Corona-Dynamiken - 01.05.2021 - PDF
Wem die Bürger*innen in der Corona-Krise (noch) vertrauen
- Von den untersuchten Institutionen im Zeitraum März 2020 bis April 2021 bringen die Bürger*innen der Wissenschaft und dem Gesundheitswesen das höchste Vertrauen entgegen. Das Bundesheer und die Polizei genießen ebenfalls weiterhin vergleichsweise hohe Vertrauenswerte.
- Das Vertrauen in das Parlament, die Bundesregierung sowie in den ORF ging seit März 2020 besonders stark zurück.
- Am geringsten ist das Vertrauen in die Europäische Union (EU), welches über die Zeit hinweg gleich geblieben ist.
Von Felix Krejca, Julia Partheymüller und Sylvia Kritzinger
Gerade in Krisenzeiten spielt das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen eine wichtige Rolle. Aus der Forschung wissen wir, dass Vertrauen ein wichtig Indikator ist, damit Maßnahmen wirkungsvoll sind und die Solidarität in der Gesellschaft erhöht werden kann. In der Corona-Krise wurde vor allem das Gesundheitssystem einem Belastungstest unterzogen und die Politik erlegte den Bürger*innen viele Maßnahmen auf. Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag, wie sich das Vertrauen in verschiedene Institutionen im Zeitverlauf der Corona-Krise entwickelt hat. Hierfür wurde das Vertrauen in folgende Institutionen im ACPP in regelmäßigen Intervallen abgefragt: Vertrauen in die Bundesregierung, das Parlament, die Polizei, das Gesundheitswesen, das Bundesheer, der ORF, und - in größeren zeitlichen Abständen - in die Wissenschaft und die EU.
Abbildung 1 zeigt das durchschnittliche Vertrauen der Bevölkerung, das wir wiederholt im Zeitraum von März 2020 bis April 2021 auf einer Skala von 0 “überhaupt kein Vertrauen” bis 10 “sehr viel Vertrauen” gemessen haben.
Fast alle abgefragten Institutionen haben im Verlauf der Corona-Krise an Vertrauen verloren, was unter anderem darauf zurückführen ist, dass es in der Frühphase der Krise zu einem starken Anstieg des Vertrauens in öffentliche Institutionen durch einen sogenannten Rally-Effekt gekommen war. Am stärksten vertrauten die Bürger*innen zuletzt im März/April 2021 der Wissenschaft und dem Gesundheitswesen – zwei Bereiche, die über den Zeitverlauf am wenigsten an Vertrauen eingebüßt haben. Die Durchschnittswerte liegen für diese beiden Bereiche bei rund 6.5 (auf einer 11er-Skala von 0 bis 10).
Am stärksten verloren die Bürger*innen an Vertrauen in die Bundesregierung, das Parlament und den ORF. Während zu Beginn der Krise das Vertrauen in die Bundesregierung mit einem Wert von 7.1 überdurchschnittlich hoch lag, ist dieses mittlerweile unter das Vorkrisenniveau (Jänner 2020: ca. 4.8, Aichholzer et al. 2020) gefallen und lag im April bei 4.2. Auch das Vertrauen in das österreichische Parlament hat denselben Verlauf genommen, mit einem Durchschnittswert von 4.3 im April 2021. Weiters hebt sich der Vertrauenswert für den ORF hervor: Während zu Beginn der Corona-Krise der ORF zunächst hohes Vertrauen von Seiten der österreichischen Bevölkerung genoß, ist dieses im Laufe der letzten 13 Monate von einem Wert von 6.5 auf 4.7 gesunken. Für die Polizei und das Bundesheer können wir beobachten, dass sich nach dem “Vertrauenshöhenflug” zu Beginn der Krise das Vertrauen auf stabil hohen Werten bei einem Durchschnittswert von rund 6 einpendelt.
Einen Ausreißer nach unten in Sachen Vertrauen stellt die EU dar: So stieg das Vertrauen in die EU – im Gegensatz zu den nationalen Institutionen – im Vergleich zur Zeit vor der Krise kaum an (Jänner 2020: ca. 4.0, Aichholzer et al. 2020) und verharrte seitdem auf niedrigem Niveau. Der EU wird also von allen betrachteten Institutionen am wenigsten Vertrauen entgegengebracht.
Insgesamt zeigen die Dynamiken für die verschiedenen Institutionen sowohl Gemeinsamkeiten als auch unterschiedliche Muster. Zu Beginn der Corona-Krise brachte die österreichische Bevölkerung beinahe allen öffentlichen Institutionen großes Vertrauen entgegen. Der sogenannte Rally-Effekt – ein enormer Vertrauensvorschuss in Krisenzeiten – erfasste also nicht alleinig die Regierung, wie oft gedacht, sondern auch weitere Institutionen – allerdings interessanterweise nicht: supranationale Institutionen wie die EU. Die politischen Institutionen – Regierung und Parlament – verloren im Zeitverlauf besonders stark an Vertrauen, was zum Teil als eine Rückkehr zur parteipolitischen Normalität gedeutet werden kann. Das Vertrauen in den ORF weist einen ähnlichen Verlauf auf, was darauf hindeutet, dass dessen Berichterstattung kritischer beurteilt wird. Um den Zusammenhang zwischen dem Vertrauen in Medien und die Politik genau eruieren zu können, bedürfe es jedoch weiterführender Analysen. Auch wenn das Vertrauen in die Politik stark zurückging, vertraut die Bevölkerung weiterhin in großem Ausmaß den anderen Institutionen: der Wissenschaft, dem Gesundheitswesen, dem Bundesheer, und der Polizei.
Felix Krejca ist Studienassistent bei VieCER im H2020 Projekt RECONNECT.
Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES).
Sylvia Kritzinger ist Professorin für Methoden in den Sozialwissenschaften am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien, eine der Projektleiter*innen der Austrian National Election Study (AUTNES) und stellvertretende Leiterin des Vienna Center for Electoral Research (VieCER).
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