26.05.2021 - PDF

Krisenvorsorge: Die österreichische Bevölkerung setzt auf den Staat, weniger auf Eigenvorsorge

  • Die österreichische Bevölkerung bringt den staatlichen Einrichtungen großes Vertrauen bei der Krisenvorsorge entgegen und erwartet, dass der Staat selbst in einem akuten Katastrophenfall die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln, die medizinische Versorgung, die öffentliche Sicherheit sowie die Energie- und Wasserversorgung gewährleisten kann.
  • Nur ein Drittel der Bevölkerung hätte im Katastrophenfall ausreichend Lebensmitteln und Medikamenten für mehrere Wochen vorrätig.
  • Vergleichsweise viele achten jedoch bewusst auf ihr psychisches Wohlbefinden. 

Von Valentina Ausserladscheider und Julia Partheymüller

Die Coronakrise hat gezeigt wie rasch für uns Selbstverständliches, wie zum Beispiel medizinische Grundversorgung, zu einem knappen Gut werden kann. Nach mehr als einem Jahr Pandemie stellt sich daher die Frage, welche Lehren wir für die Sicherung der Basisversorgung aus solchen Krisensituationen ziehen können: Wie man sich in Zukunft besser auf solche Krisenfälle vorbereiten? Wer trägt die Hauptverantwortung, die Grundversorgung in Krisenzeiten zu sichern? Welche Rolle spielen staatliche Einrichtungen Staat im Krisenfall? Welche Maßnahmen zur Krisenbewältigung kann die österreichische Bevölkerung im Privatem ergreifen? Dieser Blog beleuchtet das Meinungsbild zur Basisversorgung im Katastrophenfall.

In Sachen Krisenvorsorge vertraut die österreichische Bevölkerung auf den Staat

Den Befragten des Austrian Corona Panel Project wurde im April 2021 die Frage gestellt: “Wie viel Vertrauen haben Sie, dass die staatlichen Einrichtungen in einem akuten Katastrophenfall die Basisversorgung über vier Wochen sicherstellen können?” Wie Abbildung 1 zeigt, vertraut mehr als die Hälfte der ACPP-Befragten grundsätzlich darauf, dass der Staat die Basisversorgung von Grundnahrungsmitteln, medizinischer Grundversorgung, öffentlicher Sicherheit und Energie- bzw. Wasserversorgung im Katastrophenfall für vier Wochen aufrecht erhalten kann. 68% bzw. 67% der Befragten (dunkel- bis hellblau in Abbildung 1 sprechen den staatlichen Einrichtungen grundsätzliches Vertrauen aus, die Basisversorgung von Grundnahrungsmitteln bzw. Energie- und Wasserversorgung sicherstellen zu können. Ähnlich hoch sind die Vertrauenswerte für die medizinische Grundversorgung und die öffentliche Sicherheit (64% bzw. 60% grundsätzliches Vertrauen).

Abbildung 1: Vertrauen der Bevölkerung, dass die staatlichen Einrichtungen in einem akuten Katastrophenfall die Basisversorgung über vier Wochen sicherstellen können (Daten: ACPP, Welle 22, 16.-23. April 2021, gewichtet)

Eigene Aktivitäten zur Stärkung der Kapazität zur Krisenbewältigung

Abgesehen vom Vertrauen in die staatlichen Institutionen, haben wir auch Aktivitäten ermittelt, die die Bevölkerung unternehmen kann, um selbst auf Krisen vorbereitet zu sein und mit Krisensituationen zurechtzukommen. Wir haben dazu gefragt, inwiefern die die Umfrageteilnehmer*innen Lebensmittel und Medikamente für mehrere Wochen vorrätig halten, auf ihr psychisches Wohlbefinden achten, Nachbarschaftshilfe leisten, regelmäßig Sport treiben oder sich musisch-kreativ oder handwerklich betätigen (siehe Abbildung 2). Laut Aussage der Befragten scheint vor allem das Bewusstsein über das psychische Wohlempfinden im Vordergrund zu stehen: 55% der Befragten achten bewusst auf ihr psychisches Wohlempfinden (“trifft voll und ganz zu”/”trifft eher zu”). Für Strategien wie Lebensmittel und Medikamente mehrwöchig vorrätig zu haben oder auch regelmäßig Sport zu betreiben, zeigt sich ein gemischtes Bild: Für 33% der Befragten trifft das aktive Anlegen eines mehrwöchigen Vorrats von Lebensmitteln und Medikamenten “voll und ganz zu” (13%) und “eher zu” (20%), während für 34% das Gegenteil der Fall ist (20% “trifft eher nicht zu”/14% “trifft gar nicht zu”). Ein ähnliches Bild zeigt sich beim regelmäßigen Sport. Die aktive Nachbarschaftshilfe und die regelmäßige Betätigung von musisch-kreativen oder handwerklichen Aktivitäten sind vergleichsweise wenig verbreitet: Beide Aktivitäten werden von 42% der Befragten eher nicht bzw. gar nicht ausgeübt.

Abbildung 2: Eigene Aktivitäten zur Stärkung der Kapazität zur Krisenbewältigung (Daten: ACPP, Welle 22, 16.-23. April 2021, gewichtet; Frageformulierung: “Inwiefern treffen die folgenden Aussagen auf Sie zu oder nicht zu?”)

Fazit

Während dieser Pandemie wurde die Relevanz der Sicherung von Basisversorgung sowie der persönlichen Krisenresilienz für das individuelle sowie gesellschaftliche Wohlbefinden besonders sichtbar. Unsere Analysen zeigen diesbezüglich, dass ein Großteil der Befragten den staatlichen Einrichtungen in Sachen Basisversorgung im Katastrophenfall großes Vertrauen entgegen bringt. Im Gegensatz dazu legen sich nur ein Drittel einen eigenen mehrwöchigen Vorrat an Lebensmitteln und Medikamenten zu. Viele Befragte achten jedoch bewusst auf ihr psychisches Wohlbefinden und stärken in dieser Weise ihre Kapazität zur Krisenbewältigung. Zusammenfassend lässt sich hier als Tendenz beobachten, dass die Bevölkerung in Krisenzeiten auf die staatlichen Einrichtungen vertraut, während die individuelle Vorsorge weniger verbreitet ist.


Valentina Ausserladscheider ist seit 2021 Universitätsassistentin (Post-Doc) am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und Research Affiliate am Department of Sociology an der University of Cambridge. 

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Sie ist Mitglied des Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES).