03.05.2021 - PDF
Einhaltung und Befürwortung der Corona-Maßnahmen in den Bundesländern
- Regionale Unterschiede in Corona-Maßnahmen hatten erkennbare Effekte auf die Corona-Neuinfektionen.
- Bewohner*innen Wiens und der Ostregion (jüngst im Lockdown) berichten eine größere Einhaltung der wichtigsten Corona-Maßnahmen.
- Corona-Maßnahmen finden in Wien, auch im Vergleich zu Niederösterreich und dem Burgenland, die größte Unterstützung.
- Abseits der Ostregion werden tendenziell weniger strenge Maßnahmen befürwortet.
Regionale Maßnahmen
Zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie galten bislang weitgehend einheitliche Regeln für alle Bundesländer Österreichs. Eine Besonderheit der letzten Wochen war, dass einige Bundesländer diesen Pfad verlassen und weitreichende eigene regionale Maßnahmen beschlossen haben. Grund waren relativ höhere Infektionszahlen und eine starke Intensivbettenauslastung.
Ein sogenannter „strenger Lockdown“ galt seit 1. April in Wien, dem Burgenland und Niederösterreich. Dieser wurde im Burgenland etwas früher (mit 18. April) wieder aufgehoben, in Wien und Niederösterreich erst am 2. Mai. Vorarlberg galt wiederum seit 15. März als „Testregion“ mit weitgehenden Öffnungen, die sowohl Veranstaltungen in Innenräumen als auch Tagesgastronomie mit Test- und Maskenpflicht ermöglichten. Die östlichen Bundesländer konnten seither eine Verringerung der sogenannten 7-Tages-Inzidenz verzeichnen, insbesondere Vorarlberg hingegen einen markanten Anstieg (siehe Abbildung 1).
Werden Verhaltensregeln unterschiedlich eingehalten?
Bisherige Beiträge haben gezeigt, dass die Gefährlichkeit des Coronavirus in den einzelnen Bundesländern durchaus unterschiedlich eingeschätzt wird, beispielsweise als vergleichsweise hoch in Wien. Der vorliegende Beitrag zeigt anhand der aktuellen Erhebung des Austrian Corona Panel Project (ACPP; 16.-23. April 2021), wie Maßnahmen in den Bundesländern (1.) unterschiedlich eingehalten und (2.) bewertet werden. Zur Auswertung werden aufgrund der oftmals kleinen Stichprobengrößen (z.B. Vorarlberg oder das Burgendland), und der daraus folgende Unschärfe, vier Regionen (Westen: Vbg./T./Sbg./OÖ; Süden: Ktn./Stmk.; Osten: NÖ/Bgld. und außerdem Wien) zusammengefasst.
Laut Selbstberichten der Befragten wird von allen geltenden Regeln der Mindestabstand zu anderen Personen am häufigsten eingehalten (österreichweit: 80% „immer/meistens“), gefolgt vom Maskentragen in der Öffentlichkeit (65%) und dem Zuhausebleiben außer für Notwendigkeiten (58%; siehe Abbildung 2). Bewohner*innen der jüngst im Lockdown befindlichen Bundesländer – Wien, Niederösterreich und Burgenland – äußern im Vergleich zu anderen Regionen eine stärkere Einhaltung des zuhause Bleibens, Wien zudem eine größere Befolgung des Einhaltens von 2m Abstand zu anderen Personen. Mit Ausnahme des Tragens einer Schutzmaske sind diese regionalen Unterschiede jeweils statistisch signifikant.
Welche Maßnahmen sollten gelten?
Die öffentliche Diskussion um Maßnahmen zur Pandemieeindämmung verläuft gleichzeitig entlang der Sinnhaftigkeit und Unterstützung dieser Maßnahmen (siehe auch hier). Im Folgenden dargestellt sind lediglich einige der am häufigsten diskutierten: Kontakte außerhalb des Haushalts einschränken, Schließung der Gastronomie, der Schulen (Volks- und höhere Schulen) oder des Handels (abseits der Grundversorgung) sowie verpflichtende Zutrittstest zur Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen.
Die Ergebnisse des ACPP zeigen teils große (statistisch hoch signifikante) Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen Österreichs, welche Maßnahmen „auf jeden Fall/eher“ gelten sollten werden (siehe Abbildung 3). Auffallend ist die hohe Unterstützung aller Maßnahmen in Wien, während Befragte abseits der Ostregion vergleichsweise weniger strenge Maßnahmen fordern. Selbst die Frage, ob Kontakte außerhalb des Haushalts eingeschränkt werden sollten, ist umstritten, findet sogar nur bei rund der Hälfte der Bevölkerung (österreichweit: 50% „auf jeden Fall/eher“) breite Unterstützung – mit deutlichen regionalen Differenzen. Schulschließungen (österreichweit: 26%) finden aktuell im Osten Österreichs (jüngst im Lockdown) die größte Unterstützung. Schließlich variiert die Befürwortung von Zutrittstests regional nur wenig (österreichweit: 62%) bzw. fällt wiederum nur in Wien, aber auch im Süden Österreichs etwas höher aus.
Fazit
Der Beitrag zeigt, dass Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in den Bundesländern aktuell offenbar unterschiedlich eingehalten und auch als unterschiedlich sinnvoll bewertet werden. Tendenziell sticht die Ostregion und, allen voran, Bewohner*innen Wiens durch eine höhere Normbefolgung und Befürwortung verschiedenster Maßnahmen hervor. Dies sind jene Bundesländer, die – wie eingangs aufgezeigt – stärker von COVID-19-Neuinfektionen betroffen waren und daher eine längere Phase des Lockdowns hinter sich bringen mussten. Dies bestätigt auch Ergebnisse früherer Analysen, dass dort, wo Fallzahlen besonders hoch sind, auch die Zustimmung zu Maßnahmen höher ist.
Die Ergebnisse werfen gleichzeitig ein Licht auf den politischen „Balanceakt“. Die Befunde ließen ebenso die Aussage zu: obwohl gewisse Freiheitseinschränkungen in der Ostregion gegolten haben, werden Maßnahmen weiterhin unterstützt, das heißt ihre Sinnhaftigkeit wird anerkannt. Offenbar, so legen die Unterschiede Wiens zu Niederösterreich und dem Burgenland nahe (siehe Abbildung 3), wurden die Sinnhaftigkeit der gesetzten Maßnahmen aber unterschiedlich erfolgreich kommuniziert.
Andere Bundesländer, die auf starke Öffnung (Reduktion von Maßnahmen) setzen konnten und wollten, stehen womöglich bald vor dem Problem, dass neuerliche Einschränkungen nicht mehr mitgetragen werden. Die teils geringe Zustimmung zu Maßnahmen könnte, da sie unmittelbar mit deren Einhaltung einhergeht, so zum Problem werden.
Julian Aichholzer ist Universitätsassistent (Post-Doc) am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und im Austrian Corona Panel Project, der Austrian National Election Study sowie dem Forschungsverbund Interdisziplinäre Werteforschung assoziert.
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