03.06.2020

Chronologie zur Corona-Krise in Österreich – Teil 1: Vorgeschichte, der Weg in den Lockdown, die akute Phase und wirtschaftliche Folgen

  • Nachdem es Ende Februar in Österreich die ersten bestätigten Corona-Fälle gab, ergriff die Bundesregierung ab Mitte März drastische Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.
  • Am 26. März wurde laut epidemiologischer Kurve die Höchstzahl an neu bestätigten Infektionsfällen an einem einzelnen Tag verzeichnet. Anschließend wurde Anfang April der Höhepunkt der aktiven, bestätigten Infektionsfälle erreicht. Von da an war die Anzahl der bestätigten Corona-Fälle rückläufig.
  • Bis Mitte April blieb das öffentliche Leben in Österreich durch die Maßnahmen stark eingeschränkt. Die Arbeitslosigkeit stieg ab Ende März sprunghaft an. Nach Ostern kam es zu ersten Lockerungsmaßnahmen.

Von Markus Pollak, Nikolaus Kowarz und Julia Partheymüller

Das neuartige Coronavirus verbreitete sich innerhalb weniger Monate weltweit. Nachdem Ende Februar die ersten Corona-Fälle in Österreich positiv getestet worden waren, ergriff die Bundesregierung ab Mitte März einschneidende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Das öffentliche Leben kam daraufhin für etwa einen Monat so gut wie vollkommen zum Stillstand. Während trotz Einführung der Maßnahmen die täglich gemeldeten Fallzahlen zunächst weiter anstiegen, wurde der Höhepunkt der aktiven, bestätigten Infektionsfälle Anfang April erreicht. Als die Neuinfektionen allmählich zurückgingen und die beträchtlichen wirtschaftlichen Folgen absehbar wurden, wurden erste Lockerungen der Maßnahmen ab Mitte April nach Ostern erwogen. Vor dem Hintergrund der dramatischen Ereignisse bietet dieser erste Teil in unserer Corona-Chronologie einen Überblick zur Vorgeschichte der Ausbreitung des Coronavirus, den Weg in den Lockdown in Österreich sowie die Dynamik des Infektionsgeschehens und die bisherigen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Der Beitrag endet mit den ersten Lockerungen ab Ostern, die wir in Teil 2 der Corona-Chronologie beleuchten werden.

Vorgeschichte

Der erste bestätigte Corona-Fall wurde am 1. Dezember 2019 in der chinesischen Provinz Hubei gemeldet. Damals wurde angenommen, dass sich das bis dahin unbekannte Virus schon im November in China verbreitet hatte. Auch wenn der Ursprung des Virus bislang nicht abschließend geklärt wurde, so war insbesondere die 11-Millionen-Einwohner-Stadt Wuhan vom ersten großen Ausbruch betroffen, woraufhin die chinesische Zentralregierung dort ab 23. Jänner 2020 einen strikten Lockdown durchsetzte. Während sich die Aufmerksamkeit in den ersten Wochen des Jahres 2020  vornehmlich auf das Infektionsgeschehen innerhalb Chinas sowie auf Ausbrüche in anderen asiatischen Ländern wie z.B. Südkorea richtete, ist nach neuestem Wissensstand davon auszugehen, dass das Virus bereits in dieser Frühphase unbemerkt nach Europa gelangte. So konnte beispielsweise retrospektiv ein erster Corona-Fall in Frankreich schon für den 27. Dezember 2019 bestätigt werden. Öffentlich bekannt wurden die ersten Fälle in Europa allerdings erst Ende Jänner durch Meldungen aus Frankreich. Fälle in weiteren europäische Länder folgten kurz darauf, darunter auch Berichte über einen ersten Cluster in Deutschland beim Autozulieferer Webasto sowie erste Fälle in der norditalienischen Lombardei, wo sich die Lage in den darauffolgenden Wochen dramatisch zuspitzte.

Die Frühphase: Das Coronavirus in Österreich

Während Österreich zunächst nicht von der Virusinfektion betroffen zu sein schien, wurde am 25. Februar 2020 erstmals das Coronavirus in Österreich bei zwei 24-jährigen, aus Italien stammenden Personen diagnostiziert (siehe zum Überblick auch Abbildung 1). Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer informierten am 27. Februar 2020 den Nationalrat über den aktuellen Stand der Entwicklungen sowie über anstehende, bundesweit einheitliche Vorgaben im Umgang mit dem Virus. Die Minister sprachen sich “gegen Panikmache” und für eine gemeinsame Krisenbewältigung aus.

Abbildung 1: Überblick über die wichtigsten Ereignisse

Besonders stark breitete sich das Coronavirus zunächst im Westen Österreichs aus. Die isländischen Behörden erklärten bereits am 5. März Ischgl zum Risikogebiet, weil Personen mit Corona-Infektionen aus diesem Gebiet zurückgekehrt waren. Dieser Schritt fand in der österreichischen Öffentlichkeit zunächst wenig Beachtung. Stärker wahrgenommen wurde die Ankündigung einer Verordnung,  die am Tag darauf Gesundheitschecks an der Grenze zu Italien einführte.

Die akute Phase: Der Weg in den Lockdown und die Dynamik des Infektionsgeschehens 

Ab 10. März überschlugen sich schließlich die Ereignisse. Nahezu täglich kündigte die Bundesregierung neue Maßnahmen an: Veranstaltungen sollten abgesagt und „Social Distancing“ sollte betrieben werden. Am darauffolgenden Tag wurde die Schließung der Universitäten ab spätestens 16. März bekanntgegeben, wobei manche Universitäten dieser Frist zuvorkamen. Außerdem sollten die Schulen ab 18. März geschlossen bleiben.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte COVID-19 ab 11. März als globale Pandemie ein. Zudem wurde am 12. März bekannt, dass ein 69-jähriger Italien-Urlauber als erstes österreichisches Todesopfer in Wien verstorben war. Am selben Tag wurden Besuche in Spitälern untersagt.

Nach Ankündigungen weiterer Einschränkungen durch Gesundheitsminister Anschober und Bundeskanzler Kurz am 13. März kam es zu Hamsterkäufen in ganz Österreich, die die Lieferketten für besonders begehrte Produkte in den folgenden Tagen überlasteten.  Ischgl, Kappl, See, Galtür und Sankt Anton am Arlberg wurden als erste Gemeinden für zunächst 14 Tage unter Quarantäne gestellt. Zudem kündigte Gesundheitsminister Anschober ein Besuchsverbot in Pflege- und Seniorenwohnheimen an. Am 14. März wurde ein neues Kurzarbeitsmodell sowie ein Krisenbewältigungsfond zur Linderung der wirtschaftlichen Folgen der Krise angekündigt. Finanzminister Blümel verkündete das Abrücken vom Ziel des Nulldefizits.

Am Sonntag, den 15. März, stimmte der österreichische Nationalrat bei einer außerplanmäßigen Sitzung einstimmig für das COVID-19 Gesetz, das eine gesetzliche Grundlage für die weiteren Einschränkungen des öffentlichen Lebens schuf und das erste einer Reihe von COVID-spezifischen Gesetzespaketen darstellte. Noch nie zuvor war in der zweiten Republik in solcher Geschwindigkeit ein vergleichbares Gesetzespaket im Nationalrat beschlossen worden.

Am 16. März begann der weitgehende Lockdown. Alle Geschäfte abseits der Grundversorgung sowie die Bundesgärten und Schwimmbäder mussten bis auf weiteres geschlossen bleiben. Der Flugverkehr wurde größtenteils eingestellt. Strikte Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen auf Basis des COVID-19 Gesetzes traten in Kraft und brachten das öffentliche Leben weitgehend zum Stillstand. Gaststätten, Cafés, Bars und Restaurants wurden am darauffolgenden Tag geschlossen.

Am 18. März, zwei Tage nach dem vorzeitigen Ende der Skisaison,  stellte Tirol alle Gemeinden unter Quarantäne. Am 20. März wurden Verschärfungen der Ausgangsbeschränkungen angekündigt und die Bevölkerung dazu aufgefordert, wenn möglich, von zuhause aus zu arbeiten. Ein zweites COVID-19 Gesetz wurde beschlossen; unter anderem sollten Sportstätten und Kuranstalten geschlossen werden. Am 25. März veröffentlichte das Rote Kreuz die viel diskutierte Stopp-Corona-App, mit der Infektionsketten schneller nachvollzogen werden sollten.[1]

Die Bundesregierung beschloss, die Bevölkerung ab 30. März zur Verwendung von Mund-Nasenschutz in Supermärkten zu verpflichten und Bundeskanzler Kurz sprach von einer “Ruhe vor dem Sturm”. Jedoch schienen die Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt bereits zu greifen; der Höhepunkt der epidemiologischen Kurve in Hinblick auf die bestätigten Neuinfektionen wurde bereits am 26. März erreicht (siehe Abbildung 1). An diesem Tag erkrankten 1.063 erfasste Personen. Danach nahm der Wert bis Mitte April weiter ab. Die Höchstzahl an getesteten, aktiven Corona-Krankheitsfällen wurde am 3. April erreicht, als über 9.000 Personen als erkrankt galten (siehe Abbildung 2). Von da an waren sowohl die Neuinfektionen als auch die Krankheitsfälle rückläufig. Am 4. April überstieg die Zahl der Neu-Genesenen erstmals die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen. Zu diesem Zeitpunkt waren 231 Menschen in Österreich am Coronavirus gestorben.[2]

Abbildung 2: Tägliche Anzahl an COVID-19-positiv getesteten Personen

Abbildung 3: Anzahl an COVID-19-positiv getesteten Personen (kumulativ) und Anzahl der Genesenen, Erkrankten und Verstorbenen

Die abklingende Phase: Abnehmende Krankheitsfälle, dramatische wirtschaftliche Folgen

Ab Anfang April verringerten sich die Corona-Fallzahlen zwar, dafür rückten aber zunehmend auch die dramatischen wirtschaftlichen Folgen in den Fokus der Aufmerksamkeit. Von Mitte März bis Anfang April erhöhte sich laut österreichischem Arbeitsmarktservice (AMS) die Arbeitslosigkeit sprunghaft um 199.934 neue Arbeitslose (siehe auch Abbildung 4). Die am stärksten betroffenen Sektoren sind bisher laut AMS der Tourismus, die Bauwirtschaft, die Arbeitskräfteüberlassung (Personalleasing, Leiharbeit) sowie der Handel. Die Arbeitslosenquote lag nach nationaler Definition Ende März bei geschätzten 12,2%– ein Anstieg von +4,7%-Punkten gegenüber März 2019.

Abbildung 4: Entwicklung der Arbeitslosigkeit (Quelle: AMS, April 2020)

Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Folgen und der erfolgreichen Eindämmung der Infektionsgefahr wurden für die Zeit ab dem 14. April erste Lockerungen beschlossen. So kündigte die Bundesregierung am 6. April an, dass die Geschäfte jenseits der Grundversorgung nach Ostern wieder öffnen dürfen – bei gleichzeitiger Ausweitung der Tragepflicht des Mund-Nasen-Schutzes in öffentlichen Verkehrsmitteln und allen bisher nicht betroffenen Geschäften. 

Zusammenfassung und Fazit

Während man zu Beginn des Jahres 2020 davon ausging, dass das neue Coronavirus vor allem China betraf, breitete sich das Virus in der Folgezeit zunehmend auch in Europa aus und erreichte spätestens Ende Februar Österreich. Im März spitzte sich die Lage auch in Österreich zu, was zu bisher beispiellosen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus führte. Das öffentliche Leben stand für einen Monat nahezu komplett still. Etwa zwei Wochen nach der Einführung der Maßnahmen ging das Wachstum der Corona-Fallzahlen zurück und ab Anfang April nahmen die Krankheitsfälle kontinuierlich ab. Gleichzeitig wurden die wirtschaftlichen Folgen deutlich sichtbar. Insbesondere die Arbeitslosigkeit hatte seit Mitte März sprunghaft zugenommen. Angesichts der Abnahme der gemeldeten Corona-Fallzahlen und der hohen Arbeitslosenzahlen wurden in der Zeit nach Ostern erste Lockerungen auf den Weg gebracht. Wie sich die Lage in Österreich in der Erholungsphase nach Ostern weiter entwickelte, wird in der Fortsetzung zu diesem Blog beschrieben werden.

Anhang mit Ereignis-Übersichtstabelle


Markus Pollak arbeitet als Studienassistent am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien am Austrian Corona Panel Project. Er studiert im Master Politikwissenschaft.

Nikolaus Kowarz arbeitet als Studienassistent am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und studiert im Master Politikwissenschaft.

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.


Fußnoten

[1] In dieser Zeit, ab 27. März, startet das Austrian Corona Panel Project mit einer ersten Befragungswelle, um die sozialen und politischen Wirkungen der Corona-Krise interdisziplinär zu erforschen.

[2] Alle Angaben zu bestätigten Infektionen, Todesfällen und Zuwachsraten in diesem Blogbeitrag beziehen sich auf die offiziellen Daten sowie die Berechnungsweise des österreichischen Gesundheitsministeriums sowie auf das amtliche Dashboard COVID 19: info.gesundheitsministerium.at Die Angaben können daher von den Zahlen anderer Quellen abweichen. z.B. COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU): coronavirus.jhu.edu/map.html