21.10.2021 - PDF

Impfbereitschaft, impfpolitische Maßnahmen und Kinderimpfung

  • Der Pool der Impfbereiten ist so gut wie vollständig ausgeschöpft, nur Zögerliche bzw. Unentschlossene und Nicht-Impfbereite verbleiben.
  • Die Zustimmung zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht (35 Prozent) sowie zu einer Impfpflicht für Berufsgruppen mit hohem Ansteckungsrisiko (57 Prozent) hat zuletzt zugenommen, aber die Meinungen gehen beim Thema Impfpflicht weiterhin auseinander. Die kostenlose Bereitstellung von Impfstoffen bleibt unstrittig. 
  • Die Bereitschaft zur Kinderimpfung hat ebenfalls zugenommen, bleibt aber verhältnismäßig niedrig. Im September gaben rund 30 Prozent der Personen, die mit Kindern bis 14 Jahre in einem Haushalt leben, an, ihre Kinder ehestmöglich impfen lassen zu wollen.

Von Jakob-Moritz Eberl, Julia Partheymüller und Katharina T. Paul

Seit Sommer 2021 ist die Impfkampagne in Österreich ins Stocken geraten. Bisher wurden 5.823.532 (Stand: 20.10.2021; Quelle: Our World in Data) Personen in Österreich mindestens einmal geimpft.[1] Da der Winter und damit die Hochsaison für Atemwegserkrankungen herannaht, haben sich die Debatten über die impfpolitischen Maßnahmen zuletzt intensiviert. Außerdem war beispielsweise das polarisierende Thema Impfpflicht Gegenstand von zwei gegenläufigen Initiativen für Volksbegehren (Striktes Nein, Notfalls Ja). Mit MFG zog nun im September auch eine neue Impfgegner-Partei in den oberösterreichischen Landtag ein. Weiters rückte das Thema Kinderimpfung zunehmend in den öffentlichen Fokus. Derzeit können bereits Kinder im Alter von 12 bis 14 Jahre geimpft werden, während für Kinder unter 12 Jahre bislang noch kein zugelassener Impfstoff vorliegt. Der Zulassungsantrag für einen Impfstoff der 5- bis 11-Jährigen wird derzeit von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) geprüft. Eine Zulassung wird für Ende des Jahres 2021 erwartet.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen berichtet dieser Blog-Beitrag die neuesten Umfrageergebnisse anhand der Daten des Austrian Corona Panel Projects (ACPP). Wir zeigen, wie sich die Impfbereitschaft im Zeitverlauf verändert hat. Zudem beleuchten wir Einstellungen zu impfpolitischen Maßnahmen sowie der Bereitschaft von Eltern, ihre minderjährigen Kinder impfen zu lassen.

Pool der Impfbereiten ausgeschöpft, nur Zögerliche und Nicht-Impfbereite verbleiben

Im Beobachtungszeitraum von Mai 2020 bis September 2021 war die Impfbereitschaft in Österreich dynamischen Veränderungen unterworfen (Abbildung 1, siehe Fußnote [2] zur Einteilung der Befragten in vier Gruppen). So sank die Impfbereitschaft im Zeitraum von Mai 2020 bis Oktober bzw. Dezember 2020 von 46 Prozent auf 32 Prozent. Seit Beginn 2021 liegen zugelassene Impfstoffe vor und der kombinierte Anteil von Impfbereiten und bereits Geimpften nahm in den darauffolgenden Monaten kontinuierlich zu. Allerdings verlangsamte sich der Anstieg zuletzt. Im September 2021 waren nun rund 75 Prozent der Befragten geimpft (min. 1 Dosis), noch 1 Prozent impfbereit, 8 Prozent zögerlich oder unentschlossen und 17 Prozent nicht impfbereit. Damit ist inzwischen also der Pool der Personen, die angeben impfbereit zu sein, weitgehend ausgeschöpft und nur noch Zögerliche und Nicht-Impfbereite verbleiben.

Abbildung 1: Entwicklung der Impfbereitschaft im Zeitverlauf (Daten: ACPP, N=ca. 1.500 Befragte pro Erhebung, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren)

Einstellungen zu impfpolitischen Maßnahmen

Abbildung 2: Einstellungen zu impfpolitischen Maßnahmen (Daten: ACPP, N=ca. 1.500 Befragte pro Erhebung, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren)

Abbildung 3: Bereitschaft zur Impfung von Kindern (Daten: ACPP, Personen mit Kindern bis 14 Jahre im Haushalt, N(Juni)=308, N(Sept.)=302)

In Hinblick auf die impfpolitischen Maßnahmen zeigt sich, dass die kostenfreie Zurverfügungstellung der Impfstoffe weiterhin hohe Unterstützung genießt, während Impfpflichten – trotz einer Zunahme an Zustimmung – stärker umstritten bleiben. Im September 2021 befürworteten 85 Prozent der Befragten (trifft voll und ganz/eher zu), dass die Impfstoffe gratis zur Verfügung gestellt werden sollten. Einer allgemeinen Impfpflicht stimmten demgegenüber nur 35 Prozent der Befragten zu; 57 Prozent befürworten jedoch eine Impfpflicht für Berufsgruppen mit hohem Ansteckungsrisiko.

Weiterhin überwiegend Zurückhaltung bei der Kinderimpfung

Für die Kinderimpfung zeigt sich eine leicht steigende Impfbereitschaft. Gaben im Juni 21 Prozent der Befragten an, ihre Kinder ehestmöglich impfen zu lassen, so stieg dieser Prozentsatz bis September auf rund 30 Prozent. Der Anteil der sehr zurückhaltenden Personen (trifft gar nicht zu) ist mit 42 Prozent vergleichsweise hoch. Zu beachten ist, dass sich die Auswertung auf die Gruppe der Befragten bezieht, die mit Kindern bis 14 Jahren in einem gemeinsamen Haushalt leben und dass diese Gruppe (rund 300 Personen)  deutlich kleiner ist als die Gesamtstichprobe, wodurch die Schätzungen grundsätzlich mit größerer Unsicherheit behaftet sind. Zudem dürfte das Alter der Kinder eine Rolle spielen. Vertiefende Subgruppen-Analysen legen nahe, dass die Impfbereitschaft umso höher ist, je älter die im Haushalt lebenden Kinder sind. Dieser Zusammenhang ist aber aufgrund der sehr kleinen Fallgruppen mit hoher Unsicherheit behaftet.

Fazit

Das Impftempo in Österreich hat sich verlangsamt. Aus unseren Daten geht als ein Grund hervor, dass die allermeisten impfbereiten Personen inzwischen geimpft sind und nur noch Zögerliche bzw. Unentschlossene sowie Nicht-Impfbereite verbleiben, die für Impfungen schwer erreichbar sind oder Bedenken gegenüber Impfungen hegen. Die kostenfreie Bereitstellung der Impfstoffe genießt weiterhin eine überaus hohe Zustimmung: Jede*r soll die Möglichkeit zur Impfung haben. Das zeigt, dass die Corona-Schutzimpfung nur von sehr wenigen kategorisch auch für andere Mitmenschen abgelehnt wird. Eine Pflicht zur Impfung bleibt dennoch weiterhin umstritten. Vor allem eine allgemeine Impfpflicht wird überwiegend abgelehnt, während eine Mehrheit der Befragten inzwischen eine Impfpflicht für spezifische Berufsgruppen befürwortet. Beim Thema Kinderimpfung stellen wir weiterhin viel Zurückhaltung fest. Es ist zu erwarten, dass viele Eltern die Zulassung der Impfstoffe abwarten und nicht die ersten bei der Kinderimpfung sein wollen. Hier wird es wichtig sein, schon vorab ausreichend Informationen zur Verfügung zu stellen, damit bei einem offiziellen Impfstart, die wichtigsten Fragen schon geklärt werden können. Zudem bedarf es aber auch weiterer Anstrengungen, um die Bedenken der Zögerlichen auszuräumen und Impflücken bei den Erwachsenen zu schließen.


Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Sie ist Mitglied des Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES).

Katharina T. Paul ist seit 2013 senior research fellow (Post-Doc) und Lektorin am Institut für Politikwissenschaft und seit 2019 Mitglied der Forschungsgruppe Zeitgenössische Solidaritätsstudien (CeSCoS). In ihrem FWF Elise Richter Projekt forscht sie zu vergleichender Gesundheitspolitik, insbesondere Impfpolitik.


Fußnoten

[1] Bezogen auf die Wohnbevölkerung über 14 Jahre (7.647.176 Personen; Quelle: Statistik Austria) entspricht dieser Wert (abzüglich 90.454 geimpften Personen unter 14 Jahre) in etwa einer Impfquote von rund 74.9%.

[2] Die Einteilung in die vier Gruppen in Abbildung 1 erfolgte auf Basis der Angaben zum Impfstatus (min. 1 Dosis erhalten) und zur Impfbereitschaft. Die Impfbereitschaft wurde dabei mit der Zustimmung zu der Aussage “Ich werde mich ehestmöglich impfen lassen” auf einer 5er-Skala (“trifft voll und ganz zu”, “trifft eher zu”, “teils-teils”, “trifft eher nicht zu”, “trifft überhaupt nicht zu”) gemessen (mit den Ausweichkategorien “weiß nicht” und “keine Angabe”). Zur Gruppe der Geimpften zählen alle, die bereits mindestens eine Erstimpfung erhalten haben. Als Impfereite wurden jene zusammengefasst, die noch nicht geimpft waren, aber angaben sich ehestmöglich impfen lassen zu wollen (trifft voll und ganz zu, trifft eher zu). Zur Gruppe der Zögerlichen gehören jene, die noch nicht geimpft waren und die Kategorien “teils-teils”, “eher nicht”, “weiß nicht” oder “keine Angabe” auswählten. Als Nicht-Impfbereite bezeichnen wir jene, die noch nicht geimpft waren und auf die oben genannte Aussage mit “trifft überhaupt nicht zu” antworteten. Zu beachten ist, dass sich die Stichprobe auf die Wohnbevölkerung ab 14 Jahre (mit Internetzugang) bezieht.