Corona-Dynamiken - 20.01.2021 - PDF
Wo ist die Ansteckungsgefahr am größten?
- Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung schätzte die Ansteckungsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln zuletzt als groß oder sehr groß ein. Seit Mai 2020 hat sie kontinuierlich zugenommen.
- Eine mittelmäßige Ansteckungsgefahr wird in der Gastronomie, Arbeitsstätten, Schulen und Kindergärten sowie in Arztpraxen vermutet.
- Am geringsten ist die wahrgenommene Ansteckungsgefahr in Parks und auf Spielplätzen.
Trotz zahlreicher Einschränkungen sanken die Neuinfektionen zuletzt kaum noch. Daher stellt sich die Frage, in welchen Bereichen noch mehr getan werden kann, um Infektionen mit dem Coronavirus zu verhindern. Im Rahmen der ACPP-Studie wurde die wahrgenommene Ansteckungsgefahr in verschiedenen öffentlichen Bereichen abgefragt. Dies erlaubt uns Rückschlüsse darauf zu gewinnen, wo die Bevölkerung eine hohe Ansteckungsgefahr vermutet.
Abbildung 1 zeigt die wahrgenommene Ansteckungsgefahr in sechs Bereichen im Zeitverlauf. Die Bevölkerung vermutet eine hohe Ansteckungsgefahr insbesondere in den öffentlichen Verkehrsmittel. Eine Ursache hierfür kann darin zu sehen sein, dass der vorgeschriebene Mindestabstand zu Stoßzeiten des Berufsverkehrs in den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht eingehalten werden kann. Einigen Berichten zufolge sei zwar das objektive Ansteckungsrisiko in den Fahrzeugen und Haltestellen des öffentlichen Verkehrs gering. Jedoch deckt sich die subjektive Wahrnehmung mit wissenschaftlichen Analysen von Mobilitätsdaten, die zeigen, dass eine höhere Mobilität mit einer größeren Anzahl an Infektionen einhergeht.
In den Herbst- und Wintermonaten, in denen generell viele Personen witterungsbedingt auf die öffentlichen Verkehrsmittel als Transportmittel umsteigen und die Infektionszahlen in Österreich erneut anstiegen, beobachten wir zudem einen Anstieg in der wahrgenommenen Ansteckungsgefahr: So schätzten im Dezember 2020 schätzten 29 Prozent die Gefahr im öffentlichen Verkehr als “sehr groß” ein; weitere 32 Prozent stufen sie als “groß” ein. Damit liegen die Werte deutlich über denen im Mai 2020, als nur 16 bzw. 29 Prozent die Ansteckungsgefahr in öffentlichen Verkehrsmittel als “groß” oder “sehr groß” wahrnahmen. In anderen Bereichen vermuten die Befragten eher eine mittelmäßige Ansteckungsgefahr. Hierzu zählen die Gastronomie, Arbeitsstätten, Schulen und Kindergärten sowie Arztpraxen.
Auch in diesen Bereichen hat die wahrgenommene Ansteckungsgefahr seit Mai insgesamt zugenommen, was mit dem Anstieg der Gesamtinzidenz in der Bevölkerung zusammenhängen könnte. Mit den Daten der Kontaktverfolgung stehen diese Ergebnisse allerdings nur wenig im Einklang, da diese jenseits des privaten Bereichs viele Ansteckungen vor allem im Gesundheits- und Sozialbereich ausweisen. Bei der subjektiven Wahrnehmung scheint sich also vornehmlich um eine persönliche Einschätzung zu handeln.
Die geringste Ansteckungsgefahr wird in öffentlichen Parks und auf Spielplätzen vermutet. Nur 6 bzw. 10 Prozent halten die Gefahr in diesen im Freien befindlichen Bereichen für hoch. Zudem ist hier auch kaum solch ein Anstieg der Ansteckungsgefahr zu beobachten wie für die anderen Bereiche, die einen Aufenthalt in geschlossenen Räume erfordern. Insgesamt stechen also die öffentlichen Verkehrsmittel als ein Bereich hervor, der von der Bevölkerung als besonders risikobehaftet wahrgenommen wird. Auch wenn es sich bei der wahrgenommen Ansteckungsgefahr um eine subjektive Einschätzung handelt, erscheint es vor diesem Hintergrund sinnvoll zu überlegen, inwiefern zusätzliche Schutzmaßnahmen im Bereich des öffentlichen Verkehrs ergriffen werden könnten. Die neue FFP2-Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln stellt bereits einen Schritt in diese Richtung war. Weitere Maßnahmen, wie beispielsweise eine Beschränkung der Passagierzahlen wie in Irland oder eine Maximierung von Home-Office-Lösungen, wären möglicherweise ebenfalls erwägenswert.
Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.