12.04.2020

Stadtbewohner*innen in kleinen Wohnungen fehlt Zugang zu privaten Freiflächen besonders häufig

  • Freiflächen bieten unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Sie sind multifunktional und eignen sich für unterschiedliche Freizeitaktivitäten.
  • 88% der Befragten verfügen über zumindest eine private Freifläche, das sind Balkon oder Garten. 12% verfügen jedoch weder über einen Garten noch einen Balkon.
  • Private Freiflächen fehlen bei kleinen Wohnungen. Daher sind Ein-Personen-Haushalte, Haushalte mit geringem Einkommen und Haushalte in Städten häufiger davon betroffen.

Fehlende private Freiflächen

Freiflächen – öffentliche oder private – bieten unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Sie können für unterschiedliche Tätigkeiten, wie Spielen, Sport, Arbeiten, Ausruhen usw., verwendet werden. Zugleich bieten sie die Möglichkeit, sich einfach im Freien aufzuhalten, die Sonne zu genießen und Vitamin D zu tanken. Sind öffentliche Freiflächen wie derzeit aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nur begrenzt nutzbar, gewinnen private Freiflächen besonders an Bedeutung. Von den befragten Personen der Corona-Panelumfrage gaben 33% an, über einen Garten zu verfügen, 32% haben einen Balkon und 23% können sowohl über einen Balkon als auch einen Garten verfügen, wobei unsere Daten keine Auskunft darüber geben, wie groß diese privaten Freiflächen sind. Immerhin 12% der Befragten haben jedoch weder einen Balkon noch einen Garten, den sie als private Freifläche benutzen könnten (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Verfügbarkeit von privaten Freiflächen (Quelle: Austrian Corona Panel Data, Welle 1, gewichtete Daten, n=1.528)

Verbindet man die Information bezüglich privaten Freiflächen mit der zur Verfügung stehenden Wohnfläche ist ersichtlich, dass kleinere Wohnungen seltener einen Balkon haben. Auch ein Garten ist im Regelfall nicht vorhanden. Abbildung 2 zeigt die Verteilung im Detail. Der Anteil der Wohnungen ohne private Freifläche beträgt bei Wohnungen mit weniger als 35 m2 48%. Je mehr Wohnfläche zur Verfügung steht, desto häufiger kann man auf private Freiflächen zurückgreifen. Während bei Wohnungen zwischen 35 und 60 m2 noch 33% keine private Freifläche besitzen, sind es bei Wohnungen zwischen 70 und 90 m2 schon nur mehr 12%. Bei einer Wohnfläche von 110 m2 und mehr sinkt der Anteil ohne Zugang zu privaten Freiflächen schließlich auf 1% (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Fehlende private Freifläche in Abhängigkeit von der Wohnungsfläche (Quelle: Austrian Corona Panel Data, Welle 1, gewichtete Daten, n=1.518)

Welche Schlüsse können nun aus diesen Daten gezogen werden? Zunächst gibt es v.a. in Städten aufgrund von unterschiedlichen Wohnbedürfnissen und des verdichteten mehrgeschossigen Wohnbaus einen größeren Anteil an kleineren Wohnungen. In diesen leben häufiger Haushalte mit weniger Mitgliedern und/oder mit geringem Einkommen (siehe Statistik Austria Tabelle 24 in Kapitel 2: EU-SILC). Daher sind fehlende private Freiflächen häufiger in Städten, bei Ein-Personen-Haushalten und in Haushalten mit geringerem Haushaltseinkommen anzutreffen:

  • 27 % der Befragten, die in Wien leben, haben keine private Freifläche. Es ist zu vermuten, dass in den anderen größeren Städten Österreichs, wie Graz, Linz, Innsbruck und Salzburg, ein ähnlicher Wert bezüglich des Nicht-Zugangs zu privaten Freiflächen vorliegt.
  • 23% der Befragten mit einem monatlichen Netto-Haushaltseinkommen unter € 1.500,-- leben in einer Wohnung ohne private Freifläche (Einkommenswerte vor der Corona-Krise).
  • 22% der Befragten, die alleine in einem Haushalt leben, verfügen über keine private Freifläche.

Als interessant gilt es hervorzuheben, dass keine Unterschiede nach Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund bestehen. Die alleinstehende ältere Frau mit geringem Haushaltseinkommen ist also nicht häufiger von einer fehlenden privaten Freifläche betroffen als ein jüngerer Mann mit ebenfalls geringerem Haushaltseinkommen. Personen mit Migrationshintergrund sind nur insofern wie andere Personen von fehlender privater Freifläche betroffen, wenn sie beispielsweise in Wien leben und/oder ein geringes Haushaltseinkommen haben. Sie leben aber öfters in beengten Wohnverhältnissen.
Kinder, die in kleineren Wohnungen wohnen, sind von fehlenden privaten Freiflächen besonders betroffen, da ihnen Platz zur Bewegung, zum Gestalten und zum Spielen fehlt. Das trifft insbesondere auf Kinder von Alleinerziehenden zu. 27% der befragten Haushalte von Alleinerziehenden verfügen über keine private Freifläche.
Fehlende private Freiflächen werden in den Städten durch Parks und andere Grünflächen kompensiert, in ländlicheren Gebieten durch Wiesen, Felder und Wälder. Daher wäre es sehr zu begrüßen, wenn diese Flächen auch während der Corona-Krise in vollem Umfang zur Verfügung stehen und nicht durch Schließungen reduziert werden, insbesondere deshalb, da viele Ein-Personen-Haushalte, die zuhause niemanden für persönliche Gespräche und soziale Interaktionen haben, noch zusätzlich von fehlenden privaten Freiflächen betroffen sind. Die Schaffung von temporären Begegnungszonen  und die geplante Öffnung der Bundesgärten in Wien sind daher vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse wichtige und notwendige Schritte und erhöhen den Zugang zu Freiflächen.


Johann Bacher ist Professor für Soziologie und empirische Sozialforschung am Institut für Soziologie der Johannes Kepler Universität Linz. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Methoden der empirischen Sozialforschung, soziale Ungleichheiten und die Soziologie des Abweichenden Verhaltens.