04.08.2020
Kürzer arbeiten auch nach der Krise?
- Noch immer arbeitet ein beträchtlicher Anteil der Befragten deutlich weniger als vor dem österreichweiten Lockdown (43%). Mehr als die Hälfte der Beschäftigten arbeitet mehr als acht Stunden in der Woche weniger als im Februar 2020.
- Etwas mehr als die Hälfte der Österreicher*innen steht einer Verkürzung der eigenen Arbeitszeit positiv gegenüber. Drei von 10 Befragten wollen ihre Wochenarbeitszeit sogar um mehr als einen Arbeitstag reduzieren.
- Die erlebte Arbeitszeitveränderung seit dem Lockdown entspricht vielfach dem, was sich die Beschäftigten auch für ihre Zukunft wünschen. Es zeigt sich, dass kaum Beschäftigte, die im Zuge der Corona-Krise weniger arbeiten bzw. gearbeitet haben, in Zukunft länger arbeiten möchten.
- Personen, die in Kurzarbeit waren, weisen einen ähnlichen Wunsch zur Arbeitszeitverkürzung auf wie Personen, die nicht von Kurzarbeit betroffen waren oder sind.
von Franziska Windisch und Laurenz Ennser-Jedenastik
Die Corona-Krise hat massive Veränderungen im Arbeitsalltag der meisten Menschen mit sich gebracht – so auch hinsichtlich der Arbeitszeit. Sogenannte Systemerhalter*innen verzeichnen mitunter eine erhebliche Erhöhung der Arbeitszeit. Für andere Österreicher*innen verringerte sich die wöchentliche Arbeitszeit in der Krise mitunter enorm. Kurzarbeit ermöglichte unter bestimmten Umständen sogar eine Reduktion auf null Stunden. Viele Menschen sahen und sehen sich immer noch damit konfrontiert, berufliche und Betreuungspflichten zeitlich unter einen Hut zu bringen (siehe Blog 67, Blog 65). Im ersten Schritt wurde durch Bundesregierung und Sozialpartner rasch und drastisch auf die herannahende Wirtschaftskrise reagiert, vieles wurde auch von den Betroffenen selbst aufgefangen. In den letzten Wochen wurden nun verschiedene Konzepte vorgebracht, die die wohl noch länger strauchelnde österreichische Volkswirtschaft fortwährend stützen sollen.
Um drohenden Kündigungswellen nach Auslauf des Kurzarbeitsmodells entgegenzuwirken, fordert die SPÖ eine staatlich geförderte Arbeitszeitverkürzung auf freiwilliger Basis für Betriebe, die ihre Mitarbeiter*innen sonst nicht halten können. Gleichzeitig wiederholt der Österreichische Gewerkschaftsbund dieser Tage seine Forderung nach einer generellen 4-Tage-Woche, um die coronabedingten Arbeitslosenzahlen einzudämmen. Die Österreichische Wirtschaftskammer entgegnete prompt: Die Realisierung der Forderung schade dem Standort Österreich. Die Regierung hat sich letztlich Ende Juli auf eine Verlängerung der Kurzarbeit um sechs Monate geeinigt. Eine neue Debatte um eine mögliche Arbeitszeitverkürzung ist angesichts der noch länger andauernden Corona-Krise jedenfalls eingeläutet.
Im vorliegenden Beitrag gehen wir der Frage nach, wie sich die Arbeitszeit der Befragten des Corona-Panels im Zuge der Corona-Krise verändert hat, wie die Befragten zu einer künftigen Arbeitszeitverkürzung stehen und inwiefern die bisher erfahrene (coronabedingte) Arbeitszeitreduktion zukünftigen Vorstellungen über die Wochenarbeitszeit entspricht.
Noch immer arbeitet ein beträchtlicher Anteil der Befragten deutlich weniger als vor dem österreichweiten Lockdown
Abschläge bei der Arbeitszeit begleiten uns auch Monate nach dem österreichweiten Lockdown und dem langsamen Wiederhochfahren der Wirtschaft. Über 40 Prozent der Befragten arbeiten weiterhin weniger als in einer durchschnittlichen Arbeitswoche im Februar. Mehr als die Hälfte von ihnen weist eine Reduktion der Wochenarbeitszeit von über acht Stunden auf. Etwas unter 40% der Österreicher*innen arbeiten heute so viel wie im Februar des Jahres, 20% arbeiten mehr als vor dem Beginn des Lockdowns. Es zeigt sich also, dass viele Österreicher*innen ihre Arbeitszeit in den letzten Monaten konstant halten konnten bzw. wieder auf den Stand ihrer gewohnten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit zurückgekehrt sind. Der Anteil jener Österreicher*innen, die im Vergleich zum Februar mindestens eine Stunde weniger pro Woche arbeiten, bleibt dennoch hoch (45%, siehe Abbildung 1). Hinzu kommen die einschneidenden Arbeitslosenzahlen: Das österreichische Arbeitsmarktservice verzeichnet für den Juni 2020 eine Arbeitslosenquote von 10,1%.
Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich eine Arbeitszeitverkürzung
Angesichts der angespannten Lage am Arbeitsmarkt werden Rufe nach einer Arbeitszeitverkürzung laut. Auch die Befragten stehen einer Reduktion der eigenen Arbeitszeit positiv gegenüber. Mehr als die Hälfte der Befragten möchte generell kürzer arbeiten. Drei von 10 Befragten wollen ihre Arbeitszeit sogar um mehr als einen Arbeitstag pro Woche reduzieren. Lediglich 28% der Österreicher*innen möchten dieselbe wöchentliche Normalarbeitszeit wie im Februar 2020 vor dem coronabedingten Lockdown in Österreich.
Es zeigt sich zudem, dass Personen, die im Februar 20 Stunden oder weniger gearbeitet haben, tendenziell einen Wunsch nach längerer Wochenarbeitszeit haben. Gleichzeitig strebt ein erheblicher Teil jener Personen, die für den Februar 2020 um die 40 Stunden wöchentliche Normalarbeitszeit angeben, eine – zum Teil auch deutliche – Arbeitszeitreduktion an (Korrelation: -0,56).
Kaum jemand, der im Zuge der Corona-Krise weniger gearbeitet hat, möchte in Zukunft seine Arbeitszeit erhöhen
Man könnte annehmen, dass Personen, die im Zuge der Corona-Krise eine deutliche Arbeitszeitreduktion erfahren haben, künftig wieder mehr arbeiten möchten. Die Daten des Corona-Panels weisen jedoch auf gegenteilige Ergebnisse hin: Die tatsächliche Veränderung der Arbeitszeit im Vergleich zur Zeit vor dem Lockdown entspricht dem Wunsch vieler Menschen. Dies trifft sowohl auf eine stattgefundene Arbeitszeiterhöhung als auch auf eine stattgefundene Arbeitszeitverkürzung zu (Korrelation: 0,41). Die meisten Menschen, die in den vergangenen Monaten eine tatsächliche Arbeitszeitverkürzung erlebt haben, wollen ihre Wochenarbeitszeit in Zukunft nicht wieder auf ihr gewohntes Arbeitszeitniveau vom Februar des Jahres oder darüber hinaus erhöhen (siehe Abbildung 4). Das gilt für Personen, die im Juni 2020 – wenn auch in reduzierter – Beschäftigung waren. Die Einstellung arbeitsloser Menschen wird in diesem Zusammenhang nicht erfasst. Für Arbeitslose sind mitunter deutlich abweichende Ergebnisse zu erwarten. Inwiefern nun die Corona-Krise Anlass für das Verlangen, weniger zu arbeiten, gegeben hat, kann durch die vorliegenden Daten ebenfalls nicht beurteilt werden.
Ob Kurzarbeit oder nicht: Die Befragten wünschen sich eine Verkürzung der Arbeitszeit
Eine wesentliche Maßnahme, um Betriebe im Zuge des Lockdowns zu entlasten und Menschen vor der Arbeitslosigkeit zu schützen, war der Rückgriff auf ein Kurzarbeitsmodell. Hegen Personen, die im Zuge der Corona-Krise in Kurzarbeit waren, einen anderen Wunsch nach Arbeitsveränderung als Personen, die nicht in Kurzarbeit waren? Die Ergebnisse des Corona-Panels zeigen keine erheblichen Unterschiede. Personen, die in Kurzarbeit waren, weisen einen ähnlichen Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung auf wie Personen, die nicht von Kurzarbeit betroffen waren (siehe Abbildung 5). Die Frage, inwiefern dieser Wunsch auch bei – mitunter erheblichem – Verdienstentgang aufrechterhalten werden würde, bleibt offen. Dazu liegen keine Daten vor. Die Corona-Krise wird nichtsdestotrotz als Anlasspunkt für mögliche Veränderungen in der Arbeitswelt gesehen (siehe Blog 69). Mehr als die Hälfte der Befragten befürwortet, dass Mitarbeiter*innen ihre Arbeitszeiten, wenn möglich, künftig frei wählen dürfen sollten („sehr dafür“, „eher dafür“). Fast 70 Prozent der Befragten wollen nach der Corona-Krise eine Reduktion des Leistungsdrucks in der Arbeitswelt.
Zusammenfassung und Fazit
Die Corona-Krise bringt Bewegung in die Arbeitszeit – und in die Arbeitszeitdebatte. Zwischen Februar und Juni 2020 sahen sich viele Österreicher*innen mit einer Arbeitszeitreduktion konfrontiert. Das Wiederhochfahren der österreichischen Volkswirtschaft bedeutet für viele Arbeitnehmer*innen ein Zurück in die alte Normalität. Abschläge bei der Wochenarbeitszeit im Vergleich zur Zeit vor dem Lockdown sind jedoch für jede*n vierte*n Österreicher*in immer noch allgegenwärtig.
Um drohende Kündigungswellen nach Ablauf des Kurzarbeitsmodells entgegenzuwirken, werden nun Forderungen nach einer Arbeitszeitverkürzung laut. Mehr als die Hälfte der Befragten steht einer Reduktion der eigenen Arbeitszeit positiv gegenüber (54%). Daran ändert auch die tatsächliche Erfahrung mit Arbeitszeitveränderungen in den vergangenen Monaten wenig: Es zeigt sich, dass kaum Beschäftigte, die im Zuge der Corona-Krise kürzer gearbeitet haben, in Zukunft ihre Arbeitszeit erhöhen möchten. Personen, die in Kurzarbeit waren oder sind, weisen einen ähnlichen Wunsch zur Arbeitszeitverkürzung auf wie Personen, die diese Erfahrung nicht teilen.
Franziska Windisch arbeitet als Studienassistentin am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Sie studiert im Bachelor Politikwissenschaft.
Laurenz Ennser-Jedenastik ist Assistenzprofessor am Institut für Staatswissenschaft und forscht und lehrt dort zu Sozialpolitik, Gewerkschaften, politischen Eliten und Parteien.
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