23.12.2021 - PDF

Corona-Demonstrant*innen: Rechts, wissenschaftsfeindlich und esoterisch

  • Weiterhin unterstützt lediglich eine Minderheit (17%) der österreichischen Bevölkerung die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen.
  • 15% würden selbst an einer solchen teilnehmen. 12% würden das auch dann tun, wenn die Demonstration nicht genehmigt sein sollte.
  • Die größte Unterstützung für die Demonstrationen (37%) gibt es seitens Personen, die 2019 die FPÖ gewählt haben bzw. Personen die derzeit angeben, FPÖ (50%) oder MFG (82%) wählen zu wollen. 
  • Demo-Unterstützer*innen zeichnen sich außerdem durch ein höheres Maß an Wissenschaftsfeindlichkeit, den Glauben an ein Leben nach dem Tod, sowie den Glauben an Homöopathie aus.

Von Jakob-Moritz Eberl und Noëlle S. Lebernegg

Die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen sind mittlerweile zu einer dauerhaften Begleiterscheinung der Pandemie geworden. Beobachter*innen dieser Demonstrationen zeigen sich immer beunruhigter und sprechen von einer zunehmenden Radikalisierung der Szene. Unter den Demonstrant*innen fänden sich neben Rechtsextremen auch viele Esoteriker*innen. Die Motive der Demonstrationen seien geprägt von Elitenkritik, Ablehnung des Systems und Wissenschaftsfeindlichkeit. Anfang Dezember beschrieb der Chef der neuen Verfassungsschutzbehörde DSN (Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst), Omar Haijawi-Pirchner, die Corona-Maßnahmen-Gegner*innen als “die größte Bedrohung aus Sicht des Verfassungsschutzes”.

Im Rahmen des Austrian Corona Panel Projects haben wir die Teilnehmer*innen der Umfrage zu ihrer Meinung über diese Demonstrationen befragt. In einem vergangenen Blog haben wir gezeigt, dass sich Unterstützer*innen der Demonstrationen vor allem durch einen ausgeprägten Verschwörungsglauben, das Coronavirus verharmlosende Ansichten sowie eine geringe Test- und Impfbereitschaft auszeichnen. In diesem Blog sehen wir uns drei Dinge an: Erstens, wollen wir wissen wie sich der gesellschaftliche Rückhalt für die Demonstrationen im Laufe des Jahres verändert hat. Zweitens, möchten wir nachprüfen, in welchen politischen Lagern die Demonstrationen am meisten Zustimmung bekommen. Letztens wollen wir uns ansehen, inwiefern sich Demo-Unterstützer*innen in Bezug auf ihre Einstellungen zu Wissenschaft, Spiritualität und Homöopathie unterscheiden.

Wenig Veränderung im gesellschaftlichen Rückhalt für die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen

Abbildung 1 zeigt die Zustimmungswerte zu vier Aussagen über die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen im Februar und November 2021. Grundsätzlich zeigt sich relativ wenig Veränderung zwischen den beiden Befragungswellen.

Bei der Frage, ob Demonstrationen gegen Maßnahmen erlaubt sein sollten, ist die Bevölkerung geteilter Meinung. 38% der Befragten stimmen dieser Aussage zu, weitere 38% lehnen sie ab. Erlauben bedeutet allerdings nicht automatisch auch unterstützen, denn mit nur 17% sind jene Personen, die auf die Aussage “Ich unterstütze die Demonstrationen gegen die Maßnahmen” mit “trifft voll und ganz zu” oder “trifft eher zu” geantwortet haben, weiterhin deutlich in der Minderheit. Eine übergroße Mehrheit von 69% der Befragten unterstützt die Demonstrationen hingegen “eher nicht” oder “gar nicht”. Bei beiden Aussagen verzeichnete insbesondere die deutlich ablehnende Haltung (“trifft gar nicht zu”) mit jeweils 5 Prozentpunkten den größten Zuwachs.

15% geben im November 2021 außerdem an, dass sie an einer solchen Demonstration auch selbst teilnehmen würden. 12% würden dies auch tun, wenn es sich um eine nicht genehmigte Demonstration handelt. Im Vergleich zum Februar 2021 sehen wir hier also  leichte Zuwächse.

Abbildung 1: Zustimmung zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen (Daten: ACPP, Welle 20 (12.-19. Februar 2021) und Welle 27 (26. November - 03. Dezember 2021), N = ca. 1.500 Befragte pro Erhebung, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren, gewichtet)

 

Rückhalt für Demonstrationen vor allem im Lager der FPÖ und MFG

Ähnlich wie im letzten Blog zu diesen Demonstrationen, wollen wir uns insbesondere mit der Aussage “Ich unterstütze Demonstrationen gegen Maßnahmen” weiter beschäftigen. Da die MFG als auch die FPÖ in den letzten Monaten verstärkt als Organisator der Proteste aufgetreten ist, stellt sich zum Beispiel die Frage inwiefern sich dies auch in der politischen Heimat der Demo-Unterstützer*innen niederschlägt.

Abbildung 2 zeigt die Zustimmung zur Aussage zur Demo-Unterstützung in Abhängigkeit von der Wahlentscheidung zur Nationalratswahl 2019 sowie im Vergleich zur aktuellen Wahlabsicht. Der größte Anteil an Demo-Unterstützer*innen (37%) findet sich in der Gruppe der Personen, die 2019 die FPÖ gewählt haben. Mit nur 7% Zustimmung, stehen die Wähler*innen der NEOS den Demonstrationen am ablehnendsten gegenüber. Betrachtet man statt der Wahlentscheidung 2019 die Wahlabsicht 2021, zeigt sich ein noch deutlicheres Bild. 82% jener Personen, die angeben, die neu gegründete Impfgegner-Partei MFG wählen zu wollen, und 50% jener Personen, die angeben, die FPÖ wählen zu wollen, unterstützen die Demonstrationen. Auch in den Gruppe der Nichtwähler*innen und Nichtwahlberechtigten (NW/NWB) gibts es einen erhöhten Anteil an Demo-Unterstützer*innen. Am wenigsten Zustimmung gibt es für die Demonstrationen bei Befragten, die die Regierungsparteien ÖVP oder Grüne wählen würden (je 3% Zustimmung).

Abbildung 2: Zustimmung zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen nach Wahlentscheidung 2019 und Wahlabsicht 2021 (Daten: ACPP, Welle 27 (26. November - 3. Dezember 2021), N = 1.551, gewichtet)

Für eine einfachere Darstellung haben wir im weiteren Verlauf jene Personen, die auf die Aussage zur Demo-Unterstützung “trifft eher zu” oder “trifft voll und ganz zu” geantwortet haben, zusammengefasst. Dasselbe haben wir mit Personen gemacht, die mit “trifft eher nicht zu” oder “trifft gar nicht zu” geantwortet haben.

Demo-Unterstützer*innen tendieren zu Wissenschaftsfeindlichkeit

In einem vergangenen Blog haben wir uns mit wissenschaftsbezogenem Populismus in Österreich beschäftigt, einer Form der Wissenschaftsfeindlichkeit. Abbildung 3 vergleicht nun die Unterstützung der Demonstrationen mit der Zustimmung zu zwei Aussagen, die auch verwendet werden, um wissenschaftspopulistische Einstellungen zu messen. 54% der Demo-Unterstützer*innen stimmen der Aussage zu, dass wir uns “mehr auf den gesunden Menschenverstand und weniger auf wissenschaftliche Studien verlassen sollten”. Bei jenen, die die Demos nicht unterstützen sind dies nur 17%. Außerdem sehen wir, dass unter den Demo-Unterstützer*innen mit 57% ein größerer Anteil der Meinung ist, dass Wissenschafter*innen “mit Politik und Wirtschaft unter einer Decke” stecken, als dies in der Gruppe der Befragten der Fall ist, die die Demos nicht unterstützen (18%).

Abbildung 3: Zustimmung zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen und Wissenschaftsfeindlichkeit (Daten: ACPP, Welle 25 (24. September - 1. Oktober 2021) und Welle 27 (26. November - 3. Dezember 2021), N = 1.199, gewichtet)

Demo-Unterstützer*innen tendieren zu Spiritualismus und Esoterik

Der Begriff “Konspiritualität” – vom Englischen „conspiracy“ (Verschwörung) und “spirituality” (Spiritualität) – vereint Beobachtungen, wonach verschwörungstheoretische und spirituelle Weltanschauungen sich im Kern ähnlich sind. Abbildung 4 ist zu entnehmen, dass 60% der Demo-Unterstützer*innen an ein Leben nach dem Tod glauben (“eher ja”/“ja”). Bei jenen Befragten, die die Demos gegen die Maßnahmen ablehnen, liegt der Anteil an Personen, mit einem solchen spirituellen Glauben bei 40%. 

Ein vergleichbares Bild zeigt sich beim Glauben an die pseudowissenschaftliche Behandlungsmethode Homöopathie. Genau genommen glauben etwa 60% der Demo-Unterstützer*innen an Homöopathie. Bei jenen, die Demos nicht unterstützen glauben 43% daran, während 49% Homöopathie eher ablehnen.   

Der Anteil jener Befragten, die mit einem eindeutigen “Ja” antworten, ist in beiden Fällen in der Gruppe der Demo-Unterstützer*innen etwa doppelt so hoch wie in der Gruppe der Personen, die die Demos nicht unterstützen.

Abbildung 4: Zustimmung zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen und Spiritualismus/Esoterik (Daten: ACPP, Welle 27 (26. November - 3. Dezember 2021), N = 1.551, gewichtet)

Fazit: Österreich, wir haben ein Problem

Die Corona-Demonstrationen konnten im Laufe des vergangenen Jahres kaum an Unterstützung gewinnen. Die Unterstützer*innen dieser Demonstrationen zeichnen sich neben  ihrer Nähe zu populistischen Parteien, wie der FPÖ und MFG, vor allem durch eine ausgeprägte Wissenschaftsfeindlichkeit aus. An Stelle von Wissenschaft tritt bei dieser Gruppe der Glaube an Spiritualität und Homöopathie. Hinzu kommt, dass wir in einem vergangenen Blog die Nähe zu Verschwörungstheorien, Virus verharmlosende Tendenzen und eine geringere Test- sowie Impfbereitschaft bei Demo-Unterstützer*innen feststellen konnten.

Abgesehen von den Demonstrationen zeigt sich ein viel größeres Problem, denn bereits das hohe Grundniveau an Wissenschaftsfeindlichkeit und Spiritualität bzw. Homöopathie-Gläubigkeit kann die österreichische Politik vor immer neue Herausforderungen stellen, wenn es darum geht, dass Gesundheits- und Wissenschaftskommunikation gelingen muss, um die Pandemie zu überwinden. Insbesondere liefert dieser Blog auch erste Hinweise darauf, dass es zu prüfen gilt, welche Rolle spirituelle Führer*innen und Praktiker*innen im Bereich der sogenannten Alternativmedizin in der Coronavirus- und Impfaufklärung einnehmen bzw. einnehmen sollten. 


Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und des Projektteams des Austrian Corona Panel Projects (ACPP) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.


Noëlle S. Lebernegg ist Universitätsassistentin (Prae-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie assoziierte Wissenschafterin im Vienna Center For Electoral Research (VieCER). Sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen politischer Kommunikation und Medien auf die öffentliche Meinung und Wahlverhalten.