Impfbereitschaft: Wer sind die Zögerlichen?

14.09.2021 - PDF

  • Jüngere Alterskohorten, Personen mit geringem Einkommen sowie politikferne Menschen wie Nichtwähler*innen und Nichtwahlberechtigte sind besonders häufig zögerlich in Bezug auf die Corona-Schutzimpfung.
  • Eine Ablehnung der Corona-Schutzimpfung ist unter FPÖ-Wähler*innen häufiger anzutreffen als bei Wähler*innen anderer Parteien.
  • Das Vertrauen in verschiedene Institutionen ist insgesamt geringer unter Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten. Diese vertrauen dem Gesundheitswesen aber deutlich mehr als der Bundesregierung und dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Von Julia Partheymüller, Jakob-Moritz Eberl und Katharina T. Paul

Das Potential der unmittelbar Impfbereiten in Österreich ist derzeit so gut wie erschöpft. Trotz Ausweitung der Impfangebote sinkt die tägliche Anzahl der Erstimpfungen. Es mangelt an Nachfrage. In einem früheren Blog-Beitrag haben wir bereits dargelegt, welche subjektiven psychologischen Hürden für Zögerliche und Nicht-Impfbereite bestehen und dabei insbesondere die Sorge um die Sicherheit der Impfungen, den fehlenden Glauben an ihren Nutzen sowie die mittelmäßige Informiertheit hervorgehoben. Wir haben zudem argumentiert, dass man insbesondere zögerliche und unentschlossene Personen in dieser Phase der Pandemie nun gezielter in den Blick nehmen sollte. Vor diesem Hintergrund rekapitulieren wir noch einmal die Entwicklung der Impfbereitschaft in Österreich und untersuchen soziodemographische Merkmale, um die Gruppe der noch Zögerlichen näher zu charakterisieren. Zudem beleuchten wir auch das Institutionenvertrauen, um Rückschlüsse darauf zu gewinnen, wie und durch wen diese Gruppe erreicht werden kann.

Entwicklung der Impfbereitschaft in Österreich

Bevor wir uns der Subgruppen-Analyse zuwenden, erscheint es sinnvoll, zunächst noch einmal die Entwicklung der Impfbereitschaft in Österreich in Erinnerung zu rufen. Abbildung 1 zeigt, dass die Impfbereitschaft starken Veränderungen im Zeitverlauf unterworfen war. Im Mai 2020, als sich die Impfstoffe noch in der Entwicklung befanden, waren zunächst rund 46 Prozent impfbereit.[1] Dieser Wert sank im Oktober 2020 auf 32 Prozent. Seit Beginn der Impfkampagne in Österreich stieg die Impfbereitschaft dann merklich an und immer mehr Menschen konnten geimpft werden. Damit wurde auch der Anteil an Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten stetig kleiner. Diese Dynamik verlangsamte sich jedoch seit Mai 2021. Zum Zeitpunkt der letzten Messung Ende Juni/Anfang Juli 2021 waren rund 65 Prozent geimpft, 6 Prozent impfbereit, 14 Prozent zögerlich oder unentschlossen und 15 Prozent nicht impfbereit. Im folgenden untersuchen wir, wie sich diese vier Gruppen unterscheiden und wer in Hinblick auf die Impfung noch zögerlich ist.

Abbildung 1: Entwicklung der Impfbereitschaft (Daten: ACPP, gewichtet, N=ca. 1.500 Befragte pro Erhebung, gewichtet, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren)

Jüngere und mittlere Alterskohorten bisher noch zurückhaltender

Als erstes Merkmal betrachten wir das Alter (Abbildung 2, links). Es zeigt sich, dass vor allem jüngere und mittlere Alterskohorten bisher seltener geimpft sind. Angesichts der Priorisierung und der Betonung des hohen gesundheitlichen Risikos für ältere Mitbürger*innen erscheint dies wenig überraschend. Auffällig dabei ist allerdings, dass Personen mittleren Alters der Impfung etwas häufiger ablehnend gegenüberstehen: 19 Prozent in der Altersgruppe 45 bis 54 Jahre sind nicht impfbereit. Demgegenüber finden sich in in der jüngsten Altersgruppe mit 28 Prozent besonders viele Zögerliche. Wir betrachten zudem das Geschlecht (Abbildung 2, rechts). Frauen sind insgesamt etwas seltener geimpft als Männer. Diese Unterschiede fallen aber eher gering aus.

Abbildung 2: Impfbereitschaft nach Alter und Geschlecht (Daten: ACPP, 25.06.-02.07.2021, gewichtet, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren)

Wenig Unterschiede zwischen Bildungsgruppen, deutlichere Muster beim Einkommen

Als nächstes untersuchen wir die Rolle von Bildungsabschlüssen und des Haushaltseinkommens (Abbildung 3). Interessanterweise zeigen sich zwischen den Bildungsgruppen wenig Unterschiede. Nur die verhältnismäßig kleine Gruppe der Hochschulabsolventen (Hoch+) ist etwas häufiger bereits geimpft. Im Gegensatz dazu zeichnet sich beim Haushaltseinkommen ein prägnanteres Muster im Zusammenhang mit der Impfbereitschaft ab. Insbesondere in den mittleren und unteren Einkommensgruppen sind die Anteile der Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten höher als bei den höheren Einkommen. So sind beispielsweise in der untersten Einkommenskategorie (bis 1500 Euro im Monat) 16 Prozent zögerlich und 19 Prozent nicht impfbereit.

Abbildung 3: Impfbereitschaft nach Bildung und Einkommen (Daten: ACPP, 25.6.-2.7.2021, gewichtet, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren)

Politikferne Menschen schwer erreichbar, Migrationshintergrund eher unauffällig

Darüber hinaus zeigen sich auffällige Muster in Zusammenhang mit dem Wahlverhalten (Abbildung 4, links). Besonders auffällig ist, dass die Gruppe der Nichtwähler*innen und Nichtwahlberechtigten häufig zögerlich (18 Prozent) oder nicht impfbereit (23 Prozent) ist. Diese Gruppe stellt dabei einen vergleichsweise großen Anteil der Wohnbevölkerung dar. Politikferne Personen scheinen, nicht nur für Parteien, sondern auch für das Impfen insgesamt schwer erreichbar zu sein. Ferner ist auch über die Parteien hinweg ein Muster erkennbar. So findet sich in der Gruppe der Wähler*innen der FPÖ ein besonders hoher Anteil nicht impfbereiter Personen (29 Prozent), während dieser Anteil bei den anderen im Parlament vertretenen Parteien niedriger liegt (von 3 Prozent bei den NEOS bis 14 Prozent SPÖ).

Abbildung 4: Impfbereitschaft nach Wahlverhalten und Migrationshintergrund (Daten: ACPP, 25.06.-02.07.2021, gewichtet, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren)

Für den Migrationshintergrund[2] zeigen sich demgegenüber eher kleinere Unterschiede (Abbildung 4, rechts). In der Gruppe der Personen, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden, ist der Anteil der Zögerlichen mit 17 Prozent leicht erhöht. Der Anteil der Nicht-Impfbereiten unterscheidet sich dagegen nur sehr geringfügig von den Personen ohne Migrationshintergrund.

Wem vertrauen die Zögerlichen?

Um aufzuklären, warum manche Personen trotz der Omnipräsenz des Corona-Themas in den Medien bisher immer noch zögerlich sind, beleuchten wir abschließend noch, welchen Institutionen die Zögerlichen Vertrauen entgegen bringen. Es bestehen deutliche Unterschiede zwischen Geimpften, Impfbereiten, Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten in Hinblick auf das Vertrauen (Abbildung 5). So ist Vertrauen in die Bundesregierung, das öffentlich-rechtliche Fernsehen sowie das Gesundheitswesen geringer bei Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten als bei Geimpften und Impfbereiten. Am ehesten vertrauen die Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten dem Gesundheitswesen.

Abbildung 5: Vertrauen in die Bundesregierung, das öffentlich-rechtliche Fernsehen und das Gesundheitswesen (Daten: ACPP, 25.06.-02.07.2021, gewichtet, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren)

Fazit: Herausforderungen für die Informationsarbeit

Die Analysen zeigen, dass für bestimmte Merkmale deutliche Unterschiede bei der Impfbereitschaft bestehen. Auffällig ist insbesondere, dass jüngere und mittlere Alterskohorten, Personen mit geringem Einkommen, politikferne Menschen sowie die Wähler*innen der FPÖ häufiger zögerlich oder nicht impfbereit sind. Kleinere Unterschiede lassen sich in Hinblick auf Geschlecht, Bildung und den Migrationshintergrund beobachten. Es erscheint naheliegend zur Erhöhung der Impfquote, vor allem bisher Zögerliche gezielt in Blick zu nehmen und sie zielgruppengerecht mit den für sie relevanten, aktuellen Informationen zur Sicherheit, Wirkweise und Effektivität der verfügbaren Impfstoffe zu versorgen. Allerdings stellt das geringe Vertrauen der Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten in die Bundesregierung sowie in die öffentlich-rechtlichen Medien eine Herausforderung für die Informationsarbeit dar. Da Zögerliche und Nicht-Impfbereite am ehesten noch dem Gesundheitswesen vertrauen, könnte es auch eine Möglichkeit sein, den Zugang zu diesen Personen im Gesundheitsbereich zu suchen und das Gesundheitspersonal  stärker einzubinden. Denn die herkömmliche Kommunikation über Massenmedien oder Werbekampagnen der Bundesregierung birgt gerade bei sensiblen gesundheitlichen Themen die Gefahr von Verunsicherung und Widerstand (“Reaktanz”).

Anhang

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Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und ist Mitglied des Vienna Center for Electoral Research (VieCER). Sie ist Teil des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES) sowie des Austrian Corona Panel Projects (ACPP). Sie forscht zur Dynamik der öffentlichen Meinung, Einstellungen und politischem Verhalten.

Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER). Er ist Teil des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES) sowie des Austrian Corona Panel Projects (ACPP) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.

Katharina T. Paul ist seit 2013 senior research fellow (Post-Doc) und Lektorin am Institut für Politikwissenschaft und seit 2019 Mitglied der Forschungsgruppe Zeitgenössische Solidaritätsstudien (CeSCoS). In ihrem FWF Elise Richter Projekt forscht sie zu vergleichender Gesundheitspolitik, insbesondere Impfpolitik.


 

 

Fußnoten

[1] Die Einteilung in die vier Gruppen in Abbildung 1 erfolgte auf Basis der Angaben zum Impfstatus (min. 1 Dosis erhalten) und zur Impfbereitschaft. Die Impfbereitschaft wurde dabei mit der Zustimmung zu der Aussage “Ich werde mich ehestmöglich impfen lassen” auf einer 5er-Skala (“trifft voll und ganz zu”, “trifft eher zu”, “teils-teils”, “trifft eher nicht zu”, “trifft überhaupt nicht zu”) gemessen (mit den Ausweichkategorien “weiß nicht” und “keine Angabe”). Zur Gruppe der Geimpften (65 Prozent) zählen alle, die bereits mindestens eine Erstimpfung erhalten haben. Als Impfereite (6 Prozent) wurden jene zusammengefasst, die noch nicht geimpft waren, aber angaben sich ehestmöglich impfen lassen zu wollen (trifft voll und ganz zu, trifft eher zu). Zur Gruppe der Zögerlichen (14 Prozent) gehören jene, die noch nicht geimpft waren und die Kategorien “teils-teils”, “eher nicht”, “weiß nicht” oder “keine Angabe” auswählten. Als Nicht-Impfbereite (15 Prozent) bezeichnen wir jene, die noch nicht geimpft waren und auf die oben genannte Aussage mit “trifft überhaupt nicht zu” antworteten. Zu beachten ist, dass die Stichprobe sich auf die Wohnbevölkerung ab 14 Jahre bezieht.

[2] Als Personen mit Migrationshintergrund werden statistisch Menschen bezeichnet, deren beide Elternteile im Ausland geboren wurden.