24.11.2022 - PDF

Finanzielles Auskommen und wirtschaftliche Zukunftserwartungen in Österreich

  • Seit Februar 2022 gibt es in Österreich eine deutliche Verschlechterung der subjektiven Wahrnehmung des finanziellen Auskommens über alle Einkommensgruppen hinweg.
  • Im Oktober 2022 kommen 41% derjenigen mit niedrigem Einkommen (1. Terzil) laut eigener Einschätzung schlecht oder sehr schlecht finanziell zurecht (im Vergleich zu 34% im Oktober 2021).
  • Nur 46% derer mit mittlerem Einkommen geben an, gut oder sehr gut finanziell zurechtzukommen (im Vergleich zu 55% im Oktober 2021).
  • Die subjektiven Zukunftserwartungen haben sich sowohl hinsichtlich der allgemeinen Wirtschaftslage in Österreich als auch hinsichtlich der eigenen finanziellen Situation deutlich eingetrübt.
  • 71% der Befragten erwarten eine Verschlechterung der Wirtschaftslage in Österreich. 49% erwarten, auch persönlich finanziell schlechter auszukommen.

Von Fabian KalleitnerLicia Bobzien und Lukas Schlögl

Coronakrise, Ukrainekrise, Energiekrise, oder bereits Wirtschaftskrise? Die Berichterstattung ist sich angesichts multipler Problemlagen noch uneins, wie die aktuelle Situation in Österreich am besten bezeichnet werden soll. Klar ist aber, dass die aktuelle Wirtschaftslage im Gegensatz zu früheren Krisen von einer deutlich höheren Teuerungsrate (Inflation) geprägt ist. Seit einigen Monaten beschäftigt diese die mediale Berichterstattung, aber wie stellt sich diese mögliche “Cost of living crisis” (Lebenshaltungskosten-Krise) für die österreichische Bevölkerung dar? Wer “spürt” die Teuerung? Welche wirtschaftlichen Erwartungen hat die Bevölkerung für Österreich und für sich selbst? Dieser Beitrag versucht diese Fragen anhand von Daten aus dem Austrian Corona Panel Project (ACPP) zu beantworten.

Teurung: Überall spürbar, aber unterschiedliche Ausgangslagen

Abbildung 1 zeigt den Verlauf des Anteils jener Befragten an, die angeben, aktuell “gut” oder “sehr gut” finanziell auszukommen (Restliche Antwortoptionen: “teils-teils” oder komme “schwer” oder “sehr schwer” zurecht). Wir unterscheiden dabei drei Gruppen: Personen mit niedrigem, mittlerem und hohem Haushaltseinkommen1. Es zeigt sich, dass je nach Einkommensgruppe deutliche Unterschiede bestehen. Wie zu erwarten, geben Personen mit niedrigem Haushaltseinkommen am seltensten an, gut oder sehr gut finanziell auszukommen. Im Schnitt, über den gesamten Befragungszeitraum hinweg, behaupten dies nur etwa 30% der Befragten mit niedrigem Einkommen, während es bei mittlerem Einkommen 58% und bei hohem Einkommen 83% der Befragten tun. Umgekehrt geben Befragte mit niedrigem Einkommen mit 36% im Mittel am häufigsten an, dass sie nur schwer oder sehr schwer finanziell auskommen. Bei  mittlerem Einkommen sind das 14% und bei hohem Einkommen nur 3% der Befragten.

Über den Zeitverlauf zeigt sich, dass sich die aktuelle Krisenlage bei allen Einkommensgruppen bemerkbar macht. Insbesondere seit dem deutlichen Anstieg der Inflation (grauer Bereich) verschlechtert sich die Einschätzung des finanziellen Einkommens. So liegen etwa in der letzten Befragungswelle Ende Oktober alle Einkommensgruppen deutlich unter dem langjährigen Schnitt über den gesamten Befragungszeitraum (horizontale gestrichelte Linien). Im Oktober geben nur 21% der Befragten mit niedrigem Einkommen an, gut oder sehr gut finanziell auszukommen, während dies bei mittleren Einkommen 46% und bei hohen Einkommen 75% der Befragten tun. Zudem steigt vor allem auch der Anteil derjenigen, die angeben, nur schwer oder sehr schwer finanziell auszukommen: Dies sind etwa 41% derjenigen mit niedrigem Einkommen, 22% mit mittleren und 6% mit hohem Einkommen.

Insgesamt machen die Daten also deutlich, dass alle Einkommensklassen die insbesondere seit Anfang 2022 gestiegene Inflation ähnlich stark spüren (erkennbar an der Parallelität der Graphen, die die unterschiedlichen Einkommensgruppen zusammenfassen), aber die Ausgangslagen klar unterschiedlich sind. Während die Krise für fast die Hälfte der Bezieher:innen niedriger Einkommen dazu führt, dass sie nach eigenen Angaben Schwierigkeiten haben, finanziell auszukommen, kommen drei Viertel der Bezieher:innen hoher Einkommen weiterhin finanziell gut oder sehr gut über die Runden. 

Daten: ACPP, N~ 1200 pro Befragungswelle. Sozio-demografisch gewichtet. Helle Bereiche zeigen 95% Konfidenzintervall der einzelnen Anteile. Grauer Bereich zeigt die Inflation (HICP) Quelle: Eurostat.

Trübe Zukunftserwartungen

Die gezeigten Daten machen deutlich, dass die österreichische Bevölkerung die eigene aktuelle finanzielle Lage deutlich schlechter beurteilt als noch vor einem Jahr. Aber wie sieht es mit den Zukunftsaussichten aus? Aus der Forschung weiß man, dass Personen bei wichtigen Handlungsentscheidungen nicht nur berücksichtigen, wie sich die finanzielle Lage aktuell darstellt, sondern auch ihre Erwartungen, wie sich diese Situation in den nächsten Monaten verändern wird, eine Rolle spielen. Um diese Zukunftsaussichten darzustellen, betrachten wir die Antworten auf zwei Fragen: (1) zur finanziellen Situation des Haushalts in 12 Monaten im Vergleich zur aktuellen Situation und (2) zur allgemeinen Wirtschaftslage in Österreich in 12 Monaten im Vergleich zu der aktuellen Situation genauer. Befragte konnten dabei antworten, ob sie erwarten, dass die Situation jeweils “viel schlechter”, “schlechter”, “gleich bleibend”, “besser” oder “viel besser” wird.

Abbildung 2 zeigt, dass das zukünftig erwartete finanzielle Auskommen lange vom Großteil der Befragten als in etwa gleich bleibend beurteilt wurde. Diese Einschätzung hat sich aber eingetrübt und im Oktober ist bereits etwa jede zweite befragte Person der Meinung, dass sich die eigene finanzielle Lage verschlechtern wird. Aus der Forschung (Stichwort: optimism bias) ist bekannt, dass Menschen die eigene Situation meist für besser  einschätzen als die allgemeine und dies zeigt sich auch bei den hier untersuchten Zukunftsaussichten: Blickt man auf die Beurteilung der zukünftig erwarteten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zeigt sich, dass diese im Schnitt immer schlechter eingeschätzt wird als das eigene finanzielle Auskommen. Im Gegensatz zur eigenen finanziellen Lage ist hier auch ein deutlicher Knick während der 2. und 3. Corona-Welle (September und Dezember 2020) sichtbar. Dieser Knick ist aber klein im Vergleich zur negativeren Einschätzung im März 2022 und aktuell im Oktober, wo bereits 71% der Befragten von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage in Österreich ausgehen.

Daten: ACPP, N~ 1425 pro Befragungswelle. Gewichtet.

Conclusio

Vor allem seit der russischen Invasion in der Ukraine und dem Anstieg der Inflation, die mittlerweile mit über 10% deutlich über dem EZB-Inflationsziel von 2% liegt, zeigt sich, dass immer mehr Österreicher:innen angeben, schlechter mit ihrem Einkommen auszukommen2. Dies zeigt sich breit über alle Einkommensgruppen hinweg, wobei die Ausgangslagen sehr unterschiedlich sind. Während nur eine Minderheit der Personen mit hohem Haushaltseinkommen laut eigenen Angaben Schwierigkeiten hat, ist dies bei über 40% der Befragten im unteren Einkommensdrittel der Fall. Vieles deutet zudem darauf hin, dass niedrige Einkommen auch in Zukunft stärker unter der Teuerung leiden werden als Personen mit hohem Einkommen (siehe etwa OECD, EZB). Zielgerichtete Hilfsmaßnahmen erscheinen deshalb wichtig. Zugleich haben sich auch die Zukunftserwartungen deutlich eingetrübt und mittlerweile glaubt die Mehrheit der Bevölkerung, dass die Wirtschaftslage in einem Jahr schlechter sein wird als momentan. Diese negative Stimmung könnte dazu führen, dass die Konsumlaune - trotz steigender Inflation - weiter nachlässt.


Fabian Kalleitner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Research Platform Governance of Digital Practices am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Aktuell forscht er zu Themen wie Steuerpräferenzen, Steuerwissen, Wahrnehmungsmechanismen und Arbeitswerte.

Licia Bobzien ist Postdoktorandin im Projekt perzepEU ('Cohesion in Europe – Perceptions and Fields of Action') an der Hertie School, Berlin. Ihre Forschung beschäftigt sich mit (der Wahrnehmung) ökonomischer Ungleichheit und deren Auswirkungen auf politische Präferenzen und Einstellungen.

Lukas Schlögl ist Senior Researcher in der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Themen der Entwicklungspolitik, Entwicklungsfinanzierung sowie Digitalisierung und technologischer Wandel.


Fußnoten

[1] Dabei wurden die Personen jeweils konkret gefragt: “Wie beurteilen Sie die aktuelle finanzielle Situation Ihres Haushalts?” Die Befragten konnten angeben, ob sie “sehr gut”, “gut”, “teils-teils”, “schwer” oder “sehr schwer” zurechtkommen. Die Einkommensgruppen entsprechen in etwa dem 1-3. Dezil  (0-<1800 Euro), 4.-7. Dezil (1800-<3700), und 8.-10. Dezil (3700 und mehr) der Haushaltseinkommen.

[2] Die Ergebnisse spiegeln auch andere Umfragen wider (siehe etwa Arbeitsklima Index).