29.07.2020

Wer vertraut dem Staat? Institutionenvertrauen in Zeiten von Corona

  • Die staatlichen Institutionen Polizei, Bundesheer, Gesundheitswesen, ORF, Parlament und Bundesregierung genossen zu Beginn der Corona-Krise sehr hohes Vertrauen in der Bevölkerung.
  • Mit der Zeit kam es jedoch zu einem Rückgang der Vertrauenswerte, vor allem politische Institutionen wie das Parlament oder die Bundesregierung verloren an Vertrauen, aber auch der ORF.
  • Am Beispiel des Vertrauens in das Parlament zeigt sich, dass vor allem Wähler*innen von SPÖ und FPÖ, Nichtwähler*innen und Personen mit niedrigerem Bildungsstand während der Corona-Krise Vertrauen verloren haben.

von Nikolaus Kowarz und Markus Pollak 

Viele Staaten haben auf die Corona-Pandemie mit weitreichenden Maßnahmen reagiert, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen - so auch Österreich. Verordnungen und Notgesetze führten zu einem wochenlangen Erliegen des öffentlichen Lebens und hatten beispiellosen Einfluss auf das Privatleben der Bevölkerung. Eine Schlüsselrolle dabei spielten staatliche Institutionen, die solche Maßnahmen erließen, exekutierten und bei Verstößen auch sanktionierten. Die durch Vertrauen ausgedrückte Unterstützung von Institutionen gehört laut David Easton zu den Fundamenten eines politischen Systems, das sich durch eine Dynamik von Input und Output legitimiert. Besonders in Krisenzeiten ist das in der Wissenschaft bezeichnete “Institutionenvertrauen”essentiell für das staatliche Management, da Eingriffe in das persönliche Leben von Menschen nur implementiert werden können, wenn zumindest ein Grundvertrauen in staatliche Akteure von Seiten der Bevölkerung vorhanden ist. Im internationalen Vergleich ist dabei beachtlich, dass nicht-parteipolitische Exekutivorgane wie die Polizei oder das Bundesheer in Österreich ein besonders hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießen. Wie in der Österreichischen Wertestudie “Quo Vadis Österreich” von einem Forscher*innenteam um Sylvia Kritzinger analysiert wurde, ist allgemein in Österreich ein vergleichsweise hohes Institutionenvertrauen zu vermerken, welches über die letzten Jahre sogarweiter zugenommen hat.

Vertrauen in Institutionen während der Corona-Krise

Die Corona-Krise stellte die Institutionen vor gänzlich neue Herausforderungen und erprobt das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen. Im Rahmen des Austrian Corona Panel Projects wurden die Respondent*innen zu ihrem Vertrauen in relevante Institutionen befragt. Abbildung 1 zeigt die durchschnittlichen Vertrauenswerte über Zeit in die Polizei, den ORF, das staatliche Gesundheitssystem, die Bundesregierung, das Parlament und das Bundesheer, wobei die Vertrauensskala von 0 ( = gar kein Vertrauen) bis 10 ( = sehr viel Vertrauen) reicht.

Zunächst kann festgestellt werden, dass alle abgefragten Institutionen in Österreich während den ersten Wochen in der Krise ein sehr hohes Vertrauen genossen. Spitzenreiter war dabei das staatliche Gesundheitswesen mit einem Wert von über 7.4 in den ersten Tagen des Lockdowns. Über Zeit wird das Bild differenzierter. Während das Vertrauen in das Gesundheitswesen, die Polizei und das Bundesheer auf hohem Niveau bleibt, kommt es zu einem Vertrauensverlust in das Parlament, die Bundesregierung und den ORF (siehe Blog 32). Das Parlament verliert dabei um 1,5 und der ORF um 1,4 Vertrauenspunkte. Die Bundesregierung verzeichnete im Juli sogar um 1,7 Punkte weniger Vertrauen als zu Beginn der Krise. Trotz dieser Verluste verzeichnen die genannten Institutionen jedoch weiterhin nach 15 Wochen Krisenzeiten recht gute Vertrauenswerte. 

Abbildung 1: Vertrauen in Polizei, ORF, Bundesheer, Parlament, Bundesregierung und Gesundheitswesen im Zeitverlauf; Daten: Austrian Corona Panel Project (Welle 1 - Welle 13); Befragungszeitraum 27.03.2020 bis 10.07.2020

Tatsächlich scheint es, als ob die Entwicklung der Vertrauenswerte in die unterschiedlichen Institutionen beinahe parallel verlaufen würde. Die in Abbildung 2 visualisierten Korrelationswerte bestätigen das, wobei zwei Paare herausstechen. Einerseits gibt es einen starken Zusammenhang zwischen Vertrauenswerten in das Parlament und in die Bundesregierung, andererseits weist der Zusammenhang zwischen Polizei und Bundesheer ebenfalls einen sehr hohen Wert auf. Je höher der Wert, desto größer ist der statistische Zusammenhang. Dies bedeutet: Personen, die ein hohes Vertrauen in eine dieser Institutionen besitzen, haben auch ein hohes Vertrauen in die jeweils andere. Dennoch ist die positive signifikante Korrelation zwischen allen abgefragten Institutionen ein Indiz dafür, dass es bestimmte Personengruppen gibt, die staatlichen Institutionen pauschal misstrauen, und jene, die allgemein ein hohes Vertrauen in den Staat besitzen.

Abbildung 2: Korrelationswerte zwischen Vertrauenswerten; Daten: Austrian Corona Panel Project (Welle 1); Befragungszeitraum 27.03.2020 - 30.03.2020

Wer verliert Vertrauen? 

Anhand der Vertrauenswerte in das Parlament über Zeit soll beispielhaft gezeigt werden, welche Bevölkerungsgruppen während der Corona-Krise Vertrauen in staatliche Institutionen - in diesem Fall das Parlament - verloren haben. Eine deskriptive Analyse erlaubt es, bestimmte Muster zu erkennen. In Abbildung 3 ist der Vertrauensverlust zwischen März und Juli 2020 in das österreichische Parlament nach den Merkmalen Bildung, Geschlecht, Wahlverhalten und Alter dargestellt. Wenig überraschend gibt es ausnahmslos in allen Teilgruppen Vertrauenseinbußen. Merkmale wie Alter und Geschlecht scheinen nur sehr geringfügig einen Einfluss darauf zu haben, ob eine Person mehr oder weniger Vertrauen in das Parlament während der Corona-Krise verliert. Anders sieht es mit dem Bildungshintergrund aus. Personen mit niedriger Bildung verzeichnen durchschnittlich einen stärkeren Rückgang im Vertrauen in das Parlament als Personen mit höherer Bildung. Auch das Wahlverhalten macht Unterschiede deutlich. Besonders Nichtwähler*innen sowie Wähler*innen von FPÖ und SPÖ haben in den letzten Monaten deutlich an Parlamentsvertrauen verloren. Wähler*innen der beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne sowie Wähler*innen der NEOS brachten dem Parlament zu Beginn der Krise  sehr  hohe Vertrauenswerte entgegen und zeigen trotz kleinerer Vertrauensrückgänge nach wie vor recht hohe Werte auf.

Abbildung 3: Vertrauenswerte in das Parlament nach den Merkmalen Bildung, Geschlecht, Wahlverhalten 2019 und Alter im März und Juli 2020 (Daten: Austrian Corona Panel Project; Welle 1 und Welle 13)

Conclusio 

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass alle abgefragten Institutionen bei der österreichischen Bevölkerung zu Beginn der Corona-Krise ein sehr hohes Vertrauen genossen. Mit der Zeit jedoch kam es zu Vertrauensverlusten, vor allem in politische Institutionen wie das Parlament oder die Bundesregierung, aber auch in den ORF. Einrichtungen, die für die öffentliche und vor allem gesundheitliche Sicherheit zuständig sind - Polizei, Bundesheer und Gesundheitswesen - und in Österreich schon vor der Corona-Krise hohe Vertrauenswerte genossen, haben seit März 2020 nur sehr wenig an Vertrauen eingebüßt. Insgesamt kann jedoch beobachtet werden, dass der in Krisen einsetzende “Rally-around-the-flag”-Effekt (siehe Blog 45) in Österreich deutlich abgenommen hat.

Die Auflistung von Korrelationswerten zeigt, dass es zusammenhängende “Paare” von staatlichen Institutionen gibt, die von der Bevölkerung jeweils sehr ähnliche Vertrauenswerte erhalten. Daher ist es durchaus sinnvoll die Institutionen einzeln abzufragen, da Institutionen des Staates jeweils unterschiedlich bewertet werden. Abschließend wurde ebenfalls gezeigt, dass vor allem parteipolitische Präferenzen und der Bildungshintergrund der Befragten Zusammenhänge hinsichtlich der Frage aufzeigen, ob während der Corona-Krise Vertrauen in die staatlichen Institutionen Österreichs verloren gegangen ist.


Nikolaus Kowarz arbeitet als Studienassistent am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und studiert im Master Politikwissenschaft.

Markus Pollak arbeitet als Studienassistent am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien am Austrian Corona Panel Project. Er studiert im Master Politikwissenschaft