31.04.2020
Der heimische Online-Handel: (k)ein Gewinner der Corona-Krise?
- Der heimische Online-Handel konnte seit Beginn der Corona-Krise neue Kund*innen gewinnen
- Bestandskund*innen weisen im Vergleich zum Vorjahr eine reduzierte Einkaufsfrequenz im regionalen Online-Handel auf
- Gesamt betrachtet sind die Auswirkungen der Corona-Krise auf den regionalen Online-Handel (noch) weitgehend unklar
Von Paul Pichler, Philipp Schmidt-Dengler und Christine Zulehner
Als Mitte März in Folge der Corona-Pandemie der stationäre Einzelhandel in Österreich großflächig behördlich geschlossen wurde, zeichnete sich der Online-Handel als vermeintlicher Krisengewinner ab. Um das Online-Geschäft nicht nur internationalen Giganten, allen voran Amazon, zu überlassen, wurde von Seiten der öffentlichen Hand ein österreichischer Online-Marktplatz initiiert und die Initiative „Kauf lokal, das geht auch digital“ ins Leben gerufen.[1] Deklariertes Ziel war es, den österreichischen Betrieben den Einstieg ins Online-Geschäft zu erleichtern und Kund*innen an die heimischen Händler zu vermitteln.
In diesem Blog-Beitrag untersuchen wir, ob die digitale Kauflust – gemessen an der Einkaufsfrequenz – heimischer Konsument*innen bei lokalen Anbietern mit Beginn der Ausgangsbeschränkungen gestiegen ist. Im Rahmen des Austrian Corona Panels der Universität Wien wurden zwischen 10. April und 16. April insgesamt 1.500 Personen – repräsentativ für die österreichische Bevölkerung (ab 14 Jahre) – dazu online befragt.
Die große Mehrheit der befragten Personen (92.5%) gibt an, in einem durchschnittlichen Monat im Jahr 2019 zumindest einmal online eingekauft zu haben; nur bei 7.5% der Befragten war dies nicht der Fall. Abbildung 1 illustriert das aktuelle Onlineeinkaufsverhalten dieser kleinen Gruppe der 2019 „online-abstinenten“ Konsument*innen. Jede* sechste gibt an, heuer bereits zumindest einmal im regionalen Online-Handel eingekauft zu haben, jede* elfte shoppt mittlerweile dort sogar mehrmals monatlich. Die heimische Wirtschaft konnte seit Jahresbeginn also durchaus neue Online-Kundschaft gewinnen, wobei angenommen werden kann, dass die Corona-Krise ein maßgeblicher Motor dieser Entwicklung gewesen ist. Heimische Neukund*innen gibt es auch im internationalen Online-Handel, zahlenmäßig fallen die Zuwächse jedoch etwas geringer aus.
In Abbildung 2 betrachten wir im Vergleich diejenige Personengruppe, die bereits 2019 mehrmals monatlich oder noch öfter bei regionalen Online-Händlern eingekauft hat. In dieser Gruppe der „Stammkund*innen“ ist ein gegenteiliger Trend festzustellen: die Frequenz des regionalen Online-Einkaufs ist generell rückläufig. Bei nahezu täglicher Frequenz sind die Anteile von 6,2% auf 3,1% gesunken, bei mehrmals wöchentlich von 27,0% auf 18,2% und bei mehrmals monatlich von 66,8% auf 46,7%. Außerdem kaufen 30% derjenigen, die 2019 mehrmals monatlich oder öfter regional online eingekauft haben, derzeit nur mehr seltener oder gar nicht im heimischen Online-Handel.
In diesem Kontext ist anzumerken, dass zum Befragungszeitraum bereits eine schrittweise Öffnung des stationären Einzelhandels in Aussicht gestellt war bzw. schon begonnen hatte. Dies könnte dazu geführt haben, dass schon im Vorfeld Personen ihre Onlinekäufe reduziert haben. Dazu kommen tatsächliche Einkommenseinbußen der Befragten seit Beginn der Corona-Krise sowie erwartete Verschlechterungen der finanziellen Lage, die sich ebenfalls dämpfend auf das Einkaufsverhalten – sowohl stationär als auch online – auswirken könnten.
Schlussfolgerungen
Unsere Befragung verdeutlicht, dass der regionale Online-Handel zwar in letzter Zeit neue Kund*innen gewinnen konnte, andererseits jedoch auch Bestandskund*innen verloren hat. Viele der befragten Personen geben an, derzeit seltener im regionalen Online-Handel einzukaufen als im Vorjahr. Diese Resultate stimmen qualitativ mit früheren Studien, etwa der Universität Linz, überein, die ein ähnliches Bild bereits Ende März gezeichnet haben. Ob der heimische Online-Handel als Gewinner der Corona-Krise hervorgehen wird oder nicht, ist zum derzeitigen Zeitpunkt fraglich. Dies werden erst die Umsatzzahlen der jeweiligen Händler in den nächsten Monaten und Jahren zeigen.
Anmerkung:
Paul Pichler ist assoziierter Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.
Philipp Schmidt-Dengler ist Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.
Christine Zulehner ist Professorin am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.