Corona-Dynamiken - 03.12.2020 - PDF
Zur wiedererstarkenden Bereitschaft, die eigene Lebensweise zu ändern
- Seit Beginn der Krise hat die Bereitschaft der österreichischen Bevölkerung, die eigene Lebensweise und das eigene Verhalten anzupassen, deutlich abgenommen.
- Im November 2020 scheint sich allerdings ein Umschwung abzuzeichnen und die Bereitschaft steigt langsam wieder.
Seit Frühling 2020 kennt man in Österreich klare Verhaltensregeln. Lange bekannt als AHA-Formel (Abstand halten, Hygiene beachten und Alltagsmaske tragen), macht in der Bundeshauptstadt mittlerweile die OIDA-Regel (Obstond hoitn, Immer D’Händ’ woschn, Daham bleibn und A Maskn aufsetzn) die Runde. Eines wird dabei deutlich kommuniziert: Vor allem durch eine veränderte Lebensweise und ein angepasstes Verhalten kann die Virusausbreitung in den Griff bekommen werden.
Vor allem am Anfang der Pandemie stieß dieser Zugang auf großes Verständnis: Ende März stimmten etwa zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung der Aussage zu, dass sie bereit wären, ihre Lebensweise zu ändern, um die Krise einzudämmen. Der Aussage, dass man das eigene Verhalten nur ändern müsse, wenn andere ihr Verhalten auch anpassen, widersprachen ganze 66% der Bevölkerung vehement. Diese Wahrnehmung ging jedoch im weiteren Verlauf der Pandemie zurück. Vor allem die Zustimmung zur ersten Aussage, also dem Eingeständnis, die eigene Lebensweise ändern zu wollen, sank während des Sommers stark auf nur noch 44 %. Im November, wenige Tage vor dem zweiten Lockdown, veränderten sich die Einstellungen nun anscheinend wieder. 53 % sind nun wieder bereit ihre Lebensweise zu ändern, um die Krise einzudämmen. Nur 8 % wollen dies erst tun, wenn andere ihr Verhalten zuerst angepasst haben.
Einhergehend mit einer zunehmenden Krisenmüdigkeit und sinkenden Fallzahlen hat die Bereitschaft, die eigene Lebensweise anzupassen, nach der ersten Welle also deutlich abgenommen. Mitte November, als die Fallzahlen wieder rasant anstiegen, war auch die österreichische Bevölkerung wieder eher bereit Verhaltenseinschränkungen zu akzeptieren. Wenige Tage später folgte der zweite Lockdown und der damit einhergehende krasse Einschnitt in die Lebensweise vieler.
Um das Infektionsgeschehen längerfristig besser unter Kontrolle zu bekommen, wird es demnach notwendig sein, die Bereitschaft, die eigene Lebensweise anzupassen, von der Krisenwahrnehmung und den Infektionszahlen zu entkoppeln. Zumindest solange das individuelle Verhalten noch die stärkste Waffe gegen das Virus darstellt.
Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.
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