26.11.2020 - PDF

Wie die bisherige Corona-Teststrategie eingeschätzt wird: noch zu langsam, noch zu wenig

  • Für eine große Mehrheit dauert die Übermittlung von Corona-Testergebnissen noch zu lange.
  • Nur ein geringer Anteil meint, dass derzeit „zu viel“ getestet wird.
  • Die Möglichkeit schneller Testmöglichkeiten für alle wird als unzureichend eingeschätzt.
  • Die Hälfte aller Befragten würde sich bei einem Verdachtsfall im sozialen Umfeld auch tatsächlich selbst testen lassen; ein Viertel lehnt dies eher ab.

Von Julian Aichholzer

Im Zuge der Coronavirus-Pandemie wurden verschiedene Strategien zur Eindämmung entwickelt, unter anderem die Durchführung von Corona-Tests innerhalb der Bevölkerung. Grundsätzlich sieht die derzeitige Strategie vor, dass sowohl Personen mit Symptomen, die einen Verdacht auf COVID-19 nahelegen, sowie enge Kontaktpersonen von Infizierten im Zuge der Kontaktnachverfolgung getestet werden sollten. Diese Test-Strategie ist zuweilen aus unterschiedlichen Richtungen kritisiert worden: Während manche Kritiker*innen beklagen, dass die Testkapazitäten nicht ausreichen und die Übermittlung der Ergebnisse zu lange dauern würde, sagen andere, dass insgesamt zu viel getestet werde, wodurch die Fallzahlen und somit die Gefahrenlage künstlich zu hoch eingeschätzt würden. Zudem mag bei allen Regelungen nicht immer klar sein, wer sich wann testen muss, was tun bei so genannten „Verdachtsfällen“ oder was tun zwischen Testergebnis und etwaiger Quarantäne.

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich dieser Beitrag mit der bisherigen Test-Strategie im Zuge der Coronavirus-Pandemie aus Sicht der österreichischen Bevölkerung. Konkret gefragt wurde im Austrian Corona Panel Project (ACPP) nach der Einschätzung der „staatlichen Corona-Tests in Österreich“. Geplante neuartige Massentests, wie sie zuletzt durch Bundeskanzler kurz angekündigt wurden, konnten noch nicht berücksichtigt werden, da bisher noch viele Details ungeklärt sind.

Von der Wartezeit zur Quarantänezeit

Unsicherheit besteht dann, wenn unklar ist, ob eine getestete Person positiv ist und ob sich diese und etwaige weitere Personen in Quarantäne begeben müssen – je länger die Wartezeit, desto größer der Unsicherheitsfaktor. Noch im Oktober 2020 überwiegt die Wahrnehmung, dass die Übermittlung von Corona-Testergebnissen „zu lange dauert“ (62% trifft voll und ganz/eher zu), während kaum jemand dieser Aussage widerspricht (nur ca. 8%, bei 10% weiß nicht; Abbildung 1). Kritik an zu langen Wartezeiten findet sich insbesondere unter Personen mit sehr hoher formaler Bildung, über-60-jährigen Personen, unter Wiener*innen, unter jenen, die aktuelle Maßnahmen als ineffektiv erachten, sowie jenen, die eine große persönliche Gefahr wahrnehmen (jeweils rund 70% trifft voll und ganz/eher zu; Details nicht dargestellt).

Testen, testen, testen – oder doch zu viel?

Bei allem Testaufkommen überwiegt unter den Befragten dennoch die Meinung, dass derzeit nicht „zu viel getestet“ wird (ca. 51% lehnen diese Aussage ab; Abbildung 1). Dennoch unterstützen knapp 25% diese Aussage, d.h. im Umkehrschluss: ein Viertel würden tendenziell weniger Tests bevorzugen. Im Detail zeigt sich: Wer mit der Bilanz der Regierung in dieser Krise unzufrieden ist, stimmt dieser Aussage eher zu (45% vs. 13% unter jenen, die zufrieden sind). Auch wer durch die Coronavirus-Pandemie eine geringe Gefahr für sich selbst sieht, neigt eher zur Meinung, es werde zu viel getestet (37% vs. 15% unter jenen, die eine große subjektive Gefahr sehen).

Einschätzung der Testkapazitäten

In der Befragung (Oktober 2020) wird die Möglichkeit „für alle sich schnell testen zu lassen“ noch als größtenteils unzureichend angesehen, denn nur knapp 19% der Befragten stimmen dieser Aussage zu, wohingegen bei rund 37%, also mehr als einem Drittel, Unsicherheit darüber vorherrscht (teils-teils oder weiß nicht) und 44% verneinen diese Aussage tendenziell (siehe Abbildung 1). Ein Beispiel für eine schnelle und kostenfreie Möglichkeit sind die seit Kurzem in Wien verfügbaren „Teststraßen“. Tatsächlich sind Wiener*innen (26% vs. 17%) eher der Meinung, es wäre für alle möglich sich schnell testen zu lassen (26% vs. 17% in anderen Bundesländern). Ansonsten gibt es dabei kaum markante Unterschiede in Bevölkerungsgruppen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die zukünftige Strategie mit Massentestungen, wie kolportiert wurde, diese Einschätzung ändern wird.

Eigenes Verhalten bei Verdachtsfällen

Unklarheit kann bestehen, ob bei einem so genannten „Verdachtsfall“ selbst ein Test vorgenommen werden soll. Knapp die Hälfte (49%) aller Befragten würde sich hypothetisch bei einem Verdachtsfall im persönlichen Umfeld auch selbst auf eine Coronavirus-Infektion testen lassen. Jeweils ein Viertel ist sich dabei unsicher (26% teils-teils oder weiß nicht) oder sieht diese Reaktion bei Verdachtsfällen als weniger notwendig an (25%). Über-60-Jährige Personen stimmen der Notwendigkeit einer Testung eher zu (67%) als Jüngere (ca. 39% sowohl unter den bis 30- sowie den bis 45-Jährigen) oder jene, die eine größere subjektive Gefahr einer Erkrankung sehen (62% vs. 40% bei kleiner Gefahr). Doch auch wer mit der Regierungsbilanz zufriedener ist, wäre eher bereit, sich testen zu lassen (60%) als Unzufriedene (36%).

Abbildung 1: Einstellungen zur bisherigen Corona-Teststrategie in Österreich [Daten: Austrian Corona Panel Project, gewichtet; Welle 16 (16.-23. Okt. 2020)].

Fazit

Die Erhebung im Oktober 2020 offenbart, dass die bisherige staatliche Corona-Teststrategie durchaus kritisch gesehen wird. Ein Großteil der Bevölkerung scheint unzufrieden mit aktuellen Wartezeiten auf Testergebnisse, was gewisse Engpässe in den Testkapazitäten offenbart. Gleichzeitig scheint ein Bedarf sich testen zu lassen vorhanden zu sein, wobei der umfassende Zugang dazu meist als unzulänglich (da womöglich nicht kostenfrei) erachtet wird – eine Ausnahme bilden Personen aus Wien. Gleichzeitig äußern Wiener*innen die größte Unzufriedenheit über Wartezeiten.

Welche Implikationen lassen sich für die möglichen breiten Massentests ab Dezember ableiten? Auch in diesem Beitrag zeigt sich, ähnlich zur Einschätzung anderer Regierungsmaßnahmen, dass eine teilweise Polarisierung im Umgang mit der Pandemie besteht, wie bspw. ob man sich selbst testen lassen würde. Diese Polarisierung wird sich vermutlich fortsetzen. Es muss daher auch Aufgabe sein, das nötige Vertrauen herzustellen, um eine von Seiten der Regierung gewünschte freiwillige Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen. Wie andere Beiträge zeigen, ist das persönliche Mittragen der Regierungsmaßnahmen neben subjektiver Gefahreneinschätzungen durch das Coronavirus ein zentraler Indikator der Impfbereitschaft.


Julian Aichholzer ist Universitätsassistent (Post-Doc) am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und mit dem Austrian Corona Panel Project, der Austrian National Election Study sowie dem Forschungsverbund Interdisziplinäre Werteforschung assoziiert.