Von Julia Partheymüller, Carolina Plescia, Sylvia Kritzinger
Staatliche Maßnahmen und Regierungsvertrauen
Im Zuge der Corona-Krise wurden Maßnahmen ergriffen (z.B. Ausgangsbeschränkungen, Schließungen von Schulen, Universitäten und Geschäften), die noch bis vor wenigen Wochen undenkbar waren. Zudem werden weitere, darüberhinausgehende Maßnahmen diskutiert, die das Verhalten der Österreicherinnen und Österreicher noch strenger regeln und überwachen sollen, wie zum Beispiel die Weitergabe der Daten von positiven getesteten Personen an die Gemeinden oder die allgemeine Handyortung. All diese werden begründet mit dem Ziel, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und zu verlangsamen.
In einer Demokratie bedürfen politische Maßnahmen jedoch auch in Krisenzeiten der Unterstützung der Bevölkerung, um wirksam umgesetzt zu werden und somit erfolgreich zu sein. Wenn Maßnahmen – ganz gleich ob sie bereits eingeführt bzw. erst angedacht werden – starke Ablehnung von breiten Bevölkerungsschichten erfahren, kann es zu Widerstand und im Extremfall sogar zu Sabotageakten kommen, die weitere Überwachungs- und Bestrafungsmaßnahmen nach sich ziehen könnten.
Daten und Ergebnisse
In einem Teil unserer Befragung haben wir erfasst, wie die Österreicherinnen und Österreicher zu den bereits ergriffenen sowie zu möglichen zukünftigen politischen Maßnahmen im Rahmen der Corona-Krise stehen. Dazu schauen wir uns die Unterstützung der einzelnen bereits eingeführten Maßnahmen an und vergleichen diese mit Einstellungen zu möglichen weitergehenden Überwachungsmaßnahmen.
Eine überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unterstützt die von der Regierung getroffenen Maßnahmen, wie Unternehmen zu schließen, Ausgangssperren zu verhängen und auch das Nicht-Einhalten der neuen Regeln zu bestrafen (Abbildung 1). Hingegen äußern sich die Österreicherinnen und Österreicher skeptisch gegenüber möglichen neuen Maßnahmen, die besonders auf die gezielte „Überwachung des einzelnen Bürgers / der einzelnen Bürgerin“ abzielen. Mehr als die Hälfte aller Österreicherinnen und Österreicher (58.9%) lehnen die Idee, den Aufenthalt positiv getesteter Personen bekannt zu geben, ab – eine Maßnahme, die derzeit im Zusammenhang mit der „Stopp Corona“ Handy-App des Roten Kreuzes diskutiert wird. Auch eine Videoüberwachung (62.3%) sowie eine Handyortung (68.9%) werden mehrheitlich negativ bewertet und ein Sammeln von persönlichen Informationen ohne Wissen der Betroffenen wird mit über 80% klar abgelehnt. Diese Ergebnisse unterstreichen frühere Befunde, dass der Datenschutz im deutschen Sprachraum von der Bevölkerung sehr hoch gehalten wird.
Wie stehen diese Einstellungen in Zusammenhang mit dem Vertrauen in die Bundesregierung? Einerseits zeigen die grauen Balken im unteren Bereich von Abbildung 2 den Prozentsatz der Personen, die der Regierung in unterschiedlichem Maße vertrauen (0 steht für kein Vertrauen, 10 steht für absolutes Regierungsvertrauen). Die Linien hingegen zeigen den Prozentsatz der Personen in jeder Kategorie des Regierungsvertrauens an, der die jeweilige Maßnahme unterstützt.
Generell gilt, dass Personen, die der Bundesregierung mehr vertrauen, die bereits gesetzten Maßnahmen klar unterstützen (= höchste Werte des Liniendiagramms am bei höchstem Regierungsvertrauen). Jedoch selbst von jenen Menschen mit dem größten Vertrauen erhalten Überwachungsmaßnahmen wie die Handyortung oder die Informationssammlung über einzelne Personen keine mehrheitliche Unterstützung. Personen mit geringerem Vertrauen in die Bundesregierung stehen allen Maßnahmen äußerst skeptisch gegenüber bzw. sprechen der Regierung ab, darüber entscheiden zu können.
Conclusio
Zusammenfassend kann man also festhalten, dass die derzeit ergriffenen Maßnahmen eine klare Unterstützung der Bevölkerung erhalten und als legitim erachtet werden. Aber - die Unterstützung für diese ausgewöhnlichen Maßnahmen im Zuge der Corona-Krise erstreckt sich keineswegs auf weitergehende Überwachsungsmaßnahmen, die derzeit diskutiert werden. Die Österreicherinnen und Österreich scheinen zwischen allgemein notwendigen Maßnahmen, die der öffentlichen Gesundheit dienen, und Maßnahmen, die in die individuelle Privatsphäre eingreifen, genau zu unterschieden. Für letztere gibt es derzeit keine mehrheitliche Unterstützung in der österreichischen Bevölkerung. Des Weiteren: Sollte das Vertrauen in die Regierung in den nächsten Wochen abnehmen, so könnte die Unterstützung für die Maßnahmen schwinden. Umgekehrt könnte sich bei steigendem Regierungsvertrauen eine mehrheitliche Unterstützung auch für noch weitreichendere Maßnahmen ergeben. In den nächsten Wochen werden wir aufzeigen, in welche Richtung wir uns in Österreich bewegen.
Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.
Carolina Plescia ist Assistenzprofessorin am Institut für Politik- und Sozialwissenschaften der Universität Bologna und am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Sie promovierte am Trinity College Dublin und forscht zu Themen wie öffentliche Meinung, Wahlkampf und Parteiwahl.
Sylvia Kritzinger ist Professorin für Methoden in den Sozialwissenschaften am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien, eine der Projektleiter*innen der Austrian National Election Study (AUTNES) und stellvertretende Leiterin des Vienna Center for Electoral Research (VieCER).