06.07.2020

Wann ist die Corona-Krise vorbei?

  • Das Ende der Corona-Krise rückt in immer weitere Ferne: Der Anteil derer, die ein Krisenende in mehr als sechs Monaten erwarten, stieg im Zeitraum von Ende März bis Ende April deutlich von ca. 34 Prozent auf ca. 61 Prozent an. 
  • Wie lange genau ist ungewiss: Während ein Teil der Befragten davon ausgeht, dass die Pandemie spätestens in zwei Jahren der Vergangenheit angehört, meinen etwa genauso viele, dass die Krise noch länger dauern wird. Dabei wuchs zuletzt der Anteil, der eine mehrjährige Krise mit einer Dauer über zwei Jahre hinaus erwartet.
  • Optimistisch, dass die Krise bald vorbei ist, sind vor allem junge Menschen und Personen, die die Gefahr durch das Coronavirus gering einschätzen. 

Von Julia Partheymüller, Jakob-Moritz Eberl und Noelle S. Lebernegg

Wie lange die Corona-Krise noch dauern wird, kann niemand mit Gewissheit sagen. Expert*innen gehen derzeit davon aus, dass eine Rückkehr zur Normalität erst dann möglich sein wird, wenn ein einsatzfähiger Impfstoff vorliegt. Die Entwicklung von Impfstoffen ist normalerweise ein langwieriger Prozess. Im Zuge der Coronavirus-Pandemie wurden jedoch ungeahnte Anstrengungen zur Beschleunigung der Impfstoff-Entwicklung unternommen und eine Vielzahl von Impfstoff-Kandidaten wird derzeit evaluiert. Als absolute Untergrenze hat sich in der Expertenmeinung ein Zeitraum von zwölf bis 18 Monate bereits frühzeitig herauskristallisiert.[1]

Was meinen die Bürger*innen in Österreich zur Frage, wie lange die Corona-Krise noch dauern wird? Die Forschung zur Weisheit der Vielen hat gezeigt, dass Gruppen kollektiv oft zu besseren Einschätzungen gelangen können als einzelne Personen. Einzelne nehmen einen relevanten Ausschnitt der Realität wahr, zum Teil jedoch durchaus mit erheblichen Verzerrungen. Diese individuellen Verzerrungen heben sich bei der Aggregation der Meinungen gegenseitig auf, so dass die Gruppenmeinung das Gesamtbild insgesamt am besten widerspiegelt. Zwar ist die Validität dieser Gruppeneinschätzung von einigen Annahmen abhängig, die in Bevölkerungsumfragen nur teilweise erfüllt sind, jedoch hat die Forschung beispielsweise zu Wahlprognosen gezeigt, dass selbst naive Umfragen bereits eine hohe Präzision in der Vorhersage erreichen können.[2] Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Blog-Beitrag die Erwartungen der österreichischen Bevölkerung zur Krisendauer im Zeitverlauf sowie für verschiedene Subgruppen.

Wie lange wird es noch dauern, bis das Leben in Österreich wieder normal wird?

Für die österreichische Bevölkerung ist das Krisenende in immer weitere Ferne gerückt (siehe Abbildung 1, links). Der Anteil derer, die ein Krisenende in mehr als sechs Monaten erwarten, stieg im Zeitraum von Ende März bis Ende April deutlich von ca. 34 Prozent auf ca. 61 Prozent an. Von Mai bis Mitte Juni verblieb der Wert auf diesem Niveau bei geringfügigen Schwankungen. In unserer letzten Erhebung Ende Juni stieg der Wert erneut an und lag zuletzt bei beinahe 70 Prozent. Insgesamt also ist aus einer Minderheitenmeinung inzwischen eine absolute Mehrheitsmeinung geworden: Die Krise wird noch länger als sechs Monate dauern.

Abbildung 1: Erwartungen zur Krisendauer (Daten: Austrian Corona Panel Data, Welle 1-12)

Noch weiter in die Zukunft zu blicken, ist natürlich mit noch größerer Unsicherheit in den Erwartungen behaftet. Entsprechend ist das Meinungsbild hier weniger eindeutig (Abbildung 1, rechts). Relativ klar scheint für die meisten zu sein, dass die Krise wohl länger als ein Jahr, aber nicht mehr als fünf Jahre dauern wird. Ob es nun aber eher ein bis zwei Jahre oder eher zwei bis zu fünf Jahre sein werden, ist weniger deutlich. Während von Ende April bis Mitte Juni die meisten noch im Einklang mit dem Best-Case-Szenario der Expert*innen von einer Krisendauer von ein bis zwei Jahren waren, zeigt unsere letzte Messung Ende Juni, dass inzwischen knapp mehr Personen von einer Rückkehr der Normalität in zwei bis fünf Jahren ausgehen. Obwohl man rein mathematisch erwarten könnte, dass unter der Annahme eines fixen Endpunkts das Krisenende im Zeitverlauf mehrerer Monate näher rücken sollte, zeigen unsere Daten das Gegenteil: Je länger die Corona-Krise bislang fortdauerte, umso weiter rückte ihr erwartetes Ende in die Ferne. Zu bedenken ist dabei auch, dass die Zeitwahrnehmung selbst etwas Subjektives ist und durch außenstehende Ereignisse, wie Krisen durchaus beeinflusst werden kann.

Wer ist optimistisch, dass die Krise bald vorbei ist?

Sehen wir uns nach dem Gesamtbild aber auch die “Ausreißer” an: Auch wenn die Mehrheit der Österreicher*innen glaubt, dass die Krise noch länger als sechs Monate andauern wird, so gibt es einige, die meinen, dass eine Rückkehr zur Normalität bereits in Kürze möglich sein wird. Wer sind diese Optimist*innen? Dazu schauen wir uns im Folgenden die Erwartung für den Zeitpunkt des Krisenendes für verschiedene soziodemographische Gruppen an (Abbildung 2).

Abbildung 2: Erwartung der Krisendauer für verschiedene Subgruppen (Daten: Austrian Corona Panel Data, Welle 12, 26.6.-1.7, N=1.522, gewichtet)

Die Erwartung eines baldigen Krisenendes ist insbesondere bei jungen Menschen unter 30 Jahren stark verbreitet. In dieser Altersgruppe geht nur eine Minderheit davon aus, dass die Krise länger als sechs Monate fortdauern wird. Der Zukunftsoptimismus der jungen Menschen ist ein generelles Phänomen[3] und wir haben ihn im Corona-Blog bereits vielfach in anderem Zusammenhang beobachtet (siehe Blog-Beitrag von B. Schels sowie den Beitrag von D. Prandner, R. Moosbrugger und C. Glatz). In den anderen Altersgruppen liegt der Anteil jener, die eine mittel- bis langfristige Krisendauer erwarten deutlich höher. In der Gruppe der über 65-Jährigen sind es über 80 Prozent. Es zeigen sich also insgesamt sehr markante Unterschiede über die Altersgruppen hinweg.

Im Gegensatz dazu zeigen sich nur geringfügige bis gar keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen, nach verschiedenen Bildungsabschlüssen, dem Wahlverhalten bei der Nationalratswahl oder der Mediennutzung. Dies mag überraschend erscheinen, da beispielsweise eine höhere Bildung oder die Nutzung von informationsreichen Nachrichtenmedien eine größere Vertrautheit mit den Expert*innenmeinungen nahe legen könnte. Zwar sind sich die Expert*innen nicht einig darüber wie lange genau, die Krise dauern wird. Dass es mehr als sechs Monate sein werden, kann aber als weitgehend sicher gelten. Ebenso überraschen mag, dass die parteipolitische Zuordnung keine Rolle bei der Krisenwahrnehmung zu spielen scheint. Allerdings steht dieser Befund im Einklang mit früheren Analysen, wonach die parteipolitische Polarisierung von Wahrnehmungen zur Corona-Krise in Österreich überaus gering ausgeprägt ist (siehe Beitrag von N. Büttner und J. Partheymüller). So zeigt sich auch hier, dass die Lage insgesamt über Parteigrenzen ähnlich wahrgenommen wird.

Deutliche Muster zeigen sich demgegenüber aber für die Gefahrenwahrnehmung. Hier gilt: Je größer die Gefahr durch das Coronavirus wahrgenommen wird, umso länger wird die Dauer der Krise erwartet. Dies erscheint logisch vor dem Hintergrund, dass besonders bedrohliche Krisen auch besonders langwierig sein können, da sie mit tiefen Einschnitten in die Normalität einhergehen. Neben dem generellen Zukunftsoptimismus junger Menschen scheinen also auch die Einschätzungen zur Gefährlichkeit der Krise mit einer längeren Krisenerwartung einherzugehen.

Zusammenfassung und Fazit

Während Expert*innen bereits im April von zwölf bis 18 Monaten Krisendauer als Untergrenze ausgingen, war die österreichische Bevölkerung in der Frühphase der Krise zunächst deutlich optimistischer und nahm an, dass bereits in weniger als einem halben Jahr eine Rückkehr zur Normalität möglich sein würde. Jedoch rückte seither das erwartete Ende der Corona-Krise in die immer fernere Zukunft. Die absolute Mehrheit der Bevölkerung geht inzwischen von einer Krisendauer von mehr als sechs Monaten aus. Wieviel länger genau, ist dabei etwas ungewiss. Viele erwarten, dass es mehr als ein Jahr, aber nicht mehr als fünf Jahre dauern wird. Ob es dabei mehr oder weniger zwei Jahre sein werden, daran scheiden sich die Geister. Zuletzt stieg aber der Anteil der Personen, die eine Krisendauer von mehr als zwei Jahren erwarten weiter an. Die Bevölkerung geht damit inzwischen von einer längeren Krisendauer aus als es das Best-Case-Szenario der Expert*innen (zwölf bis 18 Monate) nahelegt, bei steigender Tendenz. Dies scheint insofern plausibel, da nach der Entwicklung des Impfstoffs auch zusätzliche Zeit gebraucht werden wird, um eine hinreichende Impfbereitschaft und Durchimpfung in der Bevölkerung zu erreichen (siehe auch den Blog-Beitrag von J.-M. Eberl, K. T. Paul und J. Partheymüller). Sofern wir der Weisheit der Vielen vertrauen wollen, können wir uns darauf einstellen, dass es noch mehrere Jahre dauern wird, bis wir zu vollständigen Normalität zurückkehren werden. Wer sich dieser düsteren Prognose nicht anschließen will und stattdessen nach Optimismus sucht, der sollte mit jungen Menschen und jenen sprechen, die das Virus weiterhin für wenig gefährlich halten.


Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.

Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.

Noelle S. Lebernegg ist Universitätsassistentin (Prae-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie assoziierte Wissenschafterin im Vienna Center For Electoral Research (VieCER). Sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen politischer Kommunikation und Medien auf die öffentliche Meinung und Wahlverhalten.


 

 

 

Fußnoten

[1] So sagte beispielsweise der Virologe Christian Drosten in dem beliebten Wissenschafts-Podcast “Coronavirus-Update” bereits in der Folge 26 vom 2. April:  “Genau, man hört jetzt zwölf bis 18 Monate. In diesem Zeitbereich, dass immer gesagt wurde, wenn es wirklich alles gut geht, wenn es ganz schnell läuft, dann kann man je nach Impfstoffkonzept innerhalb von einem oder anderthalb Jahren erwarten, dass man eine zugelassene Vakzine hat.” (https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript174.pdf)

Siehe auch: Coronavirus vaccine: When will we have one? (https://www.bbc.com/news/health-51665497)

[2] Siehe zum Beispiel die Forschung zum “Citizen Forecasting” im Bereich Wahlprognosen:

Lewis-Beck, M. S., & Skalaban, A. (1989). Citizen forecasting: can voters see into the future?. British Journal of Political Science, 19(1), 146-153.

Lewis-Beck, M. S., & Tien, C. (1999). Voters as forecasters: a micromodel of election prediction. International Journal of Forecasting, 15(2), 175-184.

Lewis-Beck, M. S., & Stegmaier, M. (2011). Citizen forecasting: Can UK voters see the future?. Electoral Studies, 30(2), 264-268.

Murr, A. E. (2011). “Wisdom of crowds”? A decentralised election forecasting model that uses citizens’ local expectations. Electoral Studies, 30(4), 771-783.

Für komplexere Verfahren zur Prognose siehe auch die Forschung zu “Superforecasting”: https://goodjudgment.com/about/the-science-of-superforecasting/

[3] Links zum Thema:

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29325140/

https://www.prnewswire.com/news-releases/gates-foundation-poll-finds-young-people-more-optimistic-about-future-than-older-generations-optimism-highest-in-lower--and-middle-income-countries-300717202.html