31.05.2021 - PDF
Impfbereitschaft: Folgen auf Worte auch Taten?
- Angekündigte Impfbereitschaft wirkt sich stark auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Coronavirus-Schutzimpfung aus.
- Selbst objektive Risikofaktoren wie Alter und Vorerkrankungen führen bei Personen mit niedriger Impfbereitschaft nicht zu höheren Impfquoten.
- Die derzeitige Impfkampagne, die auf die Angebotsseite fokussiert, erreicht daher Personen mit niedriger Impfbereitschaft nicht ausreichend.
- Eine effektive Impfkampagne müsste um langfristige Strategien erweitert werden, die auch die Nachfrage unter schwer erreichbaren Personen stimuliert.
Von Laurenz Ennser-Jedenastik, Katharina T. Paul und Jakob-Moritz Eberl
Die Meinungen der österreichischen Bevölkerung zur Coronavirus-Schutzimpfung gehen auseinander. Wiewohl die allgemeine Impfbereitschaft jüngst wieder zugenommen hat, bleibt ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung in Umfragen skeptisch bis ablehnend gegenüber einer Impfung. Dabei gilt es aber zu bedenken, dass für die Entwicklung der Pandemie in Österreich letztlich nicht die Einstellung zur Impfung, sondern ihre tatsächliche Inanspruchnahme entscheidend ist. Einerseits mögen sich manche in Umfragen und Gesprächen impfbereit zeigen, sind dann aber in der Praxis eher zurückhaltend. Andererseits führen Informationskampagnen, sozialer Druck und Vorbildwirkung im sozialen Umfeld vielleicht dazu, dass so manche Skeptiker*innen sich trotz Vorbehalten impfen lassen, wenn sie die Möglichkeit bekommen. Nur wenn Impfskepsis auch dazu führt, dass sich Menschen tatsächlich nicht impfen lassen, wird sie zum Problem bei der Pandemiebekämpfung.
Im Rahmen des Austrian Corona Panel Projects haben wir nicht nur die Haltung der österreichischen Bevölkerung gegenüber der Coronavirus-Schutzimpfung ermittelt, wir haben auch nachgefragt, ob jemand schon die erste oder sogar zweite Teilimpfung bekommen hat. In diesem Blog möchten wir uns nun ansehen, wie eng Einstellung und Praxis beim Thema Corona-Schutzimpfung beieinander liegen. Das heißt, wir wollen wissen wie Impfbereitschaft und tatsächliche Impfung zusammenhängen.
Impfbereitschaft: Auf Worte folgen Taten
Wir vergleichen die geäußerte Impfbereitschaft der Befragten in der Jänner-Welle des Corona-Panels mit dem von denselben Befragten im April berichteten Impfstatus. Eine hohe Korrelation zwischen Impfskepsis und Impfbereitschaft würde darauf hindeuten, dass auf Worte auch Taten folgen.
Im April gaben 22% unserer Befragten an mindestens eine Teilimpfung bekommen zu haben. Abbildung 1 zeigt nun, dass die tatsächliche Inanspruchnahme der Impfung stark mit der zuvor geäußerten Impfbereitschaft korreliert. Unter den Befragten, die im Jänner eine hohe Impfbereitschaft vermeldeten (“trifft voll und ganz zu”) betrug die Impfquote im April satte 41%. Das sind 19 Prozentpunkte mehr als der Durchschnitt. Von jenen, die im Jänner noch eher oder sehr skeptisch waren (“trifft eher nicht zu” oder “trifft gar nicht zu”) gaben im April gerade einmal sechs bzw. fünf Prozent an, zumindest eine Impfung bekommen hatten. Die in Umfragen geäußerte Impfbereitschaft bzw. -skepsis schlägt sich also auch im tatsächlichen Verhalten nieder.
Dieser Zusammenhang zwischen Impfbereitschaft und Inanspruchnahme der Impfung bleibt in ähnlicher Stärke aufrecht, wenn wir das Alter der Befragten mitberücksichtigen.
Skepsis schlägt objektive Risikofaktoren
Impfskepsis wäre bei besonders vulnerablen Gruppen (v.a. ältere Menschen und Risikogruppen) besonders ernst zu nehmen, wenn sie sich dadurch von der Inanspruchnahme der Corona-Schutzimpfung abhalten ließen. Unsere Daten zeigen, dass genau das der Fall ist. Prinzipiell sollten zum Befragungszeitpunkt (April 2021) aufgrund der in allen Bundesländern vorgenommenen Prioritätensetzung besonders ältere Menschen und jene mit relevanten Vorerkrankungen unter den bereits Geimpften überrepräsentiert sein. Das ist auch der Fall - allerdings nur in der Gruppe der Impfbereiten.
Abbildung 2 zeigt, dass bei Befragten mit hoher Impfbereitschaft (Antwort “trifft voll und ganz zu” oder “trifft eher zu” im Jänner 2021) die Impfquote mit dem Alter stark ansteigt. Impfbereite 16- bis 29-Jährige etwa sind zu 13% geimpft, unter impfbereiten Personen ab 50 steigt die Quote auf 49%. So würde man es gemäß Impfplan auch erwarten. Für die impfskeptische Gruppe (“trifft eher nicht zu” bzw. “trifft gar nicht zu”) gibt es praktisch kein Altersgefälle bei der Impfquote. Impfskeptische 16- bis 29-Jährige weisen in der Befragung eine Impfquote von zehn Prozent auf, bei impfskeptischen Befragten ab 50 sind es gar nur fünf Prozent. Anders gesagt: Selbst das objektiv stark erhöhte Gefährdungsrisiko für ältere Menschen überwindet die Impfskepsis nicht.
Ähnliches gilt für den Faktor Vorerkrankung (Abbildung 3). Dafür haben wir die Teilnehmer*innen unserer Umfrage dazu befragt, ob sie an einer oder mehreren der folgenden Vorerkrankungen leiden: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Hepatitis B, chronische obstruktive Lungenerkrankung, chronisches Nierenversagen, Krebs. Unter den Personen mit hoher Impfbereitschaft haben jene mit Vorerkrankung eine deutlich höhere Impfquote (53% gegenüber 33%). Bei Personen mit niedriger Impfbereitschaft erhöht auch der Risikofaktor Vorerkrankung die Impfquote nicht (stabil bei drei bis vier Prozent).
Fazit
Grundsätzlich zeigen unsere Daten, dass die abgefragte Impfbereitschaft sehr wohl in engem Zusammenhang mit der späteren Impfentscheidung steht. Doch unsere Studie deutet auch an, dass objektive Risiken (z.B. Alter und erschwerte Krankheitsverläufe) nicht ausreichend motivieren, um das Impfangebot in Anspruch zu nehmen. Denn jene, die einer Coronavirus-Schutzimpfung bereits zu Beginn der Impfkampagne kritisch oder gar ablehnend gegenüber standen, haben von bestehenden Angeboten bisher keinen Gebrauch gemacht. Das derzeitige systematische Angebot alleine löst bei Personen mit niedriger Impfbereitschaft also keine zusätzliche Nachfrage aus.
Politisch gesehen bedeutet dies, dass Priorisierung nach epidemiologischen Kriterien nicht für sich alleine stehen kann und von effektiven Kommunikationsmaßnahmen und langfristigen Strategien begleitet sein muss, die nicht nur Angebote schaffen, sondern auch Nachfrage stimulieren.
Laurenz Ennser-Jedenastik ist Assistenzprofessor am Institut für Staatswissenschaft und forscht und lehrt dort zu Sozialpolitik, politischen Eliten, Parteien und österreichischer Politik.
Katharina T. Paul ist seit 2013 Senior Research Fellow (Post-Doc) und Lektorin am Institut für Politikwissenschaft und seit 2019 Mitglied der Forschungsgruppe Zeitgenössische Solidaritätsstudien (CeSCoS). In ihrem FWF Elise Richter Projekt forscht sie zu vergleichender Gesundheitspolitik, insbesondere Impfpolitik.
Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.
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