Corona-Dynamiken - 16.03.2021 - PDF

Die wahrgenommene Regeleinhaltung – ein Thermostat der Beschränkungen und Lockerungen?

  • Die wahrgenommene Befolgung von Maßnahmen durch andere hat im Februar 2021, mit Ausnahme des Maskentragens (Anstieg), wieder leicht abgenommen.
  • Die Normkonformität zwischen 2. und 3. Lockdown wird, mit Ausnahme des Maskentragens, geringer eingeschätzt als zum Ende des 1. Lockdowns.
  • Eine Entkopplung von Strenge der Maßnahmen und deren wahrgenommene Einhaltung in der Bevölkerung lässt sich beobachten.

Von Julian Aichholzer und Fabian Kalleitner

Teilnehmer*innen des Austrian Corona Panel Project (ACPP) wurden wiederholt nach dem eingeschätzten Verhalten der Österreicher*innen bezüglich Verhaltensregeln in der Coronakrise befragt (s.g. Normkonformität). Diese Wahrnehmung unterliegt einem klaren Wandel, der stark den tatsächlichen behördlichen Einschränkungen zur Pandemiebekämpfung, aber auch deren Lockerungen entspricht (siehe Abbildung 1). Wie der Beitrag zeigt, kommt es allerdings vermehrt zu einer Entkopplung der gesetzten Maßnahmen und deren wahrgenommenen Einhaltung in der österreichischen Bevölkerung.

Abstandsregeln

Während die physische Mindestabstandsregel von 1m in öffentlichen Bereichen seit Beginn der Pandemie galt, wurde diese im Januar 2021 auf 2m ausgedehnt. Kurz danach, Anfang Februar, wurde der 3. Lockdown beendet und einige Maßnahmen gleichzeitig wieder gelockert. Das reine „Homeschooling“ wurde auf volle (Kindergärten, Volksschulen) oder reduzierte (höhere Schulstufen) Anwesenheit umgestellt sowie der Handel und Museen geöffnet.

Die Befragten des ACPP nahmen im Februar 2021 eine vergleichsweise geringere Befolgung der Abstandsregel wahr (Vergleich: Dezember 2020, siehe Abbildung 1), ein mögliches Resultat der jüngsten Öffnungen oder einer allgemeinen „Ermüdungserscheinung“.

Maskenpflicht

Die Maskenpflicht entfiel zeitweise im Juni 2020, deren Wiedereinführung erfolgte daraufhin Ende Juli. Dementsprechend selten wurde dieses Verhalten („das Tragen von Schutzmasken im öffentlichen Raum“) in diesem Zeitraum beobachtet. Im August des Vorjahres schienen sich dennoch bereits weniger Menschen als im Juni daran zu halten (siehe Abbildung 1), was auf eine Entkopplung von Maßnahme und Normkonformität hindeutet.

Die wahrgenommene Einhaltung der Maskenpflicht bleibt aktuell auf hohem Niveau, und stieg im Februar 2021 sogar weiter an. Dies ist vermutlich mit eine Folge der ebenfalls Ende Januar 2021 eingeführten FFP2-Maskenpflicht an den meisten öffentliche Orten.

Zu Hause bleiben, außer für Notwendigkeiten

Selbst wenn das Motto „zu Hause bleiben, außer für Notwendigkeiten“ weiterhin galt, wurde im Februar 2021 von den Befragten ebenfalls eine geringe Einhaltung dieser Regel wahrgenommen. Das gefühlte Niveau des Zu-Hause-Bleibens der Österreicher*innen ähnelt nun wieder jenem des Mai 2020 (siehe Abbildung 1) – eine Phase äußerst geringer COVID-19-Infektionszahlen.

Ähnlich dazu wurde auch für das weitgehende Vermeiden von „Aktivitäten, die zu Verletzungen oder Krankheiten führen könnten“ wieder eine geringere Normbefolgung wahrgenommen (Vergleich: Dezember 2020).

Abbildung 1. Wahrgenommene Normkonformität anderer Menschen [Daten: ACPP - W3 (April 2020), W7 (Mai 2020), W11 (Juni 2020), W14 (Aug. 2020), W16 (Okt. 2020), W18 (Dez. 2020), W20 (Feb. 2021)]

Fazit

Die Wahrnehmung anderer, nämlich wie sehr sich Menschen an Regeln zur Pandemiebekämpfung halten, variiert über die Coronakrise hinweg deutlich. Bislang war die Regelbefolgung im Hochsommer des vergangenen Jahres am geringsten bzw. wurden Maßnahmen (z.B. Maskenpflicht) sogar kurzfristig ausgesetzt (siehe Abbildung 1). Nach einem – im Sinne des Infektionsgeschehens – relativ ruhigen Sommer, kam es schließlich in der ersten Novemberhälfte 2020 zunächst zu einem Lockdown „light“, gefolgt von einem harten 2. Lockdown (Schließung von Geschäften, verschärfte Ausgangsregelungen, alle Schulen auf Fernunterricht) von 17. November bis Anfang Dezember. Ein weiterer Lockdown „light“ danach wurde von einem 3. harten Lockdown ab 26. Dezember 2020 bis Anfang Februar 2021 abgelöst.

Mit Februar 2021 haben alle Indikatoren der Normkonformität, mit Ausnahme des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Raum, wieder leicht abgenommen. Das beobachtete Verhalten (Normbefolgung) spiegelt vermutlich die Lockerungen in weiten Teilen des Lebens nach dem 3. Lockdown wider. Die Maßnahmen scheinen sich folglich geringfügig „abgenützt“ zu haben. Auch die Normkonformität zwischen 2. und 3. Lockdown (d.h. Mitte Dezember 2020) war, wiederum mit Ausnahme des Maskentragens, weniger stark ausgeprägt als zum Ende des 1. Lockdowns (April 2020). Über die Zeit betrachtet kam es somit zu einer leichten Entkopplung von gesetzten Maßnahmen und deren wahrgenommene Einhaltung in der österreichischen Bevölkerung.


Julian Aichholzer ist Universitätsassistent (Post-Doc) am Institut für Staastswissenschaft der Universität Wien und mit dem Austrian Corona Panel Project, der Austrian National Election Study sowie dem Forschungsverbund Interdisziplinäre Werteforschung assoziiert.

Fabian Kalleitner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien. Aktuell forscht er zu Themen wie Steuerpräferenzen, Steuerwissen, Wahrnehmungsmechanismen und Arbeitswerte.