22.01.2021 - PDF

Selbstinszenierung und mangelnde Kritikfähigkeit: Wie die Regierungskommunikation zur Corona-Krise ankommt

  • Die österreichische Bevölkerung stellt der Krisenkommunikation der Regierung ein durchwachsenes Zeugnis aus. Es wird vor allem kritisiert, dass die Bundesregierung zu wenig auf Kritik von anderen eingeht und zu viel Wert auf das eigene Auftreten legt.
  • Kritische Einschätzungen zur Regierungskommunikation kommen erwartungsgemäß vor allem von Wähler*innen der Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ. NEOS-Wähler*innen hingegen zeigen etwas mehr Verständnis für die Kommunikationsleistung der Regierung.
  • Am zufriedensten zeigen sich Wähler*innen der ÖVP, obgleich auch hier Luft nach oben besteht. Wähler*innen der Grünen sind deutlich kritischer gegenüber der Kommunikationsstrategie der eigenen Partei sowie der des Koalitionspartners ÖVP.

Von Jakob-Moritz Eberl, Noelle S. Lebernegg, Julia Partheymüller und Hajo G. Boomgaarden

Nie zuvor kommunizierte eine österreichische Bundesregierung so viel mit der Bevölkerung wie seit Anfang der Corona-Pandemie. In manchen Wochen gab es beinahe täglich eine Pressekonferenz, bei der das “virologische Quartett”, bestehend aus Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Schilderungen der aktuellen Lage präsentierte, neue Maßnahmen darlegte und verteidigte oder wichtige Ankündigungen machte. Vor allem zu Beginn der Krise war es vermutlich auch diese Krisenkommunikation, die dazu beitrug, dass die Regierung große Zustimmungswerte in der Bevölkerung verzeichnen konnte. Doch dann wurde aus manch einer Ankündigung nur eine “Ankündigung der Ankündigung”, wodurch sich langsam auch Kritik an der vermeintlichen “Message Control” der Regierung breit machte. Vergangenen Sonntag kam es nun scheinbar zu einer “überfälligen Korrektur” eben dieser Kommunikationsstrategie. 

Doch wie genau bewertet die Bevölkerung überhaupt die Regierungskommunikation der letzten Monate? In Anbetracht dieser Fragen bewerteten die Teilnehmer*innen im Rahmen der Dezember-Befragung des Austrian Corona Panel Projects (ACPP) die Regierungskommunikation. Speziell wurden die Befragten dabei gebeten, anzugeben, wie sehr ihrer Ansicht nach verschiedene Aussagen über die Krisenkommunikation der Bundesregierung zutreffen oder nicht zutreffen.

Mittelmäßiges Zeugnis für die Regierungskommunikation

Abbildung 1 zeigt die Zustimmungswerte zu den einzelnen Aussagen über die Regierungskommunikation in der Corona-Pandemie. Dabei fällt das Urteil gemischt aus. So gibt es zum Beispiel eine Pattsituation bei der Aussage “Die Häufigkeit, mit der informiert wird, ist übertrieben”: 36 Prozent der Befragten widersprechen dieser Aussage, aber genauso viele geben an, diese Aussage treffe eher oder sehr zu. Nur 23 Prozent der Befragten meinen, sie bekämen von der Bundesregierung alle Hintergrundinformationen, die sie benötigen. 45 Prozent meinen jedoch, dies treffe eher nicht oder überhaupt nicht zu. Etwas mehr Zustimmung (36 Prozent) gibt es für die Aussage, dass die Regierung Informationen so zur Verfügung stelle, dass sie leicht verständlich sind. Nur 29 Prozent sind hier der gegenteiligen Meinung.

Mit nur 13 Prozent, bekam die Aussage “Die Regierung ist offen für Kritik von anderen” bei weitem am wenigsten Zustimmung von den Befragten. Die Mehrheit der Bevölkerung (55 Prozent) hält die Regierung für nicht offen für Kritik. Auch die folgende Aussage mit den höchsten Zustimmungswerten ist kein Ruhmesblatt für die Regierungskommunikation: 47 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Regierung mehr Wert auf ihr Auftreten als auf Inhalte legt. Nur wenige (23 Prozent) teilen diesen Eindruck nicht. Auch bei der Transparenz der Regierungsentscheidungen ist laut öffentlicher Meinung noch Luft nach oben, denn nur 28 Prozent der Befragten finden, dass die Entscheidungen der Regierung nachvollziehbar begründet sind. Für 40 Prozent sind die Regierungsentscheidungen nicht nachvollziehbar.

Abbildung 1: Bewertung der Regierungskommunikation zur Corona-Krise (Daten: ACPP, 11.-18. Dezember; gewichtet)

Meinung von Regierung und Opposition geht auseinander, teilweise aber auch Selbstkritik und Wohlwollen

In Abbildung 2 haben wir die Befragten nun anhand der angegebenen Wahlentscheidung bei der Nationalratswahl 2019 in unterschiedliche Gruppen unterteilt. Wenig überraschend zeigen sich Wähler*innen der Regierungsparteien im Schnitt deutlich wohlwollender gegenüber der Regierungskommunikation als jene der Oppositionsparteien, sonstige Wähler*innen von Kleinstparteien oder Nichtwähler*innen. Häufiger als die meisten anderen Gruppen sehen ÖVP-Wähler*innen die Regierungskommunikation in einem eher positiven Licht. Bei den Grünwähler*innen sieht dies anders aus. Am deutlichsten zeigt sich dies beispielsweise bei der Aussage, dass die Regierung offen für Kritik von außen ist: 13 Prozent der Grünwähler*innen stimmen dieser Aussage zu aber 55 Prozent der Grünwähler*innen lehnen diese Aussage eher ab.

Die anderen Wähler*innen spiegeln größtenteils die Oppositionsrolle ihrer Parteien wider. Am kritischsten gegenüber der Regierungskommunikation sind hierbei Wähler*innen der FPÖ und der SPÖ. Anhänger*innen der NEOS sind um einiges wohlwollender. So sind sogar 50 Prozent der NEOS Wähler*innen der Meinung, dass die Informationen der Regierung leicht verständlich zur Verfügung gestellt würden. Auch die Zustimmung zur eher kritischen Aussage, dass die Regierung mehr Wert auf ihr Auftreten als auf Inhalte lege, fällt bei den NEOS sogar geringer aus als bei den Grünen.  

Abbildung 2: Bewertung der Regierungskommunikation zur Corona-Krise nach Wahlentscheidung zur Nationalratswahl 2019 (ACPP Daten, 11-18. Dezember; gewichtet)

Kursänderung notwendig?

Im Kontext der Corona-Pandemie kam der Regierungskommunikation eine Schlüsselrolle dabei zu, die Bevölkerung zu informieren, sie zu ermutigen und Sorgen zu entkräften. Was in der Anfangsphase der Pandemie noch wichtige und unhinterfragte Informationsquelle für viele Bürger*innen war, ist in den letzten Wochen und Monaten immer häufiger in Kritik geraten. Auch die Befragten unserer Studie stellen der Regierungskommunikation insgesamt ein durchwachsenes Zeugnis aus.

Für eine geplante Korrektur der Kommunikationsstrategie der Bundesregierung, wie sie sich zuletzt abgezeichnet hat, zeigen unsere Analysen, wo angesetzt werden könnte. Die Analysen zeigen insbesondere, dass die Regierung zumindest aus Sicht der Bevölkerung mehr Kritik von anderen zulassen und die politische Inszenierung in den Hintergrund treten sollte. Überraschend erscheint die Unzufriedenheit und Selbstkritik bei Wähler*innen des kleineren Koalitionspartners. Ob die Einbeziehung weiterer Akteur*innen bei den Pressekonferenzen, wie dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz Hermann Schützenhöfer (ÖVP), zu einer Veränderung in der Wahrnehmung der Regierungskommunikation führen wird, wird sich zeigen.


Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.

Noelle S. Lebernegg ist Universitätsassistentin (Prae-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie assoziierte Wissenschafterin im Vienna Center For Electoral Research (VieCER). Sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen politischer Kommunikation und Medien auf die öffentliche Meinung und Wahlverhalten.

 

 

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.

 

Hajo Boomgaarden ist Professor für Empirische Methoden der Sozialwissenschaften am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien und derzeit Dekan der Fakultät für Sozialwissenschaften. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Darstellung und Wirkung von Politik in den Medien.

 


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