06.04.2020

Alte und neue Medien: Informationsverhalten in Zeiten der Corona-Krise

  • Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist die meistgenutzte Informationsquelle zur Corona-Krise.
  • 11% der Bevölkerung werden weder durch traditionelle noch durch soziale Medien erreicht.
  • Sowohl Hoch- als auch Niedrigrisikogruppen informieren sich eher über traditionelle Nachrichtenmedien als soziale Medien. Hochrisikogruppen nutzen traditionelle Medien tendenziell mit höherer Frequenz als andere Teile der Bevölkerung.
  • Zu sozialen Medien, die eher von Menschen mit niedrigem Risiko genutzt werden, gehörten Facebook, Instagram und Youtube. Jene mit hohem Risiko verwenden etwas häufiger WhatsApp.

Von Noelle S. Lebernegg, Jakob-Moritz Eberl, Hajo G. Boomgaarden und Julia Partheymüller

Medien sind die wichtigste Informationsquelle der Bürgerinnen und Bürger, um sich über Politik zu informieren. Aktuell werden in österreichischen Medien fast täglich neue Maßnahmen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Prognosen über die Ausbreitung des Corona-Virus diskutiert. Doch nicht alle Bürgerinnen und Bürger informieren sich in demselben Ausmaß und über dieselben Kanäle. Zum Teil liegt dies daran, dass nicht alle Menschen dasselbe gesundheitliche Risiko haben; zusätzlich spielen jedoch auch demographische, ökonomische und soziale Faktoren eine Rolle.Möchten Regierungen oder Gesundheitsorganisationen also eine bestimmte Gruppe der Bevölkerung erreichen, dann ist es wichtig, zu wissen, welche Informationskanäle dafür besonders gut geeignet sind. Genau diese Frage versuchen wir mit den Daten der ersten Befragung unserer Panel-Umfrage zu beantworten.

Sowohl traditionelle als auch soziale Medien werden häufig genutzt

Zunächst erfassten wir, in welche Risikogruppe die Befragten einzuordnen sind. Als Hochrisikogruppe wurden alle Personen definiert, die 65-Jahre oder älter sind, sowie all jene, die angeben an einer relevanten Vorerkrankung zu leiden, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Hepatitis B, chronische obstruktive Lungenerkrankung, chronisches Nierenversagen, Krebs (ca. 30% aller Befragten). Alle anderen Befragten wurden als Niedrigrisikogruppe definiert (ca. 70%). Danach ermittelten wir das Informationsverhalten der Österreicherinnen und Österreicher während der Corona-Krise. Wir untersuchten, welche Medien in welchem Maße genutzt werden, wobei zusätzlich zwischen traditionellen Nachrichtenmedien (d.h. Tageszeitungen, Nachrichtensender und ihre Onlineangebote; siehe Abbildung 1) und sozialen Medien (Abbildung 2) unterschieden wurde.

Unsere Ergebnisse: eine überwiegende Mehrheit der Befragten (80%) informiert sich mindestens einmal täglich über eine oder mehrere traditionelle Nachrichtenmedien. Bei der Hochrisikogruppe ist dieser Anteil signifikant höher (88%) als bei der Niedrigrisikogruppe (77%). Daneben sind aber quer durch alle Bevölkerungsgruppen auch soziale Medien eine wichtige Informationsquelle. Über die Hälfte (57%) der Befragten informiert sich dort mindestens einmal täglich. Obwohl das Informationsverhalten natürlich mit vielerlei anderen Eigenschaften korreliert – z.B. Alter, Bildung oder Ideologie –, kann festgehalten werden, dass die Niedrigrisikogruppe auf sozialen Medien etwas aktiver ist (59%) als die Hochrisikogruppe (53%). Lediglich 11% der Bevölkerung informieren sich über keinen einzigen der abgefragten Informationskanäle in einem täglichen Rhythmus (12% der Niedrigrisikogruppe; 8% der Hochrisikogruppe).

Abbildung 1: Informationsverhalten nach traditionellen Medien (i.e. Tageszeitungen und Nachrichtensender) und Risikogruppenzugehörigkeit (Anmerkungen: Feldzeit: 27.-30. März 2020, N=1.521 befragte Personen (ab 14 Jahre), Daten repräsentativ für die österreichische Wohnbevölkerung gewichtet.)

Abbildung 2: Informationsverhalten nach sozialen Medien und Risikogruppenzugehörigkeit (Anmerkungen: Feldzeit: 27.-30. März 2020, N=1.521 befragte Personen (ab 14 Jahre), Daten repräsentativ für die österreichische Wohnbevölkerung gewichtet.)

Geht man etwas mehr ins Detail, sieht man (Abbildung 1), dass vor allem das Informationsangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Befragten von besonderer Bedeutung ist (d.h. 62% informieren sich dort täglich; 73% der Hochrisikogruppe und 57% der Niedrigrisikogruppe). Grundsätzlich gilt, dass man bei den meisten abgefragten traditionellen Nachrichtenmedien die Hochrisikogruppe tendenziell eher erreicht als die Niedrigrisikogruppe. Eine Ausnahme stellen hier die beiden Qualitätszeitungen Der Standard und Die Presse dar.

Unter den sozialen Medien (Abbildung 2) werden vor allem Facebook (38%) und WhatsApp (35%) zur täglichen Informationsbeschaffung herangezogen. Ausschließlich WhatsApp wird vermehrt von Angehörigen der Hochrisikogruppe als tägliche Informationsquelle genutzt (38% zu 34%).

Wie kann qualitativ hochwertige Information am besten verbreitet werden?

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in Zeiten der Krise ein sehr hohes Informationsbedürfnis in der Bevölkerung besteht. Sollen rasch möglichst große Teile der Bevölkerung informiert werden, gelingt dies wohl am ehesten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dass unter anderem WhatsApp für Menschen im niedrigen und insbesondere im hohen Risikobereich als wichtige Informationsquelle gilt, gibt insofern Anlass zur Besorgnis, als gerade über diese Plattform viele Falschmeldungen zum Virus verbreitet werden. Zum Glück zeigt sich aber auch, dass sich die Hochrisikogruppe gleichzeitig verstärkt über traditionelle Nachrichtenmedien auf dem Laufenden hält – dadurch besteht die Möglichkeit, Falschinformationen zu korrigieren.Wenn sich Bevölkerungsgruppen in ihrem Informationsverhalten unterscheiden, kann sich dies auch auf ihr Wissen über den Virus oder die Wahrnehmung der Krise auswirken. Ferner können Unterschiede im Informationsverhalten mit fehlendem Medienvertrauen zusammenhängen oder in divergenten Erwartungen an den Journalismus begründet sein. Mit diesen und anderen Themen beschäftigen wir uns in den nächsten Wochen genauer.


Noelle S. Lebernegg ist Universitätsassistentin (Prae-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie assoziierte Wissenschafterin im Vienna Center For Electoral Research (VieCER). Sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen politischer Kommunikation und Medien auf die öffentliche Meinung und Wahlverhalten.

Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.

Hajo Boomgaarden ist Professor für Empirische Methoden der Sozialwissenschaften am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien und derzeit Dekan der Fakultät für Sozialwissenschaften. In seiner Forschung beschäftig er sich mit der Darstellung und Wirkung von Politik in den Medien.

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.