Von: Laurenz Ennser-Jedenastik
Das Schlagwort „Negative Campaigning“ war im Wahlkampf 2017 allgegenwärtig. Die Parteien warfen einander vor, „Negative Campaigning“ – oder gar „Dirty Campaigning“ – zu benutzen, um die politische Konkurrenz schlechtzumachen (Stichwort Silberstein-Affäre).
Was ist Negative Campaigning?
In der wissenschaftlichen Forschung versteht man unter Negative Campaigning Wahlwerbung, bei der nicht das eigene Programm oder Personal, sondern die Kritik am politischen Gegner im Vordergrund steht. Die Bandbreite für Negative Campaigning ist groß – sie reicht von rein sachlicher Kritik bis hin zu persönlich untergriffigen und manchmal sogar rufschädigenden Botschaften (Dirty Campaigning). Die Grenze zwischen legitimer sachlicher Kritik und dem bloßen „Anpatzen“ einer Person ist dabei in der Praxis fließend. Deswegen wird bei AUTNES die gesamte Bandbreite von Negative Campaigning erfasst.
Wie messen wir Negative Campaigning?
Die Darstellungen unten zeigen das Ausmaß an Negative Campaigning anhand von Presseaussendungen der Parteien in den Wahlkämpfen von 1999 bis 2017, jeweils in den sechs Wochen vor der Wahl. Jede Presseaussendung, bei der der Aussender sich im Titel kritisch gegenüber einem anderen Politiker, einer anderen Partei, der Bundes- oder einer Landesregierung äußert, zählt als Negative Campaigning. Das kann von recht milden Meinungsverschiedenheiten („Gusenbauer an Grasser: Mit einer Steuersenkung bis 2005 zu warten, ist der falsche Weg“) bis hin zu Angriffen unter der Gürtellinie reichen („Lopatka: Gusenbauer steht für Misswirtschaft und Lügenpropaganda“).
Wie viel Negative Campaigning gibt es und wer betreibt es?
Abbildung 1 zeigt, dass zwischen 31 und 42 Prozent aller Presseaussendungen der Parteien in den Wahlkämpfen von 1999 bis 2017 Angriffe auf den politischen Gegner enthielten. Negative Campaigning erreichte 2002 und 2006 einen Höchststand (die Wahlkämpfe nach den Regierungsperioden Schüssel I und Schüssel II). Obwohl Negative Campaigning auch 2017 ein großes Thema im Wahlkampf war, war das tatsächliche Ausmaß an Negativität in den Presseaussendungen deutlich geringer als in den Jahren zuvor.
Nach Parteien betrachtet ergibt sich allerdings ein differenzierteres Bild. Während sonst die SPÖ oft die am wenigsten angriffigsten Presseaussendungen aufweist (vor allem in den Jahren, in denen sie als Kanzlerpartei in den Wahlkampf geht), verzeichnet die ÖVP 2017 einen starken Rückgang an Negativität. Im Gegensatz dazu erreicht die FPÖ 2017 einen Rekordwert von 50 Prozent. Jede zweite Presseaussendung enthielt eine Attacke.
Die starke Abnahme bei der ÖVP 2017 mag zum einen an einer geänderten Wahlkampfstrategie (Stichwort „neuer Stil“) liegen. Zum anderen ist aber zu beobachten, dass bei allen Parteien zwischen 2008 und 2017 die Anzahl an Presseaussendungen stark abnimmt – am stärksten bei der ÖVP. Der Rückgang an Negativität könnte also auch daher rühren, dass Negative Campaigning von Presseaussendungen in andere Kanäle wandert – etwa in die sozialen Medien. Um diese Hypothese zu testen, braucht es aber noch tiefergehende Untersuchungen des AUTNES-Datenmaterials, das auch Facebook- und Twitter-Accounts der Parteien umfasst.
Wer wird angegriffen?
Zum Schluss zeigt Abbildung 3, welche Ziele sich die Parteien für ihre Attacken aussuchen – hier wurden alle sechs Wahlkämpfe pro Partei zusammengefasst (die jeweils angegriffene Partei ist durch die Parteifarbe identifiziert). Die allermeisten Angriffe erfolgen in Richtung SPÖ und ÖVP, Grüne und FPÖ werden weit seltener zum Ziel. Dieses Muster hält interessanterweise auch dann, wenn SPÖ und ÖVP gemeinsam regieren – Koalition schützt also nicht vor gegenseitigen Attacken. Zudem sieht man, dass neben der Parteigröße auch Ideologie eine Rolle spielt: Die SPÖ etwa greift eher die FPÖ an als die Grünen. Gleichermaßen richtet die FPÖ mehr Attacken auf die SPÖ als auf die ÖVP, die Grünen zielen dafür eher auf Schwarz denn auf Rot.
Rückfragen: laurenz.ennser@univie.ac.at, +43-1-4277-49713
Laurenz Ennser-Jedenastik ist seit Oktober 2014 Universitätsassistent (Post-Doc) am Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien. Von September 2009 bis März 2013 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Austrian National Election Study (AUTNES). 2013 und 2014 war er im Rahmen eines Erwin-Schrödinger-Stipendiums des FWF an der Universität Leiden (Niederlande) tätig.