28.04.2022 - PDF
Inflationserwartung und die Wahrnehmung der Wirtschaftslage in Österreich seit Beginn der Pandemie
Im Laufe der Pandemie ist der Anteil der Personen, die stabile Preise erwartete, stark gesunken.
Seit April 2020 schätzten Befragte die zukünftige Entwicklung der Wirtschaftslage zunehmend pessimistischer ein.
Im Trade-off zwischen höheren Staatsausgaben und stabilen Preisen bevorzugten knapp 70 Prozent der Befragten eher Preisstabilität und nur rund 10 Prozent höhere Staatsausgaben.
Von Thomas Resch & Valentina Ausserladscheider
In vielen EU Ländern, so auch in Österreich, wird von steigenden Preisen berichtet. Die Österreichische Nationalbank berechnet einen Inflationsanstieg auf 5,6 Prozent für das erste Quartal 2022. Dieser Wert lag in den letzten Jahren noch knapp unter 2 Prozent. Globale Lieferketten-Engpässe, welche durch das rapide Wirtschaftswachstum nach Beendigung vieler Covid-Lockdowns entstanden sind, sowie steigende Energiepreise, sind dafür mitverantwortlich. Vor allem die Russische Invasion der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen trieben Preise für Rohöl, Gas und Elektrizität in den letzten Wochen weiter in die Höhe.
Studien haben gezeigt, dass die Inflationserwartung der Bevölkerung nicht nur von den realen Preisveränderungen abhängt. Ein wichtiger Faktor ist unter anderem wie positiv oder negativ die zukünftige Wirtschaftslage eingeschätzt wird. BürgerInnen, welche eher pessimistisch in die Zukunft der Volkswirtschaft blicken, tendieren dazu höhere Preise zu erwarten. Vor diesem Hintergrund betrachtet dieser Blogbeitrag, wie die österreichische Bevölkerung die Entwicklungen von Preisen und der österreichischen Wirtschaftslage seit dem Beginn der Corona-Pandemie einschätzte, sowie welche möglichen Maßnahmen im Angesicht verändernder Preise sie bevorzugte.
Entwicklungserwartungen von Preisen und der Wirtschaftslage
Im ACPP wurde im April 2020, Dezember 2021 und März 2022 die Frage gestellt, wie BürgerInnen die Preisentwicklung in den nächsten 12 Monaten im Vergleich zur aktuellen Situation einschätzen. Abbildung 1 zeigt, dass die Anzahl der Befragten, die einen Preisanstieg erwarteten, schon zu Beginn der Pandemie relativ hoch war. Schon im April 2020 glaubten 72 Prozent der Befragten, dass Preise entweder “etwas” oder “sehr stark” steigen werden. Im März 2022 stieg dieser Anteil auf 90 Prozent der Befragten an, wovon 55 Prozent nun einen “sehr starken” Preisanstieg erwarteten. Somit glaubten auch zunehmend weniger ÖsterreicherInnen, dass Preise entweder “gleich bleiben” oder “sinken” würden. Im April 2020 erwarteten noch 23 Prozent eine stabile Preisentwicklung, während es im März 2022 nur mehr 5% der Befragten waren. Die Erwartung, dass Preise steigen werden, scheint tendenziell mit der tatsächlich steigenden österreichischen Inflationsrate Hand in Hand zu gehen, wie die rechte Seite von Abbildung 1 zeigt.
Betrachtet man nun die Erwartungshaltungen gegenüber der zukünftigen Wirtschaftslage in den 12 Monaten ab dem Befragungszeitpunkt, zeigt sich ebenfalls eine klare Tendenz im Laufe der Pandemie. Seit April 2020 wurde den UmfrageteilnehmerInnen mehrere Male die Frage gestellt: “Wie wird die allgemeine Wirtschaftslage in Österreich in Zukunft im Vergleich zu der aktuellen Situation sein?” Abbildung 2 zeigt, dass zu Beginn der Pandemie noch 41 Prozent Befragten die Wirtschaftslage in den nächsten 12 Monaten als “etwas schlechter” oder sogar “viel schlechter” eingeschätzt hatten. Im März 2022 wurde diese Ansicht bereits von einer Mehrheit mit 62 Prozent getragen. Auch sank der Anteil jener, die eine Besserung der Wirtschaftslage erwarteten. Während im April letzten Jahres noch 40 Prozent der Befragten zuversichtlich waren, dass sich die Wirtschaftslage “etwas” bessert oder “viel besser” wird, waren es im März 2022 nur noch 14 Prozent.
Preisstabilität statt höherer Staatsausgaben
Im Lichte der kürzlich stark ansteigenden Preise gab es vermehrt Rufe nach Maßnahmen gegen die Teuerung. Während auf der einen Seite manche PolitikerInnen und andere EntscheidungsträgerInnen sich für eine striktere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) aussprechen, hieß es von Seiten der EZB-Präsidentin Christine Lagarde Ende März 2022, dass EU Staaten Steuern senken und öffentliche Fördermittel bereitstellen sollten, um die Belastungen steigender Preise und der unsicheren Wirtschaftslage für die Bevölkerung abzufedern. Auch innerhalb der Wirtschaftswissenschaften gibt es Ungereimtheiten im Hinblick auf die Mechanismen, welche Inflation befeuern. Manche sprechen von einem Trade-off zwischen hohen Staatsausgaben und stabilen Preisen, welcher jedoch stark umstritten ist. Während manche Studien suggerieren, dass Preise mit höheren Staatsausgaben steigen, argumentieren andere, dass sich Preise stabilisieren oder sogar fallen wenn Staatsausgaben steigen. Um zu sehen wie die Bevölkerung diesen Trade-off wahrnimmt, wurden im Dezember 2021, sowie März 2022 Befragte gebeten sich zwischen “mehr Staatsausgaben dafür steigende Preise” und “weniger Staatsausgaben dafür stabile Preise” zu positionieren. Abbildung 3 zeigt, dass die in der Zwischenzeit stark angestiegenen Preise auf diese Positionierungen wenig Einfluss hatten. Zu beiden Zeitpunkten waren knapp 70 Prozent der Befragten eher für stabilere Preise anstatt höherer Staatsausgaben. Im Gegensatz dazu waren es nur rund 10 Prozent der Menschen, welche sich eher für mehr Staatsausgaben mit steigenden Preisen aussprachen.
Fazit
Seit Beginn der Pandemie ist der Anteil der österreichischen Bevölkerung, der stabile Preise erwartet, stark gesunken. Auch erwartete eine Mehrheit eine Verschlechterung der Wirtschaftslage. Vor allem die letzten Monate scheinen diese Trends intensiviert zu haben. PolitikerInnen und andere EntscheidungsträgerInnen beschäftigt der Preisanstieg sowie die Wirtschaftslage ebenso. Es bleibt jedoch offen, welche Akteure, ob Regierungen oder Zentralbanken, Gegenmaßnahmen, ob staatliche Hilfszahlungen oder Leitzinsanhebung, ergreifen sollten. Obgleich die Wirkungszusammenhänge zwischen Staatsausgaben und Preisstabilität umstritten sind, scheint eine Mehrheit der ÖsterreicherInnen eher für Maßnahmen zur Preisstabilisierung statt staatlicher Hilfszahlungen zu sein. Insgesamt scheinen die hier präsentierten Daten, Studien, welche einen Zusammenhang zwischen höheren Inflationserwartung und pessimistischer Einschätzung der zukünftigen Wirtschaftslage beschreiben, wider zu spiegeln.
Thomas Resch ist als Doktorand am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Gerechtigkeitsforschung, Verteilungspräferenzen, Einstellungen gegenüber dem Wohlfahrtsstaat und international vergleichender Analyse von Wohlfahrtsstaaten sowie von Gesundheitspolitik und Gesundheitssystemen.
Valentina Ausserladscheider ist seit 2021 Universitätsassistentin (Post-Doc) am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und Research Affiliate am Department of Sociology an der University of Cambridge. Sie forscht an der Schnittstelle zwischen internationaler Wirtschaftspolitik und Wirtschaftssoziologie zu Themen des institutionellen Wandels, politischem Diskurs und kulturellen Werten und Normen in Wirtschaftstheorien.
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