07.05.2020
Medienvertrauen in der Corona-Krise
- 56% der Befragten haben eher viel oder sehr viel Vertrauen in die Berichterstattung zur Corona-Krise. Dieser Wert ist höher als bei der Berichterstattung zu Themen Migration und Asyl (31%), Umwelt und Klima (44%) oder Innenpolitik (51%).
- Potentielle Wähler*innen der ÖVP oder der Grünen haben tendenziell ein höheres Vertrauen in die Berichterstattung als Personen, die wahrscheinlich eine andere Partei wählen.
- Potentielle FPÖ-Wähler*innen weisen ein niedriges Vertrauen in die Berichterstattung zur Corona-Krise auf.
- Personen, die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie Parteien- und Behördenkommunikation als Informationsquelle für die Corona-Krise nutzen, haben ein höheres Vertrauen in die Corona-Berichterstattung.
- Personen, die sich über alternative Nachrichtenseiten (z. B. Unzensuriert, ZackZack etc.) oder “Influencer” auf sozialen Medien informieren, zeigen signifikant niedrigeres Vertrauen in die Corona-Berichterstattung.
Von Dimitri Prandner und Jakob-Moritz Eberl
Medienberichterstattung ermöglicht es breiten Teilen der Bevölkerung, über politische, wirtschaftliche, und gesellschaftliche Ereignisse auf dem Laufenden zu bleiben, die außerhalb der eigenen Erfahrungswelt stattfinden. Nachrichten über aktuelles Geschehen helfen das eigene Leben und Erlebte besser zu verstehen und sich in der Gesellschaft zurecht zu finden. In Zeiten der Corona-Krise ist dies besonders bedeutsam, da durch Ausgangsbeschränkungen, Social Distancing und andere Maßnahmen die Relevanz medialer Informationen nochmals zugenommen hat.
Zeitgleich stellt sich im postfaktischen Zeitalter aber auch die Frage: Wird Informationen, die über Medien bezogen werden, überhaupt noch Vertrauen geschenkt? Seit Jahren forcieren bestimmte politische und gesellschaftliche Gruppierungen diese Debatte mit Kampfbegriffen, wie z.B. “Fake-News” oder “Lügenpresse”. Dabei zeigen Studien in Österreich, wie auch in anderen Ländern, dass Zusammenhänge zwischen politischer Orientierung, genutzten Informationsquellen und Medienvertrauen existieren.
Während vergangene Blogbeiträge das Informationsverhalten der Österreicher*innen in der Krise thematisiert haben und dem Zusammenhang zwischen Mediennutzung und Desinformationsgrad nachgegangen sind, wird in diesem Beitrag das Vertrauen in die Medienberichterstattung genauer beleuchtet. Konkret: (1) Wie hoch ist das Vertrauen in die Medienberichterstattung zur Corona-Krise? (2) Gibt es dabei erkennbare Zusammenhänge zwischen Vertrauen und Parteipräferenz? Und (3) spielt das eigene Informationsverhalten eine Rolle hinsichtlich des Medienvertrauens? Wir verwenden dafür die Daten der vierten Welle unserer Panel-Umfrage.
Vertrauen in die Berichterstattung zur Corona-Krise höher als bei anderen Themen
Internationale Studien zeigen, dass das Medienvertrauen der Österreicher*innen vergleichsweise gering ist. Diese Erkenntnis spiegelt sich auch in den Daten des Austrian Corona-Panels wider. In der Umfrage wurden die Befragten gebeten, ihr Vertrauen in die Berichterstattung über unterschiedliche Themen auf einer 11er Skala festzuhalten. 0 steht dabei für “überhaupt kein Vertrauen” und 10 für “sehr viel Vertrauen”. Lediglich 14% der Befragten haben ein sehr hohes Vertrauen in die Medienberichterstattung zur Corona-Krise kommuniziert (d.h. Werte 9 und 10 auf der Skala ausgewählt). Vergleicht man aber selbst diesen eher niedrigen Wert mit anderen rezenten gesellschaftlichen Herausforderungen (z. B. Klimakrise oder Migrationsbewegung) bzw. der Berichterstattung zur Innenpolitik im Allgemeinen (siehe Abbildung 1), so zeigt sich, dass die von uns Befragten in Sachen Corona-Krise durchwegs ein signifikant höheres Vertrauen in die Medienberichterstattung haben, als bei anderen Themen .
Während sowohl bei Klima- als auch Asylfragen der Anteil von Medien-Skeptiker*innen (d.h. jenen, die einen Skalenwert zwischen 0 und 1 ausgewählt haben) größer ist, als der Anteil derjenigen, die den Berichten voll und ganz vertraut (Skalenwerte 9 und 10), ist dies bei der Corona-Krise nicht der Fall. Dennoch korreliert die Einschätzung des Medienvertrauens zwischen allen vier Themen stark: das heißt, wer kein Vertrauen in die Berichterstattung zu Zuwanderung und Asyl hat, hat tendenziell auch wenig Vertrauen in die Berichterstattung zum Thema Corona-Krise.
Vertrauensbonus bei potenziellen ÖVP- und Grün-Wähler*innen
Da wir davon ausgehen, dass das Vertrauen in die Corona-Medienberichterstattung zumindest mit Parteipräferenzen und Mediennutzung der Befragten, aber auch mit zahlreichen zusätzlichen Faktoren in Verbindung stehen kann, haben wir ein sogenanntes multivariates Regressionsmodell berechnet (siehe methodische Anmerkungen am Ende des Beitrags).
Vertrauen in mediale Berichterstattung steht erwiesenermaßen in engem Zusammenhang mit der politischen Einstellung der Bürger*innen: Insbesondere zeigt sich in vielen Studien, dass Wähler*innen rechtspopulistischer Parteien ein sehr geringes Medienvertrauen haben. Auch aus unseren Daten lässt sich ein solcher Zusammenhang ablesen (siehe Abbildung 2): Die traditionell medienskeptische Gruppe der FPÖ-Sympathisant*innen hat mit einem Durchschnittswert von 5,1 ein deutlich geringeres Vertrauen in die Berichterstattung zur Corona-Krise als alle anderen Wähler*innengruppen. Zwischen den Sympathisant*innen der anderen im Parlament vertretenen Parteien zeigen sich nur leichte Unterschiede. Tendenziell sind die Vertrauenswerte bei den wahrscheinlichen ÖVP- und Grün-Wähler*innen am Höchsten. Sie gaben im Schnitt Vertrauenswerte von 6,7 bzw. 6,6 an. Bei den SPÖ- und Neos-Sympathisant*innen lagen die durchschnittlichen Werte mit 6,3 und 6,0 leicht darunter.
Höchstes Vertrauen bei den Nutzer*innen von öffentlich rechtlichen Angeboten, niedrigstes bei den Nutzer*innen alternativer Medien
Ein weiterer Trend, der sich in der Corona-Krise fortsetzt, ist der Zusammenhang zwischen geringerem Vertrauen in mediale Berichterstattung und dem Informationsverhalten. Die Nutzung von traditionellen Informationsangeboten, also z.B. den Fernsehnachrichten oder der Zeitungsberichterstattung, geht oftmals mit erhöhtem Vertrauen in politische Institutionen, wie auch Journalismus, einher. Umgekehrt gibt es Studien, die einen negativen Zusammenhang zwischen der Nutzung sogenannter “alternativer Medienangebote”, d. h. Medien die Positionen abseits des gesellschaftlichen Konsens vertreten und verbreiten, und Medienvertrauen feststellen.
Auch in unseren Daten zeigt sich ein entsprechend differenzierteres Bild, wenn man die Nutzer*innen und Nicht-Nutzer*innen verschiedener Informationsangebote vergleicht (Abbildung 3a und Abbildung 3b). Das Vertrauen in die Corona-Berichterstattung ist bei Befragten, die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Informationsquelle zur Corona-Krise nutzen, im Durchschnitt mit 6,2 am höchsten ist. Verweigerer*innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben den niedrigsten Vertrauenswert (5,0) in der Stichprobe. Befragte, die sich über Parteien- und Behördenkommunikation (z. B. auf Parteien-Websites oder Pressekonferenzen via Livestream) informieren, haben im Schnitt auch ein höheres Vertrauen in die Corona-Berichterstattung, als Befragte, die sich nicht auf diesem Weg informieren. Andererseits zeigt sich, dass Befragte, die angeben alternativen Medien (z. B. Unzensuriert, ZackZack, Russia Today, etc.) oder Influencer*innen auf sozialen Medien als Informationsquellen zur Corona-Krise zu nutzen, im Schnitt die mitunter niedrigsten Vertrauenswerte aufweisen (5,0 und 5,3).
Vertrauensbonus “Corona”?
Die Daten unserer Befragung zeigen, dass das Vertrauen in die mediale Berichterstattung zur Corona-Krise signifikant höher ausfällt als bei Vergleichsthemen. Ob sich dieser Vertrauensbonus auch langfristig auf das allgemeine Vertrauen in den österreichischen Journalismus auswirken wird, bleibt abzuwarten. Denn: Nicht nur scheinen die Befragten zwischen der Berichterstattung zu unterschiedlichen Themen zu differenzieren, es besteht auch insgesamt noch Luft nach oben was das Medienvertrauen betrifft (Median: 6 auf einer Skala von 0 bis 10).
Erwartungsgemäß zeigen sich in unseren Analysen scharfe Trennlinien entlang der politischen Präferenzen. Daraus lässt sich schließen: Was als vertrauenswürdige Berichterstattung wahrgenommen wird, ist nicht immer ein objektiver Wert sondern liegt manchmal auch im Auge der Betrachtenden. Außerdem scheint das Vertrauen in mediale Berichterstattung mit der Nutzung stark institutionalisierter Informationsangebote einherzugehen (d. h. öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Parteien- und Behördenkommunikation). Am geringsten ist wiederum das Medienvertrauen bei Personen, die sich fernab des institutionalisierten Angebots über die Krise informieren (z. B. alternative Medien und Influencer auf sozialen Medien). Ob diese tatsächlich vertrauenswürdigere Informationsquellen und eine passende Alternative zur journalistischen Berichterstattung darstellen ist allerdings schwer zu bezweifeln.
Dimitri Prandner ist als Senior Scientist (Post-Doc) am Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Salzburg und an der Abteilung für empirische Sozialforschung der Universität Linz tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Nachrichtensoziologie, des politischen Informationsverhalten und der quantitativen Umfrageforschung.
Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.
Methodische Anmerkungen
Um verschiedene mögliche Einflussfaktoren auf das Vertrauen in die Corona-Berichterstattung der zu identifizieren, haben wir ein sogenanntes multivariates Regressionsmodell berechnet und dabei neben Parteipräferenzen und Mediennutzung individuelle Faktoren wie Alter, Geschlecht, Bildung und Ideologie berücksichtigt. Dies ist wichtig, um die Unterschiede, die sich aus der unterschiedlichen sozialen Zusammensetzung verschiedener Wähler*innen und Medien-Nutzer*innengruppen ergeben, aus den Ergebnissen herauszurechnen.
Abgebildet sind die Koeffizienten eines linearen Regressionsmodells (Abbildung A1). Die Wahrscheinlichkeit die jeweilige Partei jemals zu wählen (Parteipräferenz) wurde mittels einer 11er Skala abgefragt (0 = “sehr unwahrscheinlich”, 10 “sehr wahrscheinlich”). Befragte, die bei einer oder mehreren Parteien einen Wert von 7 bis 10 angegeben haben, wurden als “wahrscheinliche Wähler*innen” der jeweiligen Partei(en) klassifiziert. Die Nutzung der einzelnen Informationsquellen ist binär codiert, d. h. es wurde der Wert 1 eingetragen, wenn die Informationsquelle öfter als einmal pro Woche genutzt wurde; ansonsten der Wert 0. Die Zielvariable ist das Vertrauen in die Corona-Berichterstattung, welcher auf einer 11er Skala erfasst wurde; wo 0 für “überhaupt kein Vertrauen” und 10 für “sehr viel Vertrauen” steht. Mit den Werten dazwischen konnten die Befragten ihre Einschätzung abstufen. Überschreitet das 95% Konfidenzintervall (d.h. die Antennen am Kreissymbol) die 0 Linie, besteht kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit die jeweilige Partei zu wählen bzw. Der Nutzung der jeweiligen Informationsquelle und dem Vertrauen in die Corona-Berichterstattung. Je positiver der Koeffizient, desto höher ist das Vertrauen bei dieser Gruppe an Befragten. Je negativer der Koeffizient, desto niedriger ist das Vertrauen bei dieser Gruppe an Befragten.
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