03.04.2020
Wahrnehmung der Corona-Krise und ihre Konsequenzen
- Anzahl der Personen, die eine Ansteckung vermuten, lässt auf hohen Bedarf an Tests schließen
- Kaum jemand stuft die gesundheitliche Gefahr für Österreich als gering ein
- Personen in der Risikogruppe gehen auch von größerer persönlicher Gefährdung aus
- Die vom Coronavirus ausgehende Gefahr für Österreich wird im Schnitt deutlich höher eingeschätzt als die persönliche Gefahr, dies gilt sowohl für die gesundheitliche als auch für wirtschaftliche Gefahr
- Die Quarantänemaßnahmen scheinen breit zu wirken, auch bei denjenigen Befragten, die nicht von einer persönlichen gesundheitlichen Gefährdung ausgehen
Die letzten Tage waren geprägt von ständiger medialer Berichterstattung über die Zahl neuer Infektionen, neue staatliche Regelungen und Veränderungen in Arbeitswelt, Schule und Privatleben. Bisher ist aber noch unklar, wie die Bevölkerung konkret die Gefahr dieser Krise wahrnimmt und mit diesen Herausforderungen umgeht. Hier soll ein erster Überblick über die Sichtweisen der Bevölkerung zur Krise und auf Konsequenzen für ihr eigenes Leben – und für unser Land - gegeben werden. Wie hoch wird die gesundheitliche und wirtschaftliche Bedrohung durch das Coronavirus eingeschätzt? Warum verlassen Personen noch ihren Haushalt? Diesen Fragen gingen wir in unserer Panel-Umfrage nach.
COVID-19-Erkrankungen und Symptome
Von 1541 Personen in der Stichprobe gaben 3 Personen an, dass Covid-19 bei ihnen diagnostiziert wurde. Der Anteil der angesteckten oder genesenen Personen ist somit zu gering, um zu diesem Zeitpunkt stichhaltige Aussagen über diese Gruppe treffen zu können. Interessanter ist deshalb die Zahl derjenigen, die eine Ansteckung aufgrund von Symptomen vermuten, ohne dass diese durch einen Test bestätigt wurde. Zum einen könnte diese Zahl einen Hinweis auf die mögliche Dunkelziffer an Infizierten geben. Zum anderen wird durch diese Zahl aber vor allem deutlich, welches Ausmaß an Testkapazität vonnöten wäre, um alle zu testen, die zum aktuellen Zeitpunkt eine Ansteckung vermuten. In unserer Stichprobe gaben 45 Personen an, dass sie eine Ansteckung aufgrund von Symptomen vermuten, was etwa 3% der Stichprobe entspricht. Der Anteil ist ebenfalls gering und deshalb als Schätzwert ungenau, aber selbst unter Berücksichtigung dieser Unschärfe kann davon ausgegangen werden, dass mindestens etwa 2.1% aktuell eine Ansteckung zu vermuten. Prozentuell klein, verbirgt sich aufgerechnet auf die österreichische Gesamtbevölkerung aber ein Bedarf von etwa 190.000 Tests. Demnach sind Verdachtsfälle noch kein Breitenphänomen, aber eine große Herausforderung für die nächsten Tage und Wochen.
Einschätzung der Gefahr
Wie sehr fühlen sich Menschen in Österreich durch den Virus persönlich gefährdet? Inwiefern sehen sie eine Gefahr für unser Land? Wie diese Fragen beantwortet werden, ist möglicherweise entscheidend dafür, ob sich Menschen an die staatlichen Vorgaben zur Eindämmung des Virus halten. Da wir erwarteten, dass die Einschätzung der gesundheitlichen Gefahr vom Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes beeinflusst wird, unterteilen wir die Befragten hier in zwei Gruppen. Die Niedrigrisikogruppe besteht aus Personen ohne relevante Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, chronische obstruktive Lungenerkrankung, sowie aus Menschen die nicht älter als 65 sind. In der Hochrisikogruppe sind Menschen, die entweder eine relevante Vorerkrankung aufweisen oder älter als 65 sind (etwa 30% aller Befragten). Ein erster Blick auf die Daten (Abbildung 1) streicht zwei Punkte hervor: Zum einen besitzt, wie zu erwarten, die Hochrisikogruppe ein deutlich stärkeres persönliches Empfinden der Gesundheitsgefährdung. Zum anderen aber gehen beide Gruppen davon aus, dass die kollektive Gefahr weitaus höher ist als die individuelle.
Dieser Unterschied zwischen persönlicher und kollektiver Gefahr findet sich auch in der Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise wieder (Abbildung 2). Während etwa 30% der Befragten die Gefährdung für sich selbst nur als gering einschätzen, sehen 35% eine größere persönliche Gefahr. Insgesamt schätzen die Österreicher*innen demnach ihre persönliche Gefährdung durch den Virus im Schnitt aber geringer ein als die Gefahr für die Allgemeinheit. Weiter Analysen, die wir in den nächsten Wochen durchführen werden, werden zeigen, ob diese Sorge sich früher oder später auch stärker in Ängste um die Auswirkungen dieser kollektiven Bedrohung auf die persönliche Zukunft niederschlagen wird. Die hohe Streuung in der Einschätzung der persönlichen Betroffenheit macht aber bereits jetzt deutlich, dass die Krise ganz unterschiedliche Folgen haben kann und das Potential besteht, das bestehende Ungleichheiten durch Corona verstärkt werden.
Persönliche Gefährdung und häusliche Isolation
Zuletzt soll untersucht werden, inwiefern Menschen die Maßnahmen zur Begrenzung unmittelbarer sozialer Kontakte befolgen und inwieweit dies mit der Einschätzung der persönlichen Gefährdung zusammenhängt. Dafür teilten wir die Stichprobe wiederum in zwei Gruppen: in jene, die von einer hohen gesundheitlichen Gefahr für sich selbst ausgehen, und jene, die davon ausgehen, weniger stark vom Coronavirus bedroht zu sein.
Es zeigt sich, dass die Einschätzung der persönlichen Gefahr, die vom Coronavirus ausgeht, die Häufigkeit des Verlassens des Hauses nicht entscheidend beeinflusst (Abbildung 3). Die Maßnahmen der Regierung scheinen also nicht nur bei jenen breit zu wirken, die denken, selbst betroffen zu sein, sondern auch bei jenen, die die eigene Gefahr für gering halten. Einen interessanten Unteschied in den Gruppen zeigt das Ergebnis, dass Personen die von einer höheren persönlichen Gefährdung ausgehen, öfter für Medikamente oder zur medizinischen Versorgung das Haus verlassen als jene, die die Gefahr für sich selbst nicht so hoch einstufen. Demnach scheint es essentiell, die Hausversorgung im Gesundheitsbereich zu erhöhen, da hier Personen das Haus verlassen (müssen), obwohl Sie von hoher gesundheitlicher Gefährdung ausgehen.
Klar wird auch, dass mittlerweile Einkaufen und die Besorgung von Medikamenten und ärztlicher Betreuung die zentralen Motive geworden sind, warum Personen Ihren Haushalt verlassen. So ist mittlerweile der Prozentsatz an Menschen, die wegen ihrer Arbeit nie das Haus verlassen, größer als der Prozentsatz derjenigen, die es aufgrund von Langeweile oder aufgrund von Freiheitsdrang manchmal verlassen. Inwieweit hier auch sozial erwünschtes Antwortverhalten eine Rolle spielt, kann noch nicht gesagt werden. Die kommenden Wochen werden zeigen, wie vor allem langfristig Quarantänemaßnahmen und Selbstisolation aufrechterhalten werden können und welche Veränderungen sich im Vergleich zu den aktuell gemessenen Werten zeigen.
Fabian Kalleitner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien. Aktuell forscht er zu Themen wie Steuerpräferenzen, Steuerwissen, Wahrnehmungsmechanismen und Arbeitswerte. (Email: fabian.kalleitner@univie.ac.at)