20.07.2020
Kinderbetreuung in Zeiten von Corona: Kein Problem?
- Für eine Mehrheit der Eltern mit Kindern bis 14 Jahren stellte die Kinderbetreuung auch in der Corona-Krise kein Problem dar. Dennoch ist vor allem von Mitte April bis Mitte Mai ein signifikanter Anstieg an Personen, die Probleme bei der Kinderbetreuung haben, zu vermerken.
- Eine verbreitete Sorge (22%) ist, im Krankheitsfall der Kinder nicht zu wissen, wie Kinderbetreuung gewährleistet werden soll. 19% der Eltern geben an, sie wissen nicht, wie sie die Betreuung während der Sommerferien sicherstellen sollen.
- Ein beträchtlicher Anteil der Befragten mit Kindern im Haushalt sagt, dass wegen der Corona-Krise Partner*innen (35%) oder Verwandte bzw. Bekannte (ca. 42%) in den Sommerferien nur eingeschränkt für die Kinderbetreuung zur Verfügung stehen.
Von Bernhard Kittel, Markus Pollak und Julia Partheymüller
Die Corona-Krise hat gerade Familien mit Kindern vor besondere Herausforderungen gestellt: Kindergärten, Kinderbetreuungsstätten und Schulen wurden mit 18. März 2020 geschlossen. Erst ab 18. Mai öffneten die Einrichtungen wieder schrittweise. Eltern mussten in der Zwischenzeit die Kinderbetreuung neu organisieren und ihre Kinder zuhause betreuen (siehe z.B. den Blogbeitrag zu Homeschooling). Verwandte und Bekannte, insbesondere Großeltern, standen nicht bzw. stehen weiterhin nur eingeschränkt zur Verfügung, da wegen erhöhten Gesundheitsrisiken dringend davon abgeraten wird, dass ältere Familienmitglieder die Kinder betreuen. Die Corona-Krise war dabei insgesamt von zahlreichen Debatten rund um das Thema Kinderbetreuung geprägt: So wurde beispielsweise die Kinderbetreuungssituation intensiv im Kontext der ersten Öffnungen von Geschäften im April diskutiert.[1] Zuletzt folgten weitere Debatten rund um die Betreuungssituation in den Sommerferien.
Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag, wie Eltern in Österreich die Herausforderungen der Kinderbetreuung in Zeiten der anhaltenden Corona-Krise wahrnehmen. Wir analysieren dazu zunächst im Zeitverlauf, inwiefern die Kinderbetreuung für Haushalte mit Kindern unter den jeweils geltenden Einschränkungen ein Problem dargestellt hat. Zudem beleuchten wir die Problemlagen bei der Kinderbetreuung im Krankheitsfall und gehen näher auf die Erwartungen zur Betreuung in den Sommerferien ein.
Zur Kinderbetreuungssituation auf dem Höhepunkt der Corona-Krise
Die Kinderbetreuungssituation veränderte sich im Zeitverlauf der Corona-Krise durch die Einführung und Aufhebung der verschiedenen Maßnahmen (siehe Abbildung 1). In der ersten Phase während des Lockdowns bis 13. April berichteten rund 18% der Befragten[2] mit Kindern bis 14 Jahren im Haushalt, dass die Kinderbetreuung für sie problematisch wäre. Dieser Wert blieb in dieser Zeit stabil.
Mit der Öffnung der ersten Geschäfte im Zuge der Lockerungen ab 14. April nahm der Anteil der befragten Eltern, die von Problemen bei der Kinderbetreuung berichteten, zu. Im Zuge dieser Phase, in der die Schulen, Kindergärten und Kinderbetreuungsstätten weiterhin geschlossen blieben, aber viele Arbeitnehmer*innen wegen der Geschäftsöffnungen ihre Arbeit wieder aufnehmen mussten, erhöhte sich der Anteil von Personen, die Probleme bei der Betreuung von Kindern haben. Mitte Mai (ACPP-Welle 8) erreichte er mit rund 26% den Höchststand.
Schließlich wurde am 18. Mai bundesweit der Unterricht in Volksschulen, Neuen Mittelschulen, AHS-Unterstufen und Sonderschulen wieder aufgenommen. An diesem Tag begannen auch die letzten Kindergärten und Kinderbetreuungsstätten mit einem weitgehenden Normalbetrieb. Ende Mai (ACPP-Welle 9) wurde daraufhin ein erneuter Abfall an Personen gemessen, die angaben, Probleme bei der Kinderbetreuung zu haben (18%). Seither stabilisierte sich der Wert auf diesem Niveau und entspricht damit in etwa der Lage von Anfang April. Insgesamt ist trotz der Zu- und Abnahme der Problemwahrnehmung im Krisenverlauf festzustellen, dass Kinderbetreuung für die Mehrheit der Familien ein eher nachrangiges Problem war.
Kinderbetreuung ist ein Problem für eine zwar relativ kleine, aber mehrfach belastete und vulnerable Gruppe
Dass die Kinderbetreuung für viele kein Problem darstellt, zeigt auch Abbildung 2: Lediglich 17% unserer Befragten mit Kindern bis 14 Jahren gaben Mitte Juni (Daten der ACPP-Welle 11) an, dass die Kinderbetreuung für sie ein Problem darstellt (Antwortkategorien “trifft eher” und “trifft voll und ganz zu”). Von teilweisen Problemen berichten weitere 18% (“teils-teils”). Für den Großteil der Befragten, etwa 66% (“trifft eher nicht zu” und “trifft gar nicht zu”), stellte die Kinderbetreuung eher kein oder gar kein Problem dar.
Die im Vergleich größten Probleme zeigen sich in der Gewährleistung der Kinderbetreuung im Krankheitsfall des Kindes. Rund 22% (“trifft eher zu” und “trifft voll und ganz zu”) geben an, nicht zu wissen, wie sie in einem solchen Fall die Kinderbetreuung gewährleisten sollen. Doch auch hier hat eine klare Mehrheit (>62%; “trifft eher nicht zu” und “trifft gar nicht zu”) eine Lösung.
Die Kinderbetreuung in den Sommerferien wird ebenfalls nur von wenigen (69% “trifft eher nicht zu” und “trifft gar nicht zu”) als ein Problem angesehen. Allerdings geben 19% bei der selben Frage an, noch nicht zu wissen, wie sie die Kinderbetreuung sicherstellen können. Insgesamt erweist sich also der Krankheitsfall von Kindern als die größte Herausforderung für Familien, aber auch in den Sommerferien wird die Kinderbetreuung für manche zum Problem.
Vertiefende Analysen mit allerdings nur kleinen Fallzahlen (im Anhang) deuten im Einklang mit Befunden im Blogbeitrag zu Familienkonflikten daraufhin, dass die Krise vor allem bei Personen, die ohnehin schon mit Problemen bei der Kinderbetreuung konfrontiert sind, wie z.B. Alleinerziehende, diese existierenden Probleme verstärkt hat.
Problemursachen bei der Kinderbetreuung in den Sommerferien
Weitere Fragen bezogen sich auf mögliche Problemursachen bei der Kinderbetreuung in den Sommerferien. Speziell wurde hierbei ermittelt, inwiefern Befragte ihren Urlaubsanspruch bereits aufgebraucht haben, wie die Verfügbarkeit der öffentlichen Kinderbetreuungsmöglichkeiten eingeschätzt wird, inwieweit Verwandte, Bekannte und der/die Partner*in als Betreuungspersonen zur Verfügung stehen und inwiefern finanzielle Schwierigkeiten durch die Kinderbetreuung verursacht werden (siehe Abbildung 3).
Die Ergebnisse zeigen, dass die Herausforderungen der Kinderbetreuung multidimensional sind. So stehen viele der Österreicher*innen mit Kindern im Haushalt vor dem Problem, dass Verwandte und Bekannte während der Sommerferien nicht zur Kinderbetreuung zur Verfügung stehen (41,5%). Auch die Partner*innen eines relativ großen Anteils der Befragten (35,4%) sind zum Teil nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Ein weiteres Problem stellen für etwa ein Drittel der Eltern (35,2%) die Einschränkungen der öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen dar. Drei von 10 Befragten (29,1%) haben zudem ihren Urlaubsanspruch bereits aufgebraucht und ein knappes Viertel (23,8%) steht vor finanziellen Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Kinderbetreuung. Tabelle A1 im Anhang zeigt darüber hinaus: Unter denjenigen, die während des Lockdown ihren Jahresurlaub aufgebraucht haben, was vermutlich nicht immer freiwillig geschehen ist, haben etwa zwei Drittel Schwierigkeiten mit der Kinderbetreuung im Sommer. Tabelle A2 im Anhang zeigt zudem, dass diese Schwierigkeiten in beachtlichem Ausmaß gemeinsam auftreten und sich daher im Effekt kumulieren können. Insgesamt stellen sich also für einen nicht zu vernachlässigenden Anteil der Befragten vielfältige Probleme bei der Kinderbetreuung.
Zusammenfassung und Fazit
Während des Lockdowns konnte der Großteil der österreichischen Eltern von Kindern bis 14 Jahre eine Lösung für deren Betreuung finden, wenngleich die Situation sich von Mitte April bis Mitte Mai für viele berufstätige Eltern verschärfte. Das ist wohl vor allem auf die Lockerungen und Geschäftsöffnungen nach Ostern bei gleichzeitig fortlaufender Unterbrechung des Schulbetriebs zurückzuführen. Knapp zwei Drittel der befragten Eltern geben im Juni 2020 an, keine Probleme bei der Kinderbetreuung zu haben. Es sind vor allem diejenigen, die auch in “normalen” Zeiten schwer zurechtkommen, wie z.B. Alleinerziehende, die in der Phase der Lockerungen nach dem Lockdown nochmals zusätzliche Probleme mit der Kinderbetreuung bekommen haben.
Im Allgemeinen stellt der Krankheitsfall für die Familien mit Kindern das größte Problem dar. Die größten Herausforderungen während der Sommerferien ergeben sich aus einer nur eingeschränkten Verfügbarkeit von Verwandten, Bekannten und Partner*innen sowie darüber hinaus aufgrund von Einschränkungen bei den öffentlichen Betreuungsmöglichkeiten. Andere stehen zudem vor dem Problem, dass der Urlaubsanspruch schon ausgeschöpft wurde oder dass die Kinderbetreuung eine finanzielle Last ist. Im Gesamtbild zeigt sich somit ein gemischtes Bild: Obwohl die Mehrheit keine Probleme bei der Kinderbetreuung sieht, bestehen für manche gleichzeitig vielfältige Problemlagen und Herausforderungen.
Bernhard Kittel ist Universitätsprofessor am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und Vizedekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Seine Forschungsschwerpunkte sind Experimentelle Gerechtigkeitsforschung, Experimentelle Gremien- und Wahlforschung, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktforschung sowie International vergleichende Analyse von Wohlfahrtsstaaten und Arbeitsbeziehungen.
Markus Pollak arbeitet als Studienassistent im Rahmen des Austrian Corona Panel Project am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien. Er studiert im Master Politikwissenschaft.
Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.
Fußnoten
[1] Einige Wissenschaftler haben bereits früh auf mögliche Kosten von länger andauernden Schulschließungen hingewiesen, siehe z.B.: https://en.unesco.org/covid19/educationresponse/consequences. Darüber hinaus zeigen beispielsweise Chetty und Kollegen für die USA, dass sich durch homeschooling die soziale Herkunft mittlerweile viel stärker auf Schulleistungen auswirkt, als dies vorher der Fall war: https://www.nber.org/papers/w27431
[2] Basis für alle Analysen in diesem Blog-Beitrag sind jeweils die Befragten mit Kindern im Alter von bis zu 14 Jahren. Die Fallzahlen sind wie folgt:
Die kleinen Fallzahlen erschweren es, kleine Unterschiede und Aussagen über Subgruppen statistisch abzusichern. Die vertiefenden Analysen zu Alleinerziehenden im Anhang sind daher vorsichtig zu interpretieren.
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