09.11.2020 -  PDF

Kurzarbeit, Härtefonds und Co: Verändert der Erhalt von Unterstützungsleistungen die Zufriedenheit mit den Maßnahmen?

  • Ein beträchtlicher Teil der Österreicher*innen hat im Zuge der Corona-Krise Unterstützungsleistungen erhalten.
  • Zum Teil wurden mehr als 30 Prozent der Befragten zeitgleich entweder über Kurzarbeitszuschüsse, Arbeitslosenunterstützung, die Sozialhilfe, den Härtefonds oder einen AWS-Kredit unterstützt.
  • Die allgemeine Zufriedenheit mit den Unterstützungsleistungen sinkt im Zeitverlauf.
  • Betroffene Unternehmer*innen und Arbeitnehmer*innen bewerten die Unterstützungsleistungen unterschiedlich. Während Unternehmer*innen die Maßnahmen nach Erhalt positiver bewerten, verändert sich die Einschätzung der Arbeitnehmer*innen durch den Erhalt nicht.

Von Laurenz Ennser-Jedenastik und Franziska Windisch

Einleitung

„Wir wollen alles Mögliche tun, um Arbeitslosigkeit und Zahlungsunfähigkeit in Unternehmen zu verhindern. Unser Zugang ist: Koste es, was es wolle.“ – Mit diesen Worten trat Bundeskanzler Sebastian Kurz am 18. März 2020 – drei Tage nach dem Beginn des österreichweiten Lockdowns – vor die Presse. Was folgte, war das Schnüren mehrerer Rettungspakete, mit deren Maßnahmen man Arbeitnehmer*innen und Unternehmer*innen unter die Arme greifen wollte. Angesichts der andauernden gesundheitlichen wie wirtschaftlichen Krisensituation ist eine verstärkte Abhängigkeit von staatlichen Leistungen auch in absehbarer Zeit zu erwarten.

Doch wie lautet die Einschätzung der Betroffenen? Sind sie zufriedener mit den Unterstützungsleistungen als Personen, die keine Unterstützung bekommen haben? Zeichnet sich diesbezüglich ein Unterschied zwischen Unternehmer*innen und Arbeitnehmer*innen ab? Um diesen Fragen nachzugehen, haben wir einen Blick auf die Veränderung der Unterstützungssituation der Befragten der Corona Panel Studie geworfen und untersucht, ob mit dem individuellen Erhalt bzw. Verlust von Unterstützungsleistungen auch eine Veränderung der Zufriedenheit mit ebendiesen einhergeht.

Leistungserhalt gleich Leistungszufriedenheit?

Ein beträchtlicher Anteil der Österreicher*innen hat im Zuge der Corona-Krise Unterstützungsleistungen erhalten. Ende April wurden sogar mehr als 30 Prozent der Befragten des Austria Corona Panel Projects zeitgleich entweder über Kurzarbeitszuschüsse, die Arbeitslosenunterstützung, die Sozialhilfe, Zahlungen aus dem Härtefonds oder einen AWS-Kredit unterstützt. Während bis zu den ersten Lockerungen Mitte Mai nahezu jede*r vierte Befragte in Kurzarbeit war, lag der Anteil an Befragten, die über den Härtefonds oder einen AWS-Kredit unterstützt wurden, jeweils deutlich unter fünf Prozent (siehe Abbildung 1).

Im Rahmen des Corona-Panels der Universität Wien wurden die Befragten auch um ihre allgemeine Einschätzung zum Funktionieren der Unterstützungsmaßnahmen gebeten. Drei Szenarien sind hinsichtlich des Zusammenwirkens von Leistungserhalt und Leistungszufriedenheit denkbar: Betroffene bewerten die Maßnahmen positiver. Dies kann daran liegen, dass die Abwicklung gut funktioniert hat, aber auch dadurch begründet sein, dass Menschen in einer wirtschaftlichen Notsituation schlicht froh über die staatliche Finanzspritze sind. Betroffene bewerten die Maßnahmen negativer. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn die persönliche Erfahrung mit den Maßnahmen eine schlechte war. Es ist aber selbstverständlich auch möglich, dass sich die Leistungszufriedenheit jener Menschen, die eine Veränderung ihrer Unterstützungssituation erfahren haben, in ähnlichem Ausmaß verändert wie von jenen Menschen, bei denen alles beim Alten bleibt.

Abbildung 1 - Erhalt von Unterstützungsleistungen im Zeitverlauf, gewichtet (Quelle: Austrian Corona Panel Project, Welle 1-16)

Verändert sich die Unterstützungssituation, verändert sich auch die Einschätzung der Leistungen

Die Teilnehmer*innen des Corona-Panels der Universität Wien wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach ihrer Einschätzung zu den Unterstützungsleistungen befragt. Konkret wurden sie mit folgender Aussage konfrontiert: „Die Unterstützungsmaßnahmen der Regierung kommen im Allgemeinen unbürokratisch und schnell bei den Zielgruppen an.“ Während dieser Aussage Ende April mehr als ein Viertel der Befragten „voll und ganz“ bzw. „eher“ zustimmten, sind es Mitte August nur mehr circa 11 Prozent. Vergleicht man die Einschätzung der Unterstützungsleistungen im Zeitverlauf, wird ein Unterschied zwischen jenen Personen, die eine Veränderung ihrer Unterstützungssituation erfahren und jenen Personen, die keine Veränderung zu verzeichnen haben, deutlich (siehe Abbildung 2). Denn während vorhergesagt wird, dass die Zufriedenheit von Personen, die keine Veränderung bzw. einen Verlust von Unterstützungsleistungen erfahren haben, auf einer Skala von -4 (sehr starke negative Veränderung) bis +4 (sehr starke positive Veränderung) um 0,4 Punkte sinkt, liegt die Vorhersage der Zufriedenheitsveränderung für Personen, die eine Unterstützungsleistung erhalten haben, um 0.[1] Der Erhalt von Unterstützungsleistungen geht also nicht mit einer positiveren Bewertung der Leistungen einher. Die Unterstützungszufriedenheit bleibt bei Erhalt einer Leistung lediglich – entgegen des zeitlichen Trends nach unten – unverändert.

Abbildung 2 - Veränderung der Zufriedenheit nach Unterstützungsleistungen, Vorhersage nach Unterstützungserhalt, Marginaler Effekt (Quelle: Austrian Corona Panel Project, Welle 1-14)

Unternehmer*innen und Arbeitnehmer*innen zeigen unterschiedliche Muster im Zusammenspiel von Unterstützungssituation und Leistungsbewertung

Zwei Gruppen sind von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise besonders betroffen: Arbeitnehmer*innen, die sich mit einer (potentiellen) Kündigung konfrontiert sehen, und Unternehmer*innen, deren Geschäftstätigkeit eingestellt bzw. eingeschränkt werden muss. Tabelle 1 zeigt die Unterstützungsleistungen jener Personen, die vor dem Unterstützungserhalt selbstständig erwerbstätig waren, und jener Personen, die vor dem Unterstützungserhalt unselbstständig erwerbstätig waren. Persönlich wurden und werden erstere vor allem durch Kurzarbeitszuschüsse, Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe, letztere durch den Härtefonds unterstützt (siehe Tabelle 1).

Unterstützungsleistung

Unternehmer*innen

Arbeitnehmer*innen

gesamt

Kurzarbeit

17%

80%

72,0%

Sozialhilfe

6%

3%

3%

AWS-Kredit

6%

1%

1%

Arbeitslosenunterstützung

13%

10%

11%

Härtefonds

57%

6%

13%

Tabelle 1 - Unterstützungsleistung nach Erwerbstatus vor dem Erhalt (Unternehmer*innen = selbstständig erwerbstätig; Arbeitnehmer*innen = unselbstständig erwerbstätig)

Unterscheidet man in der Betrachtung zwischen Personen, die vor dem Unterstützungserhalt selbstständig und Personen, die unselbstständig tätig waren, zeichnen sich deutlich Unterschiede ab. Während die Einschätzung der Unterstützungsleistungen von Arbeitnehmer*innen – je nach Unterstützungssituation – kaum variiert, geht der Verlust bzw. der Erhalt von Leistungen für Unternehmer*innen mit einer negativen bzw. positiven Veränderung bezüglich der Bewertung der Maßnahmen einher. Der linke Graph der Abbildung 3 zeigt die statistische Vorhersage der Veränderung der Einschätzung der Unterstützungsleistungen von Unternehmer*innen je nachdem, ob sie eine Leistung erhalten bzw. verloren haben. Unternehmer*innen, denen staatliche Hilfe – z.B. über den Härtefonds oder AWS-Kredite – zugesprochen wurde, sind auf einer Skala von -4 bis +4 um 0,4 Punkte zufriedener mit den Unterstützungsleistungen als vor dem Erhalt. Unternehmer*innen, die die staatliche Unterstützung verloren haben, bewerten die Leistungen hingegen um 0,6 Punkte negativer. Die vorliegenden Daten sagen nichts über die Gründe der Differenz zwischen Arbeitnehmer*innen und Unternehmer*innen aus. Es können also nur Mutmaßungen angestellt werden: Unternehmer*innen – so zeigen die Daten des Austria Corona Panel Projects – schätzen ihre persönliche wirtschaftliche Gefahr anlässlich der Pandemie deutlich höher ein als Arbeitnehmer*innen. Möglich ist unter anderem, dass diese Gruppe deshalb stärker auf den persönlichen Erhalt bzw. Verlust von Unterstützungen reagiert. Auch die Abwicklung der jeweiligen Unterstützungsleistungen unterscheidet sich deutlich: Kurzarbeitszuschüsse werden durch den*die Arbeitgeber*in beim Arbeitsmarktservice beantragt. Während der*die Arbeitgeber*in für die tatsächlich geleistete Arbeit aufkommt, stockt das AMS den Großteil des alten Verdiensts auf. Dies gilt solange die Beschäftigte in Kurzarbeit gemeldet ist. Die Empfänger*innen selbst haben mit der Abwicklung nicht direkt zu tun. Anders ist das beim Härtefonds. Es handelt sich dabei um einen einmaligen Zuschuss, dessen Abwicklung über die Wirtschaftskammer erfolgt. Zahlreiche Voraussetzungen müssen erfüllt und auch belegt werden: Es gibt Mindest- und Maximaleinkünfte, Mehrfachversicherte sind ebenso ausgeschlossen wie Personen, die über Mieteinnahmen verfügen, die über der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Der*die Unternehmer*in sieht sich also mit einer vergleichsweise aufwändigen Abwicklung konfrontiert. Es ist zudem schwer abzuschätzen, welche Förderungssumme am Ende tatsächlich auf dem Konto landet.

Abbildung 3 - Veränderung der Zufriedenheit mit Unterstützungsleistungen, Vorhersage nach Unterstützungserhalt: Arbeitnehmer*innen vs. Unternehmer*innen, Marginaler Effekt (Quelle: Austrian Corona Panel Project, Welle 1-14)

Fazit

Der österreichweite Lockdown und die globale ökonomische Ausnahmesituation angesichts der COVID-19-Pandemie ließen zahlreiche Arbeitnehmer*innen um ihre Jobs zittern, während viele Selbstständige von einem Tag auf den anderen ihre Existenzgrundlage verloren haben. Im österreichischen Nationalrat wurden deshalb zahlreiche von der österreichischen Bundesregierung initiierte Hilfspakete beschlossen. Im Rahmen des Austrian Corona Panel Projects wurde untersucht, ob mit dem individuellen Erhalt bzw. Verlust von Unterstützungsleistungen auch eine Veränderung der Einschätzung der Unterstützungsleistungen einhergeht. Alles in allem sinkt die Zufriedenheit mit den Unterstützungsleistungen im Zeitverlauf. Auch der Erhalt von Unterstützungsleistungen geht nicht mit einer Steigerung der Zufriedenheit mit den Leistungen einher. Differenziert man zwischen Arbeitnehmer*innen und Unternehmer*innen werden Unterschiede deutlich: Während die Einschätzung der Unterstützungsleistungen für Arbeitnehmer*innen in Abhängigkeit zur Unterstützungssituation kaum variiert, geht der Verlust bzw. der Erhalt von Leistungen für Unternehmer*innen mit einer negativen bzw. positiven Veränderung bezüglich der Einschätzung der Maßnahmen einher.


Laurenz Ennser-Jedenastik ist Assistenzprofessor am Institut für Staatswissenschaft und forscht und lehrt dort Sozialpolitik. Gewerkschaften, politische Eliten und Parteien.

Franziska Windisch arbeitet als Studienassistentin am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Sie studiert im Master Politikwissenschaft.


Fußnoten

[1] Die Veränderungsskala reicht jeweils von -4 (Veränderung hin zu sehr negativer Bewertung) bis +4 (Veränderung hin zu sehr positiver Bewertung). Nimmt die Variable die Ausprägung 0 an, bedeutet das, dass es zu keiner Veränderung in der Einschätzung seit der letzten Befragung (vor dem Unterstützungserhalt bzw. Unterstützungsverlust) kam.