der Daten des Austrian Corona Panel Projects von September und Oktober - also vor der Rot-Schaltung der Ampel im gesamten Bundesgebiet Anfang November - die Frage evaluiert, ob die Menschen in Österreich, die Corona-Ampel verstehen und ihr Verhalten nach ihr ausrichten. 

Information, Wahrnehmung und Verhalten

Im Oktober stimmten nur 28% der Befragten der Aussage zu, dass sie sich dank der Corona-Ampel gut über das aktuelle Erkrankungsrisiko in ihrer Stadt bzw. ihrem Bezirk informiert fühlen (“trifft voll und ganz zu” und “trifft eher zu”). 42% hingegen fühlten sich  nicht gut informiert (“trifft gar nicht zu” und “trifft eher nicht zu”), während 29% sich nur “teils-teils” informiert fühlten. Etwas größer war der Anteil jener Personen, die angaben, zu wissen, was bei unterschiedlichen Schaltungen zu tun sei (34%). Allerdings gab auch hier die große Mehrheit der Befragten an, nicht  (39%) oder nur “teils-teils” (27%) zu wissen, was zu tun sei (siehe Abbildung 1).

Bei Fragen bezüglich des eigenen Verhaltens und dem Verhalten anderer Personen ist diese Tendenz noch stärker ersichtlich. Nur jeder Vierte gab an, sein eigenes Verhalten anhand der Corona-Ampel anzupassen. 26% behaupteten, dass die Aussage “teils-teils” zutrifft, während fast jeder Zweite (48%) angab, sein Verhalten nicht oder eher nicht an der Corona-Ampel zu orientieren. Eine ähnliche Entwicklung war bei der Einschätzung des Verhaltens anderer Personen zu beobachten. 12% der Befragten gaben an, dass ihre  Mitmenschen ihr Verhalten an der Corona-Ampel ausrichten. Das Verhalten Anderer wurde bezüglich der Corona-Ampel somit als deutlich weniger konform wahrgenommen als das eigene Verhalten.  48% behaupteten, dass Andere sich nicht oder eher nicht nach der Ampel richten. Auffällig ist vor allem der große Anteil  jener Befragten, die angaben, dass sich Andere “teils-teils” an der Corona-Ampel orientieren (40%).

Abbildung 1: Wissen, Wahrnehmung und Verhalten bezüglich der Corona-Ampel, gewichtet; etwa 1% der Befragten gaben im Oktober an, die Corona-Ampel nicht zu kennen, durch Rundungsdifferenzen können geringfügige Abweichungen von 100% entstehen (Quelle: Austrian Corona Panel Project, Welle 16 (n= 1,592; 16.10.– 23.10.2020))

Einschätzung des Verhaltens im Zeitverlauf

In Abbildung 2 wird ersichtlich, dass der Anteil der Befragten, die angaben, dass ihr eigenes Verhalten und das Verhalten Anderer sich nicht an der Corona-Ampel ausrichtet, im Zeitvergleich zunahm. Während im September 39% der Befragten (24%= “trifft gar nicht zu”, 15% = “trifft eher nicht zu”) angaben, ihr eigenes Verhalten nicht an der Corona-Ampel auszurichten, waren es im Oktober bereits 48% (30%= “trifft gar nicht zu”, 18% = “trifft eher nicht zu”). Gleichzeitig nahm der Anteil der Personen ab, die angaben, ihr eigenes Verhalten an der Corona-Ampel zu orientieren  (- 7%). Im Oktober gab nur mehr jede zehnte Person an, dass sie ihr Verhalten voll und ganz nach  der Corona-Ampel ausrichtet.

Ein ähnliches Bild zeigte sich bei der Einschätzung des Verhaltens anderer Personen. Während im September 40% der Befragten behaupteten, dass Andere ihr Verhalten nicht an der Corona-Ampel ausrichten (16%= “trifft gar nicht zu”, 24% = “trifft eher nicht zu”), waren es im Oktober 48% (21%= “trifft gar nicht zu”, 27% = “trifft eher nicht zu”). Der Anteil der Befragten, die das Verhalten Anderer als nicht auf die Ampel ausgerichtet sieht, hat veränderte sich allerdings kaum (-1%), wenngleich der Anteil bereits zuvor im Vergleich sehr niedrig war (10% =  “trifft gar nicht zu”, 3% = “trifft voll und ganz zu”). 

Abbildung 2: Ausrichtung des Verhaltens an der Corona-Ampel, gewichtet; durch Rundungsdifferenzen können geringfügige Abweichungen von 100% entstehen (Quelle: Austrian Corona Panel Project, Welle 15 (n=1,505; 11.09.-18.09.2020) Welle 16 (n= 1,592; 16.10.– 23.10.2020))

Conclusio und Ausblick

Die beiden Messungen im September und Oktober unterstreichen, dass der Informationswert und die  Orientierungshilfe der Corona-Ampel in Österreich äußerst umstritten sind. Ein Großteil der Menschen in Österreich fühlte sich nicht vollständig informiert und richtete ihr eigenes Verhalten kaum an der Corona-Ampel aus. Der Anteil ebendieser Personen  nahm von September auf Oktober deutlich zu. Dennoch fühlten sich im Oktober 25% bis 34% der Menschen “eher” oder “voll und ganz” durch die Corona-Ampel informiert, wissen was zu tun ist und passen  ihr eigenes Verhalten entsprechend an. Wie in Beiträgen der Corona-Dynamiken zu andere Regierungsmaßnahmen zu entnehmen ist, war gleichzeitig allgemein eine zunehmende Polarisierung der Einschätzung von  Regierungsmaßnahmen in Bezug auf den Umgang mit der Pandemie zu beobachten . 

Fünf Tage nach der Verkündung des zweiten Lockdowns in Österreich, stellte die Corona-Kommission am 5. November 2020 ganz Österreich auf die Ampelfarbe rot (siehe Abbildung 3). Damit ist das einstweilige Ende der Strategie der Bundesregierung, das Infektionsgeschehen und die Systemauslastung in den einzelnen Regionen zu bewerten und unter Kontrolle zu halten, erreicht. Die weiteren Wochen und Monate werden zeigen, wie mit der Corona-Ampel als Informations- und Kontrollinstrument weiter fortgefahren wird.

Abbildung 3: Corona-Ampel des österreichischen Gesundheitsministeriums, Stand: 05.11.2020 (Quelle: corona-ampel.gv.at)


Markus Pollak arbeitet als Studienassistent am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und ist Teil des Teams des Austrian Corona Panel Project (ACPP). Er studiert im Master Politikwissenschaft.