08.04.2020

Familienkonflikte in der Corona-Krise

  • Die Konflikthäufigkeit hat in rund einem Viertel der Familien zugenommen.
  • Für ein Drittel der Familien stellt die Kinderbetreuung eine große Herausforderung dar.
  • Insbesondere Alleinerziehende und Familien mit zwei oder mehr Kindern sind mit häufigeren Konflikten und Problemen mit der Kinderbetreuung konfrontiert.

Von Caroline Berghammer

Die Corona-Krise stellt Familien vor große Herausforderungen. Innerhalb von wenigen Tagen wurden Schulen und Kindergärten weitgehend geschlossen. Viele erwerbstätige Eltern begannen im Homeoffice zu arbeiten, Möglichkeiten der Freistellung zu nutzen oder reduzierten auf Kurzarbeit. Viele Familien verbringen daher nun 24 Stunden am Tag miteinander – hauptsächlich in ihrer Wohnung – zum Teil auf engem Raum. Ihre Verwandten, Freundinnen und Freunde können sie nicht treffen. Hinzu kommt, dass viele Eltern ihre Kinder zu Hause unterrichten. Wie wirkten sich diese Änderungen auf die Konflikthäufigkeit innerhalb von Familien aus? Welche Familien sind besonders von Problemen mit der Kinderbetreuung betroffen?
Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen, dass die Konflikthäufigkeit vielfach zugenommen hat: 23% der Befragten geben an, dass es seit Beginn der Corona-Krise mehr Auseinandersetzungen in ihrer Beziehung und Familie gibt. Für ein Drittel der Familien (33%) stellt die Kinderbetreuung ein Problem dar (jeweils „trifft voll und ganz zu“ bis „teils-teils“). Wie viel mehr Konflikte es gibt und wie sehr sich die Engpässe in der Kinderbetreuung zugespitzt haben, hängt von der Kinderzahl und dem Partnerschaftsstatus ab (siehe Abbildungen 1 und 2). Für Alleinerziehende und Familien mit zwei oder mehr Kindern ist die Situation am schwierigsten.
Rund die Hälfte aller Alleinerziehender (51%) geben an, seit Beginn der Corona-Krise mehr Konflikte in ihrer Familie zu erleben; für 42% stellt die Kinderbetreuung ein Problem dar. Für Alleinerziehende – zu fast 90% Mütter – ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie insbesondere jetzt schwierig zu bewältigen. Um Beruf und Kinder zu vereinbaren, sind viele alleinerziehende Mütter zusätzlich zur institutionellen Kinderbetreuung auf ein (familiäres) Unterstützungsnetzwerk angewiesen – das seit der Corona-Krise ausfällt. Erschwerend hinzu kommt, dass sie nun auch zusätzliche Zeit für das Homeschooling der Kinder einplanen müssen – und mit einer Erwerbsarbeit ist oft nicht mehr vereinbar (statistisch sind alleinerziehende Mütter häufiger Vollzeit erwerbstätig als Mütter, die in Partnerschaften leben). Zudem kann die Krise die ohnehin oft prekäre finanzielle Lage und ökonomische Unsicherheit von Alleinerziehenden noch verschärfen und dadurch zu weiteren Konflikten führen.
Auch Familien mit zwei oder mehr Kindern erleben derzeit häufiger Konflikte (33%) und haben mehr Probleme mit der Kinderbetreuung (38%) als Familien mit einem Kind. Wer mehr Kinder hat, hat in der Regel einen höheren Zeit- und Organisationsaufwand, insbesondere wenn die Kinder aufgrund ihres unterschiedlichen Alters verschiedene Bedürfnisse haben. Daneben ist konzentriertes Arbeiten im Homeoffice trotz aller guten Intentionen oft nicht möglich. Auch die – in vielen Familien konfliktbehaftete – Hausarbeit wie aufräumen oder Wäsche waschen steigt mit der Kinderzahl. Dazu kommt, dass Familien mit mehr Kindern häufiger in beengten Wohnverhältnissen leben, was den Druck auf größere Familien noch weiter erhöht.

Abbildung 1: Anstieg der Konflikte in Beziehung und Familie (in Prozent)

 

Fragetext: „Wie stark treffen folgende Aussagen auf Ihre Erfahrungen in der letzten Woche zu? … Ich habe mehr Konflikte in meiner Beziehung/Familie.“ Trifft gar nicht zu; trifft eher nicht zu; teils-teils; trifft eher zu; trifft voll und ganz zu (n=763 in dieser Abbildung; bezieht sich auf Kinder unter 18 Jahre; gewichtet)

Abbildung 2: Probleme mit der Kinderbetreuung (in Prozent)

 

Fragetext: „Wie stark trifft folgende Aussage auf Ihre Erfahrungen in der letzten Woche zu? Die Kinderbetreuung stellt ein Problem für mich dar.“ Trifft gar nicht zu; trifft eher nicht zu; teils-teils; trifft eher zu; trifft voll und ganz zu (n=238 in dieser Abbildung; inkludiert nur Personen mit Kindern bis 14 Jahre im Haushalt; gewichtet)

Eine Auswertung nach dem Alter des jüngsten Kindes macht zudem deutlich, dass Probleme mit der Kinderbetreuung am häufigsten (46%) in Familien mit Kindern im Vorschulalter (3-5 Jahre) auftreten (nicht in einer Abbildung dargestellt). Mit Kleinkindern (0-2 Jahre) sind viele Mütter noch in Elternkarenz, sodass die Kinderbetreuung abgedeckt ist. Kinder im Schulalter (6-14 Jahre) sind oft schon selbständiger – insbesondere Teenager – sodass Kinderbetreuung seltener als problematisch wahrgenommen wird; rund ein Viertel haderte damit (27%).
Der geringste Anstieg in der Konflikthäufigkeit findet sich unter Personen, die nur mit ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin im selben Haushalt wohnen: lediglich 11% schätzen die Konflikthäufigkeit seit dem Beginn der Corona-Krise als höher ein. Jüngere Paare berichteten uns etwas häufiger von mehr Konflikten als Paare in mittleren (40-64 Jahre) und älteren (65+ Jahre) Altersgruppen (nicht in der Abbildung dargestellt).


Caroline Berghammer ist Assistenzprofessorin am Institut für Soziologie der Universität Wien und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie forscht zu Familie, Fertilität und sozialer Ungleichheit.