15.04.2020

Die meisten nehmen die Lage ernst. Aber wer sind die Corona-Skeptiker?

  • Die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Österreich nimmt die Corona-Krise ernst.
  • Auch unter jenen, die nicht glauben, dass die Lage sehr ernst ist, sind einige dennoch gewillt ihr Verhalten anzupassen.
  • Im Schnitt sind Männer – und dabei vor allem jene zwischen 20 und 29 Jahren – skeptischer als Frauen.
  • Den geringsten Corona-Skeptizismus finden wir (sowohl unter den Männern als auch unter den Frauen) bei Angehörigen der Risikogruppe 65+.

Von Jakob-Moritz Eberl, Noelle Lebernegg, Julia Partheymüller und Sylvia Kritzinger

Die meisten Expert*innen sind sich einig: Das Leben der Österreicher*innen wird erst dann wieder zu einer Form von Normalität zurückkehren können, wenn sich alle an der Eindämmung des Virus beteiligen. In jeder Krise gibt es allerdings auch Menschen, die die Lage nicht so ernst nehmen. Die Skepsis mancher kann auch zu Konflikten innerhalb der Bevölkerung führen – etwa wenn im öffentlichen Raum Abstandsregelung nicht eingehalten werden. Obwohl ein gewisses Maß an Skepsis von kritischem Geist zeugen kann und daher per se nicht negativ bewertet werden muss, kann zu große Sorglosigkeit die Ausbreitung des Virus beschleunigen. 

Aus diesem Grund haben wir uns mit der Frage nach Corona-Skeptizismus in Zeiten der Krise auseinandergesetzt und versucht, besonders kritische Gruppen zu identifizieren. Wir haben uns angesehen, ob es Unterschiede zwischen den verschiedenen Risikogruppen gibt. Neben höherem Alter, das als typischer Risikofaktor für schwere Verläufe gilt, scheinen auch Männer ein höheres Risiko zu tragen als Frauen: die Sterberate männlicher Erkrankter liegt trotz ähnlicher Infektionsraten deutlich über der von weiblichen. In diesem Blog gehen wir daher der Frage nach, ob und wie sich Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts in ihrer Einschätzung der Ernsthaftigkeit der Krise unterscheiden.

Wenige sind skeptisch, doch manche sind skeptischer als andere

Wir definieren Corona spezifischen Skeptizismus als mangelndes Bewusstsein über die Ernsthaftigkeit der Lage, sowie die Ablehnung der Anpassung an neue Verhaltensweisen zur Eindämmung der Virusverbreitung. Zu diesem Zweck haben wir in einem Teil unserer Befragung die Zustimmung zu vier Aussagen abgefragt. Je mehr die Befragten diesen Aussagen zustimmen (d. h., “trifft voll und ganz zu” oder “trifft eher zu”), desto skeptischer sind sie gegenüber der Corona-Krise und ihren Auswirkungen. 

Dabei zeigt sich, dass nur eine Minderheit der österreichischen Bevölkerung Corona-skeptische Tendenzen aufweist (siehe Abbildung 1). 29% finden, es gäbe Wichtigeres im Leben als die Corona-Krise, und 28% halten viele Behauptungen über die Krise für übertrieben. Bei dieser zweiten Aussage ist auch der Anteil an Unentschlossenen (also jene die die Antwortkategorie “teils-teils” gewählt haben) mit einem Drittel auffällig groß. Ein deutlicheres Muster zeigt sich bei der Bereitschaft zur Einschränkung des eigenen Verhaltens: Lediglich 6% sind nicht bereit ihre Lebensweise zur Eindämmung des Virus einzuschränken oder sind der Ansicht, sie müssten ihr Verhalten nicht ändern, solange andere das nicht ebenso tun.

Abbildung 1: Zustimmung zu Corona-skeptischen Aussagen (Anmerkungen: Feldzeit: 27.-30. März 2020, N=1.541 befragte Personen (ab 14 Jahre), Daten repräsentativ für die österreichische Wohnbevölkerung gewichtet.)

In einem zweiten Schritt haben wir die Antworten zu diesen unterschiedlichen Aussagen zu einem Index kombiniert, wobei 0 für “gar nicht skeptisch” und 100 für “sehr skeptisch” steht. Im Durchschnitt liegen unsere Befragten in diesem Index bei 33 - also eher wenig skeptisch. In Abbildung 2 sehen wir nun die Abweichung einzelner Bevölkerungsgruppen (insb. nach Geschlecht und Alter) von diesem Mittelwert. Generell zeigt sich, dass die Corona-Skepsis mit steigendem Alter abnimmt, wobei Frauen aller Altersgruppen in der Regel weniger Corona-Skeptizismus an den Tag legen als Männer. In anderen Worten, obwohl Männer eher zur Risikogruppe gehören legen sie mehr Corona-Skeptizismus an den Tag, während Frauen hier ein stärkeres Bewusstsein entwickelt haben. Besonders auffällig sind dabei männliche Befragte zwischen 20 und 29 Jahren. Sie sind um ca. 11 Indexpunkte skeptischer als der Durchschnitt der Befragten und um insgesamt 20 Indexpunkte skeptischer als Frauen über 65.

Abbildung 2: Corona-Skeptizismus-Index nach Geschlecht und Altersgruppe (Anmerkungen: Feldzeit: 27.-30. März 2020, N=1.541 befragte Personen (ab 14 Jahre), Daten repräsentativ für die österreichische Wohnbevölkerung gewichtet. Der Index basiert auf den Antworten in Abbildung 1 (0 = gar nicht skeptisch, 100 = sehr skeptisch). Abgebildet ist die Abweichung vom Mittelwert dieses Indexes über alle Befragten.)

Mehr Überzeugungsarbeit notwendig?

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass insgesamt nur wenige Österreicher*innen die Lage als nicht besonders ernst sehen. Selbst unter diesen sind viele gewillt dennoch die notwendigen Verhaltensänderungen in Kauf zu nehmen. Kurzum, die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Österreich nimmt die Corona-Krise sehr ernst.

Dennoch lassen sich feine Unterschiede identifizieren. So sind z. B. Männer in der Tendenz skeptischer als Frauen. Besonders skeptisch sind Männern zwischen 20 und 29 Jahren. Sollte dieser Skeptizismus sie dazu bringen sich nicht an verpflichtende Maßnahmen zu halten, könnte dies nicht nur eine gesundheitliche Gefahr für die Betroffenen selbst darstellen, sondern kann dies auch zu einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung werden.

Die (politische) Krisenkommunikation sollte daher spezifisch an bestimmte Subgruppen angepasst werden. Gleichzeitig gilt es, die weiteren Entwicklungen genau zu beobachten (siehe dazu eine Studie aus Deutschland). Sowohl eine Ausweitung als auch eine Lockerung der Maßnahmen könnte dazu führen, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippt; dabei in manchen Bevölkerungsgruppen womöglich schneller als in anderen.

Technischer Anhang


Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.

Noelle S. Lebernegg ist Universitätsassistentin (Prae-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie assoziierte Wissenschafterin im Vienna Center For Electoral Research (VieCER). Sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen politischer Kommunikation und Medien auf die öffentliche Meinung und Wahlverhalten.

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.

Sylvia Kritzinger ist Professorin für Methoden in den Sozialwissenschaften am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien, eine der Projektleiter*innen der Austrian National Election Study (AUTNES) und stellvertretende Leiterin des Vienna Center for Electoral Research (VieCER).