01.09.2021 - PDF

Warum sich manche (noch) nicht impfen lassen: Besorgnis um Nebenwirkungen, mittelmäßige Informiertheit, Zweifel am Nutzen

  • Obwohl mehr als 5 Millionen Österreicher*innen bereits geimpft sind, sind rund 34 Prozent weiterhin besorgt um mögliche Nebenwirkungen der Impfungen. 21 Prozent meinen behördlich zugelassene Impfstoffe wären nicht sicher genug. Ebenso viele wollen sich lieber auf ihr Immunsystem als auf die Impfung verlassen.
  • Dabei fühlen sich viele nicht hinreichend gut (24 Prozent) oder nur teilweise (30 Prozent) über die Wirkweise der Impfstoffe informiert.
  • Beim Nutzen der Impfung steht der Selbstschutz im Vordergrund (65 Prozent). Zudem glauben 51 Prozent an die Möglichkeit zum Fremdschutz. Nur 33 Prozent erwarten, dass die Corona-Schutzimpfung ihnen ein Leben wie vor der Pandemie ermöglicht.
  • Geimpfte und Impfbereite fühlen sich einigermaßen gut informiert, vertrauen auf die Sicherheit der zugelassenen Impfstoffe und glauben sowohl an einen Selbstschutz als auch an Fremdschutz. Im Gegensatz dazu fühlen sich Zögerliche und Nicht-Impfbereite deutlich schlechter Informiert, sind nicht vollständig von der Sicherheit der Impfstoffe überzeugt, und hegen Zweifel an der Schutzwirkung.

Von Julia Partheymüller, Jakob-Moritz Eberl und Katharina T. Paul

Millionen von Österreicher*innen haben sich bereits gegen das Coronavirus impfen lassen.  Inzwischen scheint jedoch das Potential der unmittelbar impfbereiten Personen weitgehend ausgeschöpft zu sein. Die Zahl der Erstimpfungen nahm zuletzt entsprechend immer weiter ab. Im westeuropäischen Vergleich weist Österreich dennoch eine relativ geringe Impfrate aus. Wie von zahlreichen Expert*innen seit längerem empfohlen, wird inzwischen vermehrt auf niederschwellige Impfangebote gesetzt. So wird zum Beispiel in der Bundeshauptstadt mittlerweile schon im Stephansdom und in ausgewählten Supermärkten geimpft. Außerdem hält der sogenannte Impfbus unter anderem gezielt vor Moscheen und Sommerschulen. Angesichts erneut steigender Infektionszahlen, wirft dies die Frage auf, warum sich in Österreich manche Menschen noch nicht haben impfen lassen.

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich daher näher mit den Einstellungen zur Corona-Schutzimpfung. Wir haben bereits in früheren Blog-Beiträgen aufgezeigt, dass die Impfbereitschaft unter anderem mit dem Lebensalter und der wahrgenommenen Gefahr durch das Coronavirus in einem Zusammenhang steht und dass Impfskepsis mit dem Wahlverhalten, Verschwörungsglaube und der Nutzung spezifischer Medienangebote korreliert. In diesem Blog gehen wir verstärkt auf die Motive ein, die manche Personen bisher von einer Impfung abgehalten haben. Wir untersuchen diese Motive im Zeitverlauf und vergleichen die Einstellungen zwischen bereits geimpften, impfbereiten, zögerlichen und nicht-impfbereiten Personen.

Einstellungen zur Corona-Schutzimpfung im Zeitverlauf

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Einstellungen zur Corona-Schutzimpfung im Zeitraum von Mitte Dezember 2020 bis Ende Juni 2021. Dabei sehen wir durchaus ganz unterschiedliche Entwicklungen über Zeit. Wir wissen aus früheren Analysen, dass innerhalb dieses Zeitraums die Impfbereitschaft insgesamt angestiegen ist, aber zuletzt ein Plateau zu erreichen schien. Im Einklang mit der wachsenden Impfbereitschaft, nahm die Besorgnis um unvorhergesehene Nebenwirkungen deutlich ab und Vertrauen in die Sicherheit der zugelassenen Impfstoffe nahm tendenziell zu. Trotz dieser Entwicklungen waren dennoch zuletzt rund 34 Prozent der Befragten weiterhin besorgt aufgrund möglicher unvorhergesehener Nebenwirkungen der Impfungen. 21 Prozent meinten sogar noch im Juni 2021, behördlich zugelassene Impfstoffe seien nicht sicher, und in etwa ebenso viele glauben, sie würden lieber auf ihr eigenes Immunsystem beim Kampf gegen das Coronavirus vertrauen als auf eine Impfung. Teilweise könnten in diesem Zusammenhang subjektive Informationsdefizite eine Rolle spielen. Denn nur 44 Prozent fühlen sich selbst ausreichend über die Wirkweise der Impfstoffe informiert und nur 37 Prozent sind der Meinung, dass Behörden ausreichend informieren würden.

Abbildung 1: Einstellungen zur Corona-Schutzimpfung (Daten: ACPP, Wellen 18, 21, 22, 23, 24, N=ca. 1.500 Befragte pro Erhebung, gewichtet; Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren)

Was den möglichen Nutzen von Impfungen betrifft, stand bisher vor allem der Selbstschutz im Vordergrund. So gaben 65 Prozent der Befragten zuletzt an, dass die Impfung einen Schutz für sich selbst biete. Weniger sicher waren sich die Befragten in Sachen Fremdschutz durch Impfung: Nur rund 51 Prozent waren der Meinung, dass sie mit ihrer Impfung auch andere schützen könnten.[1] Die Vorstellung, dank der Impfung wieder ein Leben wie vor der Pandemie zu führen können, teilten zuletzt nur 35 Prozent. Die Zuversicht hat dabei aber seit Dezember leicht zugenommen.

Am wenigsten bedeutsam waren zuletzt das Abwarten des Verhaltens Anderer sowie mangelnde Zeit im Alltag um zu einer Impfung zu gelangen. Zu Beginn der Impfkampagne verhielten sich einige Personen noch zögerlich, weil sie zunächst abwarten wollten, dass andere sich zuerst impfen lassen. Diesem Motiv des Zögerns kommt inzwischen, wo Millionen von Österreicher*innen geimpft sind, allerdings kaum noch Bedeutung zu. Noch weniger Befragte gaben jeweils an vom stressigen Alltag von der Impfung abgehalten zu werden.

Unterschiede zwischen Geimpften, Impfbereiten, Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten

Im nächsten Schritt vergleichen wir, wie sich die Einstellungen zur Corona-Schutzimpfung zwischen bereits Geimpften, Impfbereiten, Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten unterscheiden.[2] Abbildung 2 zeigt dazu die Verteilungen für die vier Gruppen für den letzten Messzeitpunkt Ende Juni 2021. Es zeigen sich sehr starke Meinungsunterschiede in den vier Gruppen. Während sich beispielsweise nur 17 Prozent der Geimpften um unvorhergesehen Nebenwirkungen sorgen, sind es bei den Nicht-Impfbereiten 85 Prozent. Impfbereite (40 Prozent) und Zögerliche (55 Prozent) liegen zwischen diesen Extremen. Umgekehrt verhält es sich mit dem Vertrauen in die Sicherheit zugelassener Impfstoffe: Unter Geimpften und Impfbereiten sind rund 65 bzw. 50 Prozent der Meinung, die zugelassenen Impfstoffe seien sicher. Im Gegensatz dazu sind es nur 13 Prozent bei den Zögerlichen und 3 Prozent bei den Nicht-Impfbereiten. Auffällig ist, dass allerdings nur bei den Nicht-Impfbereiten eine große Mehrheit (81 Prozent) es vorzieht, sich statt auf eine Impfung auf das eigene Immunsystem zu verlassen. Unter Zögerlichen sind dies nur 29 Prozent.

Dabei fühlen sich nur 21 Prozent der Zögerlichen und 19 Prozent der Nicht-Impfbereiten hinreichend gut über die Impfung informiert. Bei Geimpften (55 Prozent) und Impfbereiten (40 Prozent) fallen diese Werte höher aus, aber auch in diesen Gruppen finden sich viele, die sich nur teilweise informiert fühlen. Gerade Zögerliche (36 Prozent) und Nicht-Impfbereite (81 Prozent) sind dabei besonders häufig der Ansicht, dass die Behörden nicht genug tun, um über die Wirkungsweise der Impfstoffe aufzuklären.

Beim möglichen Nutzen von Impfungen unterscheiden sich die Ansichten auch sehr deutlich. Während eine Mehrheit der Geimpften (83 Prozent) und Impfbereiten (78 Prozent) davon ausgeht, dass sie sich selbst mit der Impfung schützen können, glauben dies nur, 35 Prozent der Zögerlichen und 9 Prozent der Nicht-Impfbereiten. Beim Fremdschutz liegt das Niveau etwas niedriger, aber es zeigt sich ein ähnliches Muster: Die Mehrheit der Geimpften (67 Prozent) und Impfbereiten (57 Prozent) geht davon aus, dass die Impfung auch hilft, andere zu schützen. Bei Zögerlichen (23 Prozent) und Nicht-Impfbereiten (2 Prozent) ist nur eine Minderheit dieser Überzeugung. Ein Leben wie vor der Pandemie dank Impfung hält auch unter Geimpften (46 Prozent) und Impfbereiten (39 Prozent) jeweils nur eine Minderheit für möglich. Unter Zögerlichen (18 Prozent) und Nicht-Impfbereiten (2 Prozent) sind dies noch weniger.

Abbildung 2: Einstellungen zur Corona-Schutzimpfung (Daten: ACPP, Welle 24, Befragungszeitraum: 25.6.-2.7.2021 N=1.503, gewichtet; Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren)

Weniger dramatische Unterschiede zeigen sich in Hinblick auf das Abwarten des Verhaltens anderer und den Alltagsstress. Bemerkenswert scheint hier vor allem der Unterschied zwischen Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten. So scheinen doch einige der Zögerlichen eher oder zumindest teilweise noch darauf zu warten, ob sich andere Personen impfen lassen werden, während das Verhalten anderer für die Nicht-Impfbereiten kaum eine Rolle spielt. An Zeit für eine Impfung mangelt es kaum jemanden; am ehesten trifft dies aber auf die Zögerlichen zu (11 Prozent).

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass in Teilen der Bevölkerung eine Besorgnis im Hinblick auf die Sicherheit der Impfung sowie ein nur mittelmäßiger subjektiver Informiertheitsgrad zur Wirkweise der Impfstoffe besteht. Beim Nutzen der Impfungen scheint als Motiv bislang vor allem der Selbstschutz im Vordergrund zu stehen. Ob ein Fremdschutz oder sogar ein Leben wie vor der Pandemie durch die Impfung ermöglicht wird, ist demgegenüber mit größerer Unsicherheit behaftet und wird seltener erwartet. Eine untergeordnete Rolle spielen die Ausrichtung des eigenen Verhaltens am Verhalten anderer sowie der zeitliche Aufwand der Impfung.

Dabei bestehen zum Teil enorm große Unterschiede zwischen Geimpften, Impfbereiten, Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten. Geimpfte und Impfbereite fühlen sich zumindest einigermaßen gut informiert, vertrauen überwiegend auf die Sicherheit der zugelassenen Impfstoffe und glauben sowohl an einen Selbstschutz und Fremdschutz. Im Gegensatz dazu fühlen sich Zögerliche und Nicht-Impfbereite deutlich schlechter Informiert, sind nicht vollständig von der Sicherheit der Impfstoffe überzeugt, und hegen Zweifel an ihrer Schutzwirkung. Zögerliche und Nicht-Impfbereite unterscheiden sich dabei aber deutlich im Hinblick darauf, inwiefern sie lieber auf ihr Immunsystem statt auf eine Impfung vertrauen möchten. Dies ist nur bei den Nicht-Impfbereiten überwiegend der Fall. Zögerliche könnten sich durchaus noch für eine Impfung entscheiden, haben dies aber vermutlich unter anderem aus Mangel an Informationen, Verunsicherung in Hinblick auf Nebenwirkungen sowie unklarem Nutzen der Impfung bisher noch nicht getan.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich als Empfehlung vor allem gezielt für die Gruppe der Zögerlichen mehr Aufklärung in Sachen Sicherheit, Wirkweise und Nutzen der Impfungen zu leisten. Eine Herausforderung dabei könnte jedoch sein, diese Personen mit den relevanten Informationen über jene Quellen zu erreichen, die sie nutzen und denen sie vertrauen.

Anhang

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und ist Mitglied des Vienna Center for Electoral Research (VieCER). Sie ist Teil des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES) sowie des Austrian Corona Panel Projects (ACPP). Sie forscht zur Dynamik der öffentlichen Meinung, Einstellungen und politischem Verhalten.

Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.

Katharina T. Paul ist seit 2013 senior research fellow (Post-Doc) und Lektorin am Institut für Politikwissenschaft und seit 2019 Mitglied der Forschungsgruppe Zeitgenössische Solidaritätsstudien (CeSCoS). In ihrem FWF Elise Richter Projekt forscht sie zu vergleichender Gesundheitspolitik, insbesondere Impfpolitik.

Fußnoten

[1] Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Datenlage zu diesem Thema lange noch unklar war. Mittlerweile steht aber weitgehend fest, dass Geimpfte (1) aufgrund einer geringeren eigenen Ansteckungswahrscheinlichkeit, (2) durch eine schneller abfallende Viruslast und (3) durch ein weniger ansteckendes Virusmaterial seltener andere Personen anstecken. 

[2] Die Einteilung in die vier Gruppen erfolgte auf Basis der Angaben zum Impfstatus (min. 1 Dosis erhalten) und zur Impfbereitschaft. Die Impfbereitschaft wurde dabei mit der Zustimmung zu der Aussage “Ich werde mich ehestmöglich impfen lassen” auf einer 5er-Skala (“trifft voll und ganz zu”, “trifft eher zu”, “teils-teils”, “trifft eher nicht zu”, “trifft überhaupt nicht zu”) gemessen (mit den Ausweichkategorien “weiß nicht” und “keine Angabe”). Zur Gruppe der Geimpften (65 Prozent) zählen alle, die bereits mindestens eine Erstimpfung erhalten haben. Als Impfereite (6 Prozent) wurden jene zusammengefasst, die noch nicht geimpft waren, aber angaben sich ehestmöglich impfen lassen zu wollen (trifft voll und ganz zu, trifft eher zu). Zur Gruppe der Zögerlichen (14 Prozent) gehören jene, die noch nicht geimpft waren und die Kategorien “teils-teils”, “eher nicht”, “weiß nicht” oder “keine Angabe” auswählten. Als Nicht-Impfbereite (15 Prozent) bezeichnen wir jene, die noch nicht geimpft waren und auf die oben genannte Aussage mit “trifft überhaupt nicht zu” antworteten. Zu beachten ist, dass die Stichprobe sich auf die Wohnbevölkerung ab 14 Jahre bezieht.