08.04.2021 - PDF

Zum Rückhalt der Corona-Demonstrationen in der österreichischen Bevölkerung

  • Lediglich eine Minderheit (15%) der österreichischen Bevölkerung unterstützt die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Noch weniger würden selbst an einer solchen teilnehmen (11%) – schon gar nicht, sollte sie nicht genehmigt sein (8%).
  • Abgesehen davon, dass sie die Corona-Maßnahmen eher als ungerecht wahrnehmen, zeichnen sich die Unterstützer*innen dieser Demonstrationen vor allem durch einen ausgeprägteren Verschwörungsglauben, das Coronavirus verharmlosende Ansichten sowie eine geringere Test- und Impfbereitschaft aus.
  • Obgleich 38% der Demo-Unterstützer*innen eine “große” bzw. “sehr große” persönliche wirtschaftliche Gefahr durch die Pandemie wahrnehmen, spielt diese im Vergleich mit den anderen Aspekten nur eine untergeordnete Rolle.

Von Jakob-Moritz Eberl und Noelle S. Lebernegg

Am 24. April 2020 fand die erste Demonstration gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus statt, schon damals mischten sich Rechtsextremist*innen und Verschwörungstheoretiker*innen unter die Teilnehmer*innen der polizeilich untersagten Kundgebung. Elf Monate später, am 20. März, sprach die Wiener Polizei bei mehreren Demonstrationen etwa 1.600 verwaltungsrechtliche und 20 strafrechtliche Anzeigen aus und nahm 11 Personen fest. Die Demonstrationen gegen die Maßnahmen waren innerhalb der letzten Monate deutlich größer, aber auch aggressiver geworden. Rückendeckung bekamen die Demonstrant*innen mittlerweile auch von FPÖ-Klubchef Herbert Kickl, der bei einer angemeldeten Veranstaltung Anfang März auch eine Rede hielt.

Oft wird bei eben diesen Demonstrationen auch der Spruch “Wir sind das Volk” skandiert, doch wie viel Rückhalt haben die Demonstrationen eigentlich in der Bevölkerung? Und was treibt die Menschen an, die nicht nur mitten in einer Pandemie gegen Maßnahmen zur Virus-Eindämmung auf die Straße gehen, sondern zudem damit möglicherweise sogar zur Verbreitung des Virus beitragen? Im Rahmen des Austrian Corona Panel Projects haben wir die Teilnehmer*innen der Umfrage zu ihrer Meinung über diese Demonstrationen befragt. Insbesondere untersucht dieser Blog den gesellschaftlichen Rückhalt, den diese Demonstrationen haben. Er vergleicht daher Personen, die diese Demonstrationen tendenziell befürworten mit jenen, die sie ablehnen, anhand ihrer Wahrnehmung der Corona-Maßnahmen, ihrer persönlichen wirtschaftlichen Gefahrenwahrnehmung, ihres Glaubens an Verschwörungstheorien, ihrer Einschätzung zur Gefährlichkeit des Coronavirus und ihrer Test- sowie Impfbereitschaft.

Wenig gesellschaftlicher Rückhalt für die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen

Abbildung 1 zeigt die Zustimmungswerte zu vier Aussagen über die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen im Februar 2021. Bei der Frage, ob Demonstrationen gegen Maßnahmen unter den derzeitigen Umständen erlaubt sein sollten, ist die Bevölkerung gespaltener Meinung. Nur 40% der Befragten stimmen dieser Aussage zu. Weitere 24% antworten mit “teils-teils”. Dem stehen 34% gegenüber, die Demonstrationen gegen die Maßnahmen eher untersagen würden.

Erlauben bedeutet allerdings nicht automatisch auch befürworten, denn mit nur 15% sind jene Personen, die auf die Aussage “Ich unterstütze die Demonstrationen gegen die Maßnahmen” mit “trifft voll und ganz” oder “trifft eher zu” geantwortet haben, deutlich in der Minderheit. Eine überwältigende Mehrheit von 68% der Befragten unterstützt die Demonstrationen hingegen “eher nicht” oder “gar nicht”. Nur 11% geben außerdem an, dass sie an einer solchen Demonstration auch selbst teilnehmen würden, und 8% würden dies auch tun, wenn es sich um eine nicht genehmigte Demonstration handelt.

Abbildung 1: Zustimmung zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen (Daten: ACPP, Welle 20 (12.-19. Februar 2021), N = 1.574, gewichtet)

Die Antworten zur Aussage “Ich unterstütze Demonstrationen gegen die Maßnahmen”, dienen als Basis für die weiteren Analysen. Für eine bessere Darstellung haben wir im weiteren Verlauf jene Personen, die auf diese Aussage “trifft eher zu” oder “trifft voll und ganz zu” geantwortet haben, zusammengefasst. Sie werden ab jetzt als “Demo-Unterstützer*innen” bezeichnet. Dasselbe haben wir mit Personen gemacht, die mit “trifft eher nicht zu” oder “trifft gar nicht zu” geantwortet haben.

Demo-Unterstützer*innen fühlen sich durch ungerechte Maßnahmen wirtschaftlich bedroht

Die Bezeichnung der Demonstrationen lässt schon erahnen, dass es dabei (zumindest vordergründig) um eine Beendigung der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus geht. Unter anderem stehen dabei befürchtete Folgen für die Wirtschaft im Mittelpunkt. Das zeigt sich auch in unseren Daten. Abbildung 2 vergleicht nun die Unterstützung der Demonstrationen mit der individuellen Wahrnehmung der Maßnahmen sowie mit jener der persönlichen wirtschaftlichen Gefahr. 72% der Demo-Unterstützer*innen nehmen die Corona-Maßnahmen als “eher nicht” oder “gar nicht” gerecht war. Bei jenen, die die Demos nicht unterstützen sind dies nur 12%. Umgekehrt finden nur 10% der Demo-Unterstützer*innen, dass die Maßnahmen gerecht sind. Bei jenen, die die Demos ablehnen, sind es 58%. Außerdem sehen wir, dass sich unter den Demo-Unterstützer*innen mit 38% ein größerer Anteil der Befragten durch die Pandemie wirtschaftlich bedroht fühlt, als dies in der Gruppe der Demo-Kritiker*innen der Fall ist (23%).    

Abbildung 2: Zustimmung zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen und Wahrnehmung der Maßnahmen sowie persönliche wirtschaftliche Gefahr (Daten: ACPP, Welle 20 (12.-19. Februar 2021), N = 1.574, gewichtet)

Demo-Unterstützer*innen tendieren zu Verschwörungstheorien und Verharmlosung

Gleichzeitig sind die Demonstrant*innen in der Vergangenheit auch durch einen besonderen Hang zu Verschwörungstheorien aufgefallen. Unter anderem wurden die internationalen Bemühungen der Pandemiebekämpfung mit einer “globalen Weltverschwörung” gleichgesetzt. Auch diese Parallelen finden wir in unseren Daten wieder. Abbildung 3 ist zu entnehmen, dass sich 39% der Demo-Unterstützer*innen “eher sicher” oder “sehr sicher” sind, dass Bill Gates die Menschheit “zwangsimpfen” wolle, um viel Geld zu verdienen. Weitere 22% sind “unsicher”, ob diese Aussage nicht doch richtig sein könnte. Bei jenen Befragten, die die Demos gegen die Maßnahmen eher ablehnen, ist der Anteil an Personen, die diese Aussage als richtig einschätzt, mit nur 5% deutlich kleiner.

Obgleich das Coronavirus in vielerlei Hinsicht gefährlicher ist als die normale Grippe, verharmlosen viele Demo-Unterstützer*innen außerdem das Coronavirus. Genau genommen lehnen 45% der Demo-Unterstützer*innen die Aussage ab, dass das Coronavirus gefährlicher sei als die normale Grippe (“trifft eher nicht zu” oder “trifft gar nicht zu”). Bei jenen, die die Demos nicht unterstützen, entspricht dieser Anteil einer deutlichen Minderheit von nur 8%.  

Abbildung 3: Zustimmung zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen und Verschwörungsglaube (Daten: ACPP, Welle 20 (12.-19. Februar 2021) und Welle 21 (12.-19. März 2021), N = 1.275) sowie Virusverharmlosung (Daten: ACPP, Welle 20 (12.-19. Februar 2021), N = 1.574, gewichtet)

Demo-Unterstützer*innen zeigen weder Test- noch Impfbereitschaft

Tests und Impfungen bringen Freiheit wieder”, erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz im Dezember 2020 und zeichnete dabei einen Weg aus der Pandemie mit all ihren gesundheitlichen und wirtschaftlichen Bedrohungen. Doch trotz der Unzufriedenheit mit den Corona-Maßnahmen zeigen sich die Demo-Unterstützer*innen wenig kooperativ, wenn es darum geht, den Weg aus der Krise zu ebnen. Abbildung 4 zeigt nun die Testbereitschaft und Impfskepsis der Demo-Unterstützer*innen im Vergleich. 53% der Demo-Unterstützer*innen haben sich innerhalb der letzten 4 Wochen kein einziges Mal testen lassen. Bei jenen, die die Demos nicht unterstützen, ist dieser Anteil mit 26% gerade einmal halb so groß. Noch deutlicher ist das Bild allerdings bei der Impfbereitschaft. Lediglich 16% der Demo-Unterstützer*innen beantworten die Aussage “Ich werde mich ehestmöglich impfen lassen” mit “trifft eher zu” oder “trifft voll und ganz zu”. Bei jenen, die die Demos eher ablehnen ist die Impfbereitschaft mit 62% fast viermal so hoch.     

Abbildung 4: Zustimmung zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen und Test- sowie Impfbereitschaft (Daten: ACPP, Welle 20 (12.-19. Februar 2021) und Welle 21 (12.-19. März 2021), N = 1.185 – 1.275)

Fazit: Eine Herausforderung

Obwohl die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen im Laufe des vergangenen Jahres an Boden gewinnen konnten, steht ihnen ein Großteil der österreichischen Bevölkerung weiterhin skeptisch gegenüber. Dies mag unter anderem damit zu tun haben, dass sich die Unterstützer*innen dieser Demonstrationen, abgesehen von ihrer Unzufriedenheit mit den Maßnahmen, vor allem durch einen ausgeprägteren Glauben an Verschwörungstheorien, Virus verharmlosende Tendenzen und eine geringere Test- sowie Impfbereitschaft auszeichnen. Tatsächlich spielt die wahrgenommene persönliche wirtschaftliche Gefahr in der Unterscheidung zwischen Demo-Unterstützer*innen und Demo-Kritiker*innen nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.

Das stellt auch die Politik vor Herausforderungen, denn der wahrgenommenen wirtschaftlichen Gefahr kann zum Beispiel durch die Zusage und vor allem auch Auszahlung der Corona-Finanzhilfen entgegengewirkt werden. Wer allerdings nach über einem Jahr Pandemie noch immer an Weltverschwörungen glaubt und sich dem Corona-Skeptizismus verschreibt, wird schwieriger abzuholen sein. Mit Blick auf die Test- und Impfbereitschaft wird der Weg aus der Krise nicht gemeinsam mit diesen Menschen zu beschreiten sein, aber trotz ihnen.


Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.

 

Noelle S. Lebernegg ist Universitätsassistentin (Prae-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie assoziierte Wissenschafterin im Vienna Center For Electoral Research (VieCER). Sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen politischer Kommunikation und Medien auf die öffentliche Meinung und Wahlverhalten.


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