Von: Anita Bodlos, Martin Haselmayer, Teresa Haudum
Das Thema Immigration dominierte im Wahlkampf 2017 die zahlreichen Fernsehdebatten [1] und war ein wichtiger Bestandteil der medialen Berichterstattung. Eine umstrittene Studie über muslimische Kindergärten polarisierte und in der Öffentlichkeit wurden Kürzungen von Sozialleistungen für Zuwanderer oder die oft zitierte Schließung der Balkanroute intensiv diskutiert.
Diese medial vermittelte Wahrnehmung des Themas Migration im Wahlkampf wirft die Frage auf, wie intensiv Parteien selbst dieses Thema angesprochen haben. Wurde das Thema Migration im Vergleich zu Wahlkämpfen der vergangenen zwei Jahrzehnte wichtiger? Hat sich der Fokus der Parteien im Bereich der Immigrations- und Integrationsagenden verändert?
Wie oft sprachen Parteien im Wahlkampf über Immigration?
Die nationale Wahlstudie AUTNES (Austrian National Election Study) analysiert unter anderem die Themen der Wahlkämpfe in den Presseaussendungen der Parteien von 1999 bis 2017. Die systematische Analyse umfasst jeweils die letzten sechs Wochen des Nationalratswahlkampfs. Für jede Presseaussendung werden das wichtigste Thema des Titels und des Untertitels erfasst.
Abbildung 1 zeigt den Anteil aller Aussendungen, die Migrationsthemen beinhalten im Vergleich zu zwei traditionell wichtigen Wahlkampfthemen: Wirtschaft und Arbeit. Gegenüber früheren Wahlkämpfen weisen die Ergebnisse auf einen Bedeutungszuwachs des Themas Immigration hin. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre stieg die Bedeutung des Themas von etwa zwei Prozent auf rund acht Prozent aller Aussendungen an. Im vergangenen Wahlkampf sprachen Parteien in den Presseaussendungen etwas mehr über Fragen wie Zuwanderung, Asyl, Integration oder den Islam als über wirtschaftspolitische Themen. Trotz dieser deutlichen Bedeutungssteigerung ist Immigration nach wie vor nicht das Top-Thema in der Wahlkampfkommunikation der Parteien. Es nimmt einen ähnlichen Anteil ein wie die Themen Gesundheit, Bildung und Kultur, Sicherheit oder Korruption und liegt deutlich hinter dem Thema Arbeit. Das könnte darauf hindeuten, dass die mediale Aufmerksamkeit für das Thema deutlich höher war als jene der Parteien. Sobald die laufende AUTNES-Untersuchung der Medienberichterstattung abgeschlossen ist, kann diese Möglichkeit tiefergehend analysiert werden.
Welche Parteien sprachen am meisten über Immigration?
Wählerinnen und Wähler stufen die Kompetenz von Parteien je nach Thema unterschiedlich ein: traditionell werden etwa sozialdemokratische Parteien als kompetenter bei wohlfahrtsstaatlichen Themen angesehen, christdemokratische und konservative Parteien haben Vorteile bei Wirtschaftsfragen. Grüne Parteien gelten bei Umweltfragen als kompetent und rechtspopulistische Parteien profitieren von Themen wie Sicherheit oder Migration. Die politikwissenschaftliche Forschung geht davon aus, dass Parteien besonders jene Themen im Wahlkampf thematisieren sollten, bei denen sie von einer größeren Wählergruppe als kompetent angesehen werden. Welche Parteien setzen tatsächlich stärker auf das Thema Immigration?
Mit einem Anteil von rund 16 Prozent thematisierte die FPÖ Immigration im Wahlkampf 2017 am häufigsten (siehe Abbildung 2). Auch die zweite Oppositionspartei, die Grünen (14 Prozent), setzte stark auf dieses Thema.[2] Die ÖVP verwies in etwa neun Prozent aller Presseaussendungen auf Immigrationsfragen, während die SPÖ deutlich seltener darauf einging (rund 2 Prozent). Im Vergleich mit früheren Wahlkämpfen fällt auf, dass mit Ausnahme der SPÖ alle Parteien Immigration im Wahlkampf 2017 bisher am stärksten thematisierten.
Welche Rolle spielte der Islam im Wahlkampf 2017?
Der Themenbereich Immigration beinhaltet Meldungen, die sich mit dem Asylwesen, Integration oder dem Islam auseinandersetzen. Im vergangenen Wahlkampf rückte besonders der Islam in den Fokus der Parteien (siehe Abbildung 3). 2006 haben die Parteien erstmals den Islam prominent in ihren Presseaussendungen angesprochen (ca. acht Prozent aller Immigrationsthemen).[3] 2017 war der Islam bereits in jeder dritten Presseaussendung zu Immigration das zentrale Thema. Dieser Anstieg scheint eine veränderte Diskussion des Themas Immigration widerzuspiegeln.
Die Ergebnisse zeigen, dass Parteien im Wahlkampf 2017 im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen mehr über Immigration gesprochen und besonders dem Islam mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben. Dennoch war es nicht das wichtigste Thema der Parteien im Wahlkampf. Von Seiten der Parteikommunikation in den Presseaussendungen kann man deshalb nicht von einem „Ausländerwahlkampf“ sprechen. Weitergehende Forschung wird der Frage nachgehen, ob diese Ergebnisse auch für andere Kommunikationsmittel wie Social Media und Wahlprogramme zutreffen. Außerdem bleibt zu klären, inwieweit sich die beschriebene Themenagenda mit den Themenpräferenzen der Wählerinnen und Wähler und der Medienagenda deckt.
[1] So zeigt etwa eine Erhebung der APA, dass in den TV-Debatten am meisten über die Themen Migration und Asyl gesprochen wurde.
[2] Diese Zahlen beziehen sich ausschließlich darauf, wie oft Parteien dieses Thema angesprochen haben und nicht, welche Position Parteien vertreten. Ein genauerer Blick in die Daten zeigt, dass die FPÖ Immigration eher ablehnt und sich oft gegen die Aufnahme von Flüchtlingen oder islamischen Einrichtungen äußerte. Die Grünen thematisierten in ihren Presseaussendungen hingegen öfter Rassismus und unterstützende Integrationsmaßnahmen (wie Sprachförderung).
[3] Wie weiter oben geschildert codieren wir das wichtigste Thema der Titel und Untertitel der Presseaussendungen. Obwohl der Islam erst 2006 in unseren Daten aufscheint, können wir nicht ausschließen, dass Parteien schon früher im Fließtext von Presseaussendungen über dieses Thema gesprochen haben.
Rückfragen an: martin.haselmayer@univie.ac.at, Tel.: 01-4277-49714
Anita Bodlos ist Universitätsassistentin (Prae-Doc) am Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien. Davor studierte sie Politikwissenschaft sowie Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien und verbrachte ein Auslandssemester an der Sciences Po Paris. Sie war studentische Mitarbeiterin bei der Supply Side der Austrian National Election Study (AUTNES) und Studienassistentin am Institut für Staatswissenschaft, sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei AUTNES.
Martin Haselmayer ist Universitätsassistent (Prae-Doc) am Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien. Davor war er Mitarbeiter der Österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES) im Team 'Media-Side‘, sowie wissenschaftliche Hilfskraft und Projektmitarbeiter am Institut für Staatswissenschaft. Er hat das Studium der Politikwissenschaft und Romanistik in Wien, Aix-en-Provence und Lyon absolviert.
Teresa Haudum ist Studienassistentin am Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien. Sie studiert Politikwissenschaft und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien.