Corona-Dynamiken - 15.10.2020 - PDF
Corona: eine unendliche Geschichte? Zur Wahrnehmung der Krisendauer
Von Lukas Schlögl
Covid-19 werde bald “einfach verschwunden sein”, wird US-Präsident Donald Trump nicht müde, zu behaupten. Zweckoptimismus mag bei manchen politischen Entscheidungsträger*innen verbreitet sein - in der österreichischen Bevölkerung ist er das offenbar immer weniger: Laut Daten des Austrian Corona Panel Projekts greift, je länger Corona uns begleitet, desto stärker das Gefühl um sich, dass sich die Normalität nicht so bald wieder einstellen wird.
Waren in der ersten Befragungswelle Ende März 2020 noch mehr als 40% der Befragten der Meinung, dass es lediglich maximal vier Monate oder sogar noch deutlich kürzer dauern würde, bis das Leben in Österreich wieder zur Normalität zurückkehrt, glaubten dies Mitte September 2020 nur noch rund 7%. Seit Beginn der Krise haben die Befragten ihre Schätzung der verbleibenden Krisendauer laufend nach oben korrigiert. Zuletzt waren mehr als vier von fünf Befragten der Meinung, dass mindestens ein halbes Jahr bis zur Rückkehr der Normalität vergehen werde. Im März war nur ein gutes Drittel so pessimistisch. Die leichte Trendumkehr bei den Antworten im Mai und Juni dürfte auf die zu dieser Zeit niedrigen Infektionszahlen zurückzuführen sein.
Die ersehnte Normalität hat damit etwas von einer Fata Morgana, die weiter in die Ferne rückt, je näher man ihr kommt. In den letzten Monaten wurde immer klarer, wie hartnäckig das Corona-Virus ist; wieviel Zeit die Entwicklung und Zulassung eines Impfstoffes benötigt; dass die von manchen erhoffte Herdenimmunität außer Reichweite bleibt; und dass auch die wirtschaftlichen Verwerfungen den Alltag wohl länger prägen werden. Wie sich die Verlängerung der erwarteten Krisendauer auf die Durchhaltebereitschaft der Gesellschaft bei den verschiedenen Corona-Schutzmaßnahmen auswirkt, bleibt abzuwarten.
“Was schätzen Sie: Wie lange dauert es, bis das Leben
in Österreich wieder normal ist, d.h. wie vor der Krise?”
Lukas Schlögl ist Politikwissenschafter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Themen der Technologie-, Industrie- und Arbeitspolitik.
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