17.06.2020

Objektive Einschnitte und subjektive Wahrnehmung: Wie junge Erwachsene bislang durch die Corona-Krise gehen

  • Junge Erwachsene im Alter von 25 bis 34 Jahren erlebten in der Zeit des Lockdowns Mitte April sehr rasch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit; die Gruppe der 25- bis 29-Jährigen war zudem überdurchschnittlich oft in Kurzarbeit.
  • Die finanzielle Lage des Haushalts hatte sich bei den 25- bis 34-Jährigen Mitte April im Vergleich zu Februar häufiger verschlechtert als bei 35- bis 50-Jährigen; die finanziellen Einschnitte sind in der Teilgruppe der 25- bis 29-Jährigen auch noch Mitte Juni zu beobachten.
  • In ihren subjektiven Erwartungen blickten die 25- bis 29-Jährigen dennoch überproportional häufig optimistisch in die Zukunft. Sie erwarteten kurz- und mittelfristig ein besseres finanzielles Auskommen als aktuell. Die 30- bis 34-Jährigen waren insbesondere im Lockdown Mitte April am stärksten verunsichert.

Von Brigitte Schels

Wirtschaftskrisen wie in Folge der Corona-Beschränkungen treffen junge Menschen oftmals härter als Personen im Haupterwerbsalter. Dabei ist nicht nur die Suche nach einer Ausbildungsstelle oder nach einer ersten Stelle erschwert. Arbeitsmarktrisiken reichen bis in die Mitte des vierten Lebensjahrzehnts, da junge Erwachsene noch nicht von den Sicherheiten einer längeren Erwerbskarriere profitieren. Zugleich sind sie flexibler und mobiler. Allerdings benötigen sie auch zunehmend Sicherheit, da sie sich häufig in der Familienplanung bzw. –gründung befinden. Das durchschnittliche Alter bei Geburt des ersten Kindes liegt bei Frauen in Österreich derzeit bei 29,7 Jahren (Statistik Austria 2019).

Dieser Beitrag widmet sich den Fragen, welche Einschnitte am Arbeitsmarkt und in der materiellen Lage junge Erwachsene seit Beginn der Corona-Krise erlebt haben und wie sie die nahe Zukunft sehen. In der Studie wird dabei zwischen den Altersgruppen der 25- bis 29-Jährigen und der 30- bis 34-Jährigen unterschieden und diese werden im Vergleich zu Personen im Haupterwerbsalter, hier 35- bis 50-Jährige, betrachtet. Die Studie blickt auf die Situation Mitte April, also rund einen Monat nach dem sogenannten Lockdown, und Mitte Juni, rund zwei Monate nach den ersten Lockerungen.

Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit sind in der Corona-Krise wichtige Indikatoren für die Arbeitsmarktsituation. Dabei beruhen die hier vorgenommenen Auswertungen auf den Angaben der Befragten der Austrian-Corona-Panel-Studie zu ihrem Erwerbsstatus und ihrer Beschäftigungssituation. Entsprechend können die Angaben von der registrierten Arbeitslosigkeit bzw. Kurzarbeit abweichen.

Abbildung 1: Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in der Corona-Krise 2020, nach Altersgruppen (Quelle: Austrian Corona Panel Data, Wellen 3 und 11, gewichtete Angaben (n=112-125 25- bis 29-Jährige, 124-128 30- 34-Jährige, 420-421 35- 50-Jährige; Selbstberichtete Angaben zu Arbeitslosigkeit und der aktuellen Beschäftigungssituation in Kurzarbeit))

Deutlich wird aus den Angaben der befragten Personen, wie die Arbeitsmarktunsicherheit unter den jungen Erwachsenen insbesondere zu Beginn der Corona-Krise angestiegen ist (Abbildung 1). Sieben Prozent der befragten 25- bis 29-Jährigen gaben rückblickend für Februar an, arbeitslos gewesen zu sein. Für Mitte April berichteten dies in derselben Altersgruppe 10 Prozent und für Mitte Juni 11 Prozent. Bei den 30- bis 34-Jährigen waren es nach eigenen Angaben 4 Prozent im Februar, 9 Prozent Mitte April und noch 7 Prozent Mitte Juni. Im Vergleich dazu liegen die Angaben zur Arbeitslosigkeitserfahrung in der Gruppe der 35- bis 50-Jährigen bei 10 bis 11 Prozent.

Im April wurden 27 Prozent der 25- bis 29-Jährigen von der Maßnahme der Kurzarbeit aufgefangen. Das sind überproportional viele im Vergleich zu den 30- bis 34-Jährigen und 35- bis 50-Jährigen, bei denen jeweils rund 20 Prozent in Kurzarbeit waren. Mitte Juni waren über alle Altersgruppen nach eigenen Angaben weniger Personen in Kurzarbeit, aber immer noch etwas mehr in der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen (20 Prozent) im Vergleich zu den 30- bis 34-Jährigen (17 Prozent) und 35- bis 50-Jährigen (16 Prozent).  

Abbildung 2: Entwicklung des Haushaltseinkommens und des erwarteten zukünftigen finanziellen Auskommens in der Corona-Krise 2020, nach Altersgruppen (Quelle: Austrian Corona Panel Data, Wellen 3 und 11, gewichtete Angaben (n=112-125 25- bis 29-Jährige, 124-128 30- 34-Jährige, 420-421 35- 50-Jährige; Fehlende Werte auf 100% aufgrund von fehlenden Angaben zum Haushaltseinkommen im Februar 2020 oder zum Befragungszeitpunkt; Fehlende Werte auf 100% aufgrund von fehlenden Einschätzungen zum Befragungszeitpunkt))

Um weiter die finanzielle Lage der befragten Personen in der Corona-Krise zu beschreiben, werden die Angaben zum Haushaltnettoeinkommen zum Befragungszeitpunkt mit den rückblickenden Angaben für Februar verglichen (Abbildung 2, oben). In dieser Betrachtung ist bei den 35- bis 50-Jährigen eine etwas höhere finanzielle Stabilität im Haushaltseinkommen zu beobachten als in den anderen hier betrachteten Altersgruppen. Bei 41 Prozent der 35- bis 50-Jährigen war die Einkommenssituation Mitte April etwa auf vergleichbarem Niveau wie im Februar, Mitte Juni noch bei 39 Prozent. Verschlechtert hatte sich die Einkommenssituation bei 23 Prozent von Februar bis Mitte April, bei 20 Prozent bis Mitte Juni. In der Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen war die Einkommenssituation bei 36 Prozent Mitte April noch auf vergleichbarem Niveau wie im Februar. Das traf Mitte Juni nur mehr auf 27 Prozent zu. Bei 27 Prozent hat sich die finanzielle Lage im April, und bei 28 Prozent im Juni verschlechtert. Die Entwicklung in der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen zeigt ebenfalls, dass sich bei 26 Prozent die finanzielle Lage Mitte April im Vergleich zu Februar verschlechtert hat. Im Juni waren es dagegen im Vergleich zu Februar nur 16 Prozent. Ein stabiles Haushaltseinkommen im Vergleich zu Februar war unter den 30- bis 34-Jährigen zu 39 Prozent Mitte April und zu 35 Prozent Mitte Juni zu sehen.  

Mit Blick auf die Zukunft wurde gefragt, wie die verschiedenen Altersgruppen erwarten, dass ihr finanzielles Auskommen kurzfristig, d.h. in 3 Monaten, und mittelfristig, d.h. in 12 Monaten, im Vergleich zur aktuellen Situation sein wird (Abbildung 2, Mitte und unten). Die 35- bis 50-Jährigen erwarteten überdurchschnittlich häufig kurzfristig wie mittelfristig, dass ihr finanzielles Auskommen in etwa gleichbleiben wird. Für die jüngeren Altersgruppen sind zwei Beobachtungen bemerkenswert: Erstens gaben 43 Prozent der 25- bis 29-Jährigen Mitte April und gar 48 Prozent Mitte Juni an, dass sie mittelfristig eine finanzielle Verbesserung erwarten – so hohe Anteile wie in keiner anderen der betrachteten Altersgruppen. Jeweils nur 15 Prozent befürchteten eine Verschlechterung. Zweitens erwarteten 31 Prozent der 30- bis 34-Jährigen Mitte April, also noch im Lockdown, dass sich ihr finanzielles Auskommen kurzfristig verschlechtern würde, 20 Prozent erwarteten dies auch mittelfristig. Diese Anteile liegen höher als in den Gruppen der 25- bis 29-Jährigen und 35- bis 50-Jährigen. Im Juni ist der Anteil unter den 30- bis 34-Jährigen, die eine Verschlechterung des finanziellen Auskommens befürchteten, zurückgegangen, insbesondere die kurzfristigen Erwartungen.

Fazit: Die Krise hat junge Erwachsene in unterschiedlicher Hinsicht stärker getroffen als Personen im Haupterwerbsalter. Die Befunde zeigen, dass 35- bis 50-Jährige seit Beginn der Corona-Krise sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch mit Blick auf ihre finanzielle Lage deutlich weniger Schwankungen erfahren haben als Jüngere. Die jungen Erwachsenen erlebten nicht nur einen raschen Anstieg der Arbeitsmarktrisiken, sondern auch zu einem etwas größeren Anteil eine Verschlechterung der finanziellen Lage ihrer Haushalte. Trotz der Entwicklung der objektiven Risiken in der Corona-Phase blicken aber gerade die 25- bis 29-Jährigen mit Optimismus auf die weitere Entwicklung ihrer finanziellen Lage, mitunter aufgrund der Flexibilität der Jüngeren. Das war schon während des Lockdowns Mitte April so und noch deutlicher Mitte Juni 2020, nach dem Ende vieler Einschränkungen. Insgesamt zeigen sich jüngere Menschen in der Corona-Krise optimistischer als andere Altersgruppen. Die 30- bis 34-Jährigen konnten dagegen im April den Optimismus der 25- bis 29-Jährigen nicht teilen und befürchteten sogar überdurchschnittlich häufig eine Verschlechterung der finanziellen Lage. Sie zeigten sich subjektiv am stärksten verunsichert, was einerseits der Erwartung entspricht, dass in dieser Altersgruppe eine finanzielle Sicherheit von herausragender Bedeutung für die weitere Lebensplanung ist. Andererseits werden mitunter gerade in dieser Altersgruppe die voraussichtlich noch frischen Arbeitsmarkterfolge und Karriereaussichten in besonderem Maße als durch die Krise bedroht wahrgenommen. Aktuell, Mitte Juni, ist die starke Verunsicherung weitgehend zurückgegangen. Dies bedeutet auch, dass die Teilhabe am Arbeitsmarkt und weitere Entwicklung der finanziellen Absicherung für die Zukunftsaussichten der jungen Menschen von herausragender Bedeutung sind.  


Brigitte Schels ist Professorin für Sozialstrukturforschung und quantitative Methoden am Institut für Soziologie der Universität Wien und Wissenschaftlerin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Sie forscht u.a. zu sozialer Ungleichheit im Übergang von der Schule in das Erwerbsleben.