28.04.2020

Muss die Regierung auf alle möglichen Risiken vorbereitet sein?

  • Ein Großteil der österreichischen Bevölkerung wünscht sich derzeit, dass die Regierung auch auf unwahrscheinliche Ereignisse vorbereitet ist, selbst wenn dies mit hohen finanziellen Kosten verbunden ist
  • Insbesondere risikoscheue und ältere Personen befürworten Risikovorsorge
  • Ob dieser starke Wunsch auch nach der Corona-Krise anhält, ist jedoch fraglich

Von Monika Mühlböck

In der Corona-Pandemie ist Schutzbekleidung zur begehrten Mangelware geworden. Hätte die Regierung hier vorsorgen und bereits vor längerer Zeit Millionen Atemschutzmasken auf Vorrat kaufen müssen? Auf frühzeitige Warnungen wurde nicht reagiert – vielleicht auch in Erinnerung daran, wie die damalige Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat bei der Bestellung von Schutzmasken zur Zeit der Vogelgrippe ins Kreuzfeuer der Kritik geriet. Die Masken von damals kommen nun verspätet doch noch zum Einsatz. Gleichzeitig sind wir derzeit froh über die große Anzahl an Spitalsbetten in Österreich. Die wurde jedoch vom Rechnungshof mehrfach als unwirtschaftlich kritisiert. Auch jetzt ist umstritten, was effizienter ist: viele teure Spitalsbetten langfristig bereithalten oder Vorbereitungen treffen, um die Anzahl gegebenenfalls rasch aufstocken zu können? In jedem Fall kostet Risikovorsorge viel Geld, das umsonst ausgegeben wurde, wenn der Ernstfall nicht eintritt. Wie wichtig ist es den Bürger*innen in der gegenwärtigen Situation, dass die Regierung auf alle Eventualitäten vorbereitet ist?

Wie die Daten des Austrian Corona Panel Project zeigen, ist staatliche Risikovorsorge den österreichischen Bürger*innen derzeit extrem wichtig. Über 70% der Befragten stimmen der Aussage „Die Regierung muss auch auf sehr unwahrscheinliche Ereignisse vorbereitet sein, selbst wenn diese Vorbereitungen mit hohen finanziellen Kosten verbunden sind“ entweder „voll“ oder „eher“ zu. Hierbei sind es vor allem Personen, die allgemein extrem risikoscheu sind, und jene, die die kollektive gesundheitliche Gefahr des Corona-Virus als groß einschätzen, die Vorsorge gutheißen (Abbildung 1). Es zeigen sich auch deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Ältere Personen – unabhängig davon, ob sie der Hochrisikogruppe für COVID-19 angehören oder nicht – befürworten Vorbereitungsmaßnahmen viel stärker als Jüngere. Der Alterseffekt schlägt sich in Unterschieden nach Parteipräferenz nieder. SPÖ und ÖVP Wähler*innen sind eher für Vorsorge als die im Durchschnitt jüngeren Wähler*innen der FPÖ, der NEOS und der Grünen.

Abbildung 1: Zustimmung zu Risikovorsorge nach Risikoscheu, Gefahren-Einschätzung, Alter und Parteipräferenz. Quelle: Austrian Corona Panel Data, Welle 1, gewichtete Daten.

Wird die Bereitschaft zur Risikovorsorge über die aktuelle Krise hinaus anhalten? Werden die Bürger*innen auch zukünftige Vorsorgemaßnahmen unterstützen, selbst wenn sie dafür zahlen müssen? Das wird sich erst zeigen. Allerdings lässt sich an den Daten ablesen, dass die Bereitschaft seit der ersten Befragung bereits deutlich zurückgegangen ist (Abbildung 2). Hatten in Welle 1 (Ende März) 43% der Befragten gemeint, dass die Aussage, die Regierung müsse trotz hoher Kosten auch auf sehr unwahrscheinliche Ereignisse vorbereitet sein, „voll und ganz“ zutreffe, signalisierten in Welle 4 (Mitte April) nur noch 29% der Befragten volle Zustimmung. Insgesamt ist die Zustimmung zur Risikovorsorge zwischen März und April bei rund einem Drittel der Befragten gesunken. Dieser Rückgang ist über alle Altersgruppen und Parteipräferenzen hin sichtbar und auch unabhängig von allgemeiner Risikoscheu oder der Einschätzung der kollektiven gesundheitlichen Gefahr.

Abbildung 2: Zustimmung zu Risikovorsorge nach Befragungszeitpunkt. Quelle: Austrian Corona Panel Data, Welle 1 (27.-30. März 2020) & Welle 4 (17.-20. April 2020), gewichtete Daten.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie hoch die tatsächliche Bereitschaft zur Vorsorge ausfällt, sobald klar wird, dass die Kosten von den Steuerzahler*innen selbst getragen werden. In Welle 4 der Befragung gaben insgesamt nur rund 15% der Befragten an, dass es für sie akzeptabel sei, in Zukunft höhere Steuern zu zahlen, um die Corona-Krise in den Griff zu bekommen. Selbst unter denjenigen Befragten, die sich dezidiert für Vorsorgemaßnahmen aussprachen, fanden nur 18% höhere Steuern akzeptabel. Wenn die Zahlungsbereitschaft für akute Probleme bereits so schwach ausgeprägt ist, wird sie vermutlich bei der Vorsorge für mögliche – aber keineswegs sichere – zukünftige Krisenszenarien noch geringer ausfallen. Eine Regierung, die viel Geld in Risikovorsorge investiert, wird dafür von den Wähler*innen nicht unbedingt belohnt.


Monika Mühlböck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin (Post Doc) am Lehrstuhl für Politikwissenschaft und Vergleichende Regierungslehre der Universität Mannheim. Zuvor war sie am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen politische Repräsentation, Arbeitsmarktpolitik und Europäische Integration (monika.muehlboeck@uni-mannheim.de).