22.03.2021 - PDF
Impfbereitschaft in Österreich stabil – Doch nicht jeder Impfstoff gleich beliebt
- Die Impfbereitschaft in Österreich bleibt (seit der letzten Befragung im Jänner 2021) unverändert: 47 Prozent der Bevölkerung wollen sich weiterhin so bald wie möglich impfen lassen.
- Von allen Impfstoffen wird am ehesten jener von BionTech/Pfizer bevorzugt. Am wenigsten vertraut wird dem Impfstoff von AstraZeneca.
- Insbesondere ältere Personen (über 65 Jahre), Befragte mit Hochschulabschluss und Wähler*innen von Grünen und NEOS weisen eine besonders hohe Impfbereitschaft auf.
Von Jakob Moritz-Eberl, Julia Partheymüller und Katharina T. Paul
Mitte März setzten unter anderem Deutschland, Frankreich und Dänemark die Verabreichung des Impfstoffs von AstraZeneca aus. Der Impfstoff, der lange aufgrund seiner niedrigen Kosten und seiner einfachen Lagerung als besonderer Hoffnungsträger galt, hatte zum wiederholten Male für negative Schlagzeilen gesorgt. Nachdem im September 2020 zuerst die Unterbrechung der Phase-3-Studie in Folge der Abklärung einer Erkrankung eines Probanden ungünstige Schlagzeilen bescherte, sorgte ein technischer Fehler bei der Durchführung der Studie, der zu unterschiedlichen Dosierungen führte, für Verwirrung hinsichtlich der Wirksamkeit des Impfstoffs. Zudem wurden dann Lieferengpässe vom Pharmaunternehmen vermeldet, und es mangelte an ausreichenden Daten zur Wirksamkeit des Impfstoffs für die Altersgruppe 65+. Zuletzt war es nun ein möglicher Zusammenhang mit einer äußerst selten auftretenden Form von Hirnvenenthrombosen, der Schlagzeilen machte. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA bestätigte wenige Tage nach dem Impfstopp in vielen europäischen Ländern das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis und betonte, dass der AstraZeneca Wirkstoff weiterhin als sicher und effizient eingeschätzt werde. Den Image-Schaden, den das Vakzin durch diese Entwicklungen erlitten hatte, konnte sie damit aber mutmaßlich wohl nicht mehr abfangen.
Im Rahmen des Austria Corona Panel Projects haben wir wiederholt die Haltung der österreichischen Bevölkerung gegenüber der Coronavirus-Schutzimpfung ermittelt. Im März 2021 erfragten wir zudem erstmals die Impfbereitschaft für Impfstoffe verschiedener Hersteller. Da laufend neue Impfstoffe zugelassen werden und Impfprogramme dadurch auch angepasst werden, beschäftigen wir uns in dieser Analyse mit der Frage, inwiefern sich die Impfbereitschaft in Österreich je nach Vakzin unterscheidet.
Zeitliche Entwicklung der Einstellungen zur Coronavirus-Schutzimpfung
Seit unserem letzten Update im Jänner 2021 zeigt die zeitliche Entwicklung der Einstellung zur Coronavirus-Schutzimpfung in Abbildung 1 vor allem eines: Stabilität. In unserer Befragung vom März 2021 geben 47 Prozent der Befragten an, dass die Aussage “Ich werde mich ehestmöglich impfen lassen” auf sie “voll und ganz” oder “eher” zutrifft. Die Impfbereitschaft ist damit genauso hoch wie im Jänner 2021 und etwa gleich hoch wie im Mai des Vorjahres. Obgleich die Zustimmung zu einer Impfpflicht für alle (27%) im Vergleich zur letzten Befragungswelle etwas zugenommen hat, sind hier allzu bald keine Mehrheiten zu erwarten. Die Zustimmung zur Aussage, dass der Impfstoff gratis zur Verfügung gestellt werden sollte, hat im Vergleich zur letzten Befragungswelle wieder leicht abgenommen, bleibt aber weiterhin auf hohem Niveau (79%).
Bewertung von Impfstoffen von verschiedenen Herstellern
Nach der zeitlichen Entwicklung folgt nun eine tiefergehende Analyse der aktuellen Impfstoff-spezifischen Impfbereitschaft in Österreich (Abbildung 2). Laut unserer Befragung ist der Impfstoff von BionTech/Pfizer, der auch als erster in der EU zugelassen wurde, jener Impfstoff, mit dem sich die meisten Befragten unmittelbar in der nächsten Woche “auf jeden Fall” bzw. “eher schon” impfen lassen würden (66%). Nur 17 Prozent der Befragten geben an, sich zumindest in unmittelbarer Zukunft mit diesem Impfstoff “eher nicht” bzw. “auf gar keinen Fall” impfen lassen zu wollen. Beim zweiten zugelassenen Impfstoff, der durch das Unternehmen AstraZeneca und die britische Oxford University entwickelt wurde, sieht dies ganz anders aus: Nur 23 Prozent geben an, sich “eher schon” bzw. “auf jeden Fall” damit impfen lassen zu wollen. Ganze 57 Prozent lehnen diesen Impfstoff dezidiert ab. Bei den Impfstoffen Moderna und Johnson & Johnson überwiegt wieder der Anteil der Impfwilligen. 52 Prozent der Befragten würden sich mit Moderna und 46 Prozent mit dem erst kürzlich zugelassenen Impfstoff von Johnson & Johnson impfen lassen, würden sie die Möglichkeit bekommen. Jeweils etwa 20 Prozent der Befragten können diesem Gedanken nichts abgewinnen und würden sich eher nicht oder auf keinen Fall mit diesen Impfstoff impfen lassen. Zuletzt haben wir noch nach dem russischen Impfstoff Sputnik V gefragt, der in der EU allerdings noch nicht zugelassen ist. Hier ist das Verhältnis zwischen Impfwilligen und jenen, die diesen Impfstoff eher bzw gänzlich ablehnen, gedreht. Dennoch liegt der Anteil der Impfwilligen mit 28 Prozent über jenem bei AstraZeneca. Der Anteil jener, die diesem Impfstoff kritisch gegenüberstehen bzw ihn gar gänzlich ablehnen, ist hier mit 37 Prozent zwar höher als bei BionTech/Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson aber noch immer deutlich niedriger als bei AstraZeneca.
Impfbereitschaft in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen
Um die Impfstoff-spezifische Impfbereitschaft in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu untersuchen, haben wir unsere Befragten anhand mehrerer individueller Eigenschaften eingeteilt, die wir im Folgenden miteinander vergleichen (Abbildung 3). Beim Alter zeigt sich, dass Befragte über 65 Jahren eine grundsätzlich hohe Impfbereitschaft aufweisen, wenn es um die Impfstoffe BionTech/Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson geht. Bei AstraZeneca und Sputnik V ist die Gruppe ähnlich zurückhaltend oder zurückhaltender als die Jüngeren. Beim Geschlecht zeigen sich keine auffälligen Muster, bis auf die bereits berichtete etwas niedrigere Impfbereitschaft bei weiblichen Befragten. Auch hier hat der Impfstoff von BionTech/Pfizer allerdings eine Sonderstellung, da er fast keine geschlechtsspezifischen Unterschiede aufweist (66 % vs. 64 %). Beim Bildungsabschluss zeigt sich, im Vergleich zu vergangenen Blog-Beiträgen, zum ersten Mal ein deutliches Muster: 81 Prozent der Befragten mit Hochschulabschluss (in der Grafik: “Hoch+”) würden sich “eher schon” oder “auf jeden Fall” mit BionTech/Pfizer impfen lassen, bei Befragten ohne Lehrausbildung oder Matura sind es nur 55 Prozent. Jene mit Hochschulabschluss sind außerdem die einzige Gruppe, bei der AstraZeneca (39 %) noch deutlich mehr Zuspruch erlebt als Sputnik V (35 %). Letztlich zeigt die Analyse nach Parteipräferenz noch die bekannten impfkritischen Neigungen unter FPÖ-Wähler*innen sowie Nicht-Wähler*innen. Außerdem überraschen FPÖ-Wähler*innen als die einzige Gruppe, bei welcher der nicht zugelassene Impfstoff Sputnik V (33 %) mit den zugelassenen Impfstoffen von Moderna (35%) und Johnson & Johnson (36 %) fast gleichauf liegt.
Fazit
Die Grundeinstellungen zur Coronavirus-Schutzimpfung haben sich trotz der Berichterstattung rund um den Impfstoff von AstraZeneca seit Jänner wenig verändert. Insbesondere bleibt die Impfbereitschaft stabil. Während zwei Drittel der Österreicher*innen bereit wären, sich sofort mit dem Impfstoff von BionTech/Pfizer impfen zu lassen, herrscht deutlich größere Zurückhaltung gegenüber dem Impfstoff von AstraZeneca sowie auch gegenüber dem noch nicht zugelassenen Impfstoff Sputnik V. Die Impfstoffe von Moderna und Johnson & Johnson sind bisher weniger bekannt und liegen insgesamt hinsichtlich der Impfbereitschaft im Mittelfeld.
Wie soll es weitergehen mit dem Impfstoff von AstraZeneca und was ergibt sich für die österreichische Impfkampagne? Es ist klar, dass die medizinische Fachwelt möglichen Nebenwirkungen nachgehen muss und die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) dementsprechend Daten zu möglichen Nebenwirkungen weiter erheben wird. Gleichwohl wären für die Öffentlichkeit sachliche Aufklärung und Information wünschenswert – und dies auch in einer Art und Weise, die verschiedene Gruppen anspricht - und zwar jenseits jener mit hohem Bildungsabschluss. Hierbei stehen Behörden, Wissenschaft und Medien vor Herausforderungen. Zugleich muss auch die Politik auf Unsicherheiten der Bürger*innen bezüglich einzelner Impfstoffe eingehen und sichtbar machen, wie die Sicherheit der neuen Impfstoffe garantiert wird.
Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.
Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES).
Katharina T. Paul ist seit 2013 senior research fellow (Post-Doc) und Lektorin am Institut für Politikwissenschaft und seit 2019 Mitglied der Forschungsgruppe Zeitgenössische Solidaritätsstudien (CeSCoS). In ihrem FWF Elise Richter Projekt forscht sie zu vergleichender Gesundheitspolitik, insbesondere Impfpolitik.
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