28.06.2021 - PDF

New work, new inequality: Wer arbeitet im Homeoffice?

  • In den Branchen der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie Information und Kommunikation war Anteil der Beschäftigten, die während der Pandemie im Homeoffice arbeiten, besonders hoch.
  • In den Branchen Beherbung und Gastronomie, Gesundheit- und Sozialwesen, Handel, und im produzierenden Gewerbe zu allen Zeitpunkten war das Homeoffice in der Pandemie eher eine Ausnahmeerscheinung.
  • Personen mit Matura oder Universitätsabschlüssen sowie Personen mit überdurchschnittlichen Einkommen arbeiteten besonders häufig im Homeoffice. Männer und Frauen arbeiteten etwa gleich häufig von Zuhause aus.

Von Fabian Kalleitner und Julia Partheymüller

Homeoffice gehört zu einer der rasantesten und möglicherweise auch zu einer der dauerhaften Veränderungen im Zuge der Corona-Pandemie. Homeoffice liegt dann vor, wenn Arbeitnehmer*innen „regelmäßig Arbeitsleistungen in der Wohnung“ erbringen.  Während der Pandemie diente Homeoffice dazu, physische Kontakte zu reduzieren und die Infektionszahlen zu senken. Homeoffice ermöglichte die Arbeit, trotz der Einschränkungen in Zeiten der Pandemie, weiter fortzusetzen. Entsprechend galt Homeoffice als Win-win-Strategie von der Arbeitnehmer*innen wie Arbeitgeber*innen profitieren, ohne dabei auf staatliche Hilfsmittel angewiesen zu sein. Schnell erwies sich Homeoffice als eine vergleichsweise beliebte Pandemie-Maßnahme, deren Beibehaltung sich viele auch in Zukunft nach Ende der Corona-Pandemie vorstellen konnten. Manche sehen in der Ausweitung des Homeoffice sogar einen ersten Schritt hin zur “Neuen Arbeit”, die, stärker als die bisherige Lohnarbeit, durch Selbstständigkeit, Kreativität und Freiheit geprägt ist. Einen ersten Schritt zur Formalisierung auch in Hinblick auf die Zeit nach der Pandemie brachte der österreichische Nationalrat im Februar 2021 mit dem   Homeoffice-Maßnahmenpaket auf den Weg. Diese Maßnahmen regeln nun die Rahmenbedingungen für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen, wenn sie Homeoffice vereinbaren.

Allerdings zeigen frühere Studien, dass die Möglichkeit zum Homeoffice sehr ungleich verteilt ist: Gewisse Berufsgruppen und Branchen können leicht ins Homeoffice wechseln, andere sind beinahe völlig von dieser Möglichkeit ausgeschlossen. Somit werden durch das Homeoffice bestehende Ungleichheiten verstärkt und auch neue Ungleichheiten erzeugt, indem das Homeoffice gewissen Beschäftigungsgruppen mehr Flexibilität ermöglicht und sie vor Infektionen, Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit schützt, während andere Gruppen nicht davon profitieren können. Um einen Eindruck dafür zu bekommen wie unterschiedlich die Möglichkeiten von Homeoffice unter den österreichischen Erwerbstätigen verteilt sind, vergleichen wir in diesem Beitrag die Homeoffice-Anteile in verschiedenen Branchen sowie anhand unterschiedlicher soziodemographischer Merkmale.

Große Unterschiede zwischen den Branchen

Abbildung 1 zeigt Anteil der Beschäftigten nach Branche[1], die im Durchschnitt über den Zeitraum von März 2020 bis Mai 2021 im Homeoffice arbeiteten (schwarze Diamanten). Zusätzlich aufgetragen sind die einzelnen Meßwerte für jeden unserer Meßzeitpunkte (gelbe Punkte), um einen Eindruck für die Veränderungen im Zeitverlauf zu geben. Man sieht, dass vor allem die Versicherungs- und Finanzbranche (64%) sowie der Bereich Information und Kommunikation (61%) mit Anteilen um die 60 Prozent besonders hervorstechen. Die Mehrheit der Beschäftigten in diesen Branchen arbeitete während der Pandemie also von Zuhause aus. Ebenfalls vergleichsweise hohe Homeoffice-Anteile sehen wir bei den freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (50%), im Bereich Erziehung und Unterricht (40%), sowie bei sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (41%). In diesen Branchen arbeitete jeweils rund ein Drittel der Beschäftigten von Zuhause. Das Schlusslicht in Sachen Homeoffice war die Branche der Hotellerie und Gastronomie (9%), die besonders stark von den Corona-Einschränkungen betroffen war und wo es in der Natur der Tätigkeit liegt, dass diese nicht von daheim ausgeübt werden kann. Dies gilt zum Teil auch für das Gesundheits- und Sozialwesen (11%), den Handel (13%) und das produzierende Gewerbe (13%), wo das Aufsuchen der Arbeitsstätte zur Ausübung der Tätigkeit im Wesentlichen erforderlich ist. Etwas überraschend erscheint demgegenüber, dass auch in der öffentlichen Verwaltung der Homeoffice-Anteil insgesamt eher gering ausfiel (28%). Gut sichtbar sind auch die unterschiedlichen Regelungen in Sachen Präsenzunterricht an Schulen, wo der Anteil der in Homeoffice befindlichen Mitarbeiter*innen besonders stark über die Zeit schwankt (7%-80%).

Abbildung 1: Homeoffice-Anteile nach Branche (Daten: ACPP, März 2020 bis Mai 2021, gewichtet)

Die Homeoffice-Arbeitnehmer*innen: Hochgebildet und hohes Einkommen

Abbildung 2 zeigt die Homeoffice-Anteile nach Bildung, Geschlecht und Einkommen. In der Gruppe der Personen mit Matura (35%) und Universitätsabschlüssen (46%)  arbeiten vergleichsweise viele im Homeoffice. Im Gegensatz dazu arbeiten Personen mit Pflichtschul- und Lehrabschlüssen nur selten im Homeoffice (14%). Ein ähnliches Bild zeigt sich für das Einkommen. Personen im 4. und 5. Quintil – also mit überdurchschnittlichen Einkommen – weisen mit 28 und 40 Prozent die höchsten Homeoffice-Anteile auf. Hingegen zeigen sich kaum Unterschiede zwischen Personen mit niedrigen und mittleren Einkommen. Hier liegt der Anteil bei 16 bis 22 Prozent. Zwischen Männern und Frauen ergeben sich kaum Unterschiede. In beiden Gruppen arbeiteten ca. 25 Prozent im Homeoffice. Wiederum zeigen sich auch starke Unterschiede über die Zeit: Während etwa der Anteil der in Homeoffice befinden Personen im 1. Einkommensquintil nur zwischen 10 und 26 Prozent schwankt ist dieses Fenster beim 5. Einkommensquintil viel größer (18%-65%). 

Abbildung 2: Homeoffice-Anteil nach soziodemographischen Merkmalen (Daten: ACPP, März 2020 bis Mai 2021, gewichtet)

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass insbesondere Beschäftigte der Versicherungs- und Finanzbranche sowie im Bereich der Information und Kommunikation sowie Personen mit hohen Bildungsabschlüssen und hohen Einkommen während der Pandemie das Homeoffice nutzen konnten. Sie konnten dadurch ihr Infektionsrisiko reduzieren und zugleich ihrer Tätigkeit weiter nachgehen. In anderen Bereichen blieb das Homeoffice, oftmals auch aufgrund der Natur der Tätigkeit, eine Rarität. Hierzu zählen insbesondere die Bereiche Beherbung und Gastronomie, Gesundheit- und Sozialwesen, Handel, sowie das produzierenden Gewerbe. Andere Bereiche weisen mittlere Homeoffice-Anteile auf und es könnte sich im Einzelfall anbieten zu überprüfen, inwiefern eine stärkere Nutzung von Homeoffice ermöglicht werden könnte (z.B. öffentliche Verwaltung).Allerdings ist zu bedenken, dass natürlich nicht alle Beschäftigten von Zuhause aus gut arbeiten können. Insbesondere bei Personen mit niedrigen Einkommen könnte die Einrichtung eines Arbeitszimmers inklusive der entsprechenden technischen Ausstattung in der eigenen Wohnung räumlich und finanziell nicht möglich oder problembehaftet sein. Zudem könnte es vor allem in Haushalten mit Kindern zu zusätzlichen geschlechtsspezifischen Mehrbelastungen kommen. Dadurch kann das Arbeiten im Homeoffice – trotz der mancher Vorteile – potentiell auch neue Ungleichheiten schaffen (z.B. zwischen Branchen) und bestehende Ungleichheiten zusätzlich verschärfen (etwa zwischen Gering- und Vielverdienern) . Aktuell stellen sich daher beim Homeoffice noch viele Fragen, die im Detail erst geklärt werden müssten. Wichtig wird es hier vor allem sein die Analyse von empirischen Daten voranzutreiben, um evidenzbasiert die Regelungen zum Homeoffice weiterentwickeln zu können.


Fabian Kalleitner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien. Aktuell forscht er zu Themen wie Steuerpräferenzen, Steuerwissen, Wahrnehmungsmechanismen und Arbeitswerte.

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES).


Fußnoten

[1] Unter Ausschluss von Branchen mit weniger als 20 Befragten in einer Welle. Basis sind Selbstständige und unselbständig Beschäftigte, inkl. Personen in Kurzarbeit.