29.04.2022 - PDF

Gesundheitskompetenz in Zeiten von COVID-19

  • Die größten Herausforderungen bestehen im Umgang mit Gesundheitsinformationen aus den Medien, insbesondere aus dem Internet.
  • Auch das Beurteilen von Vor- und Nachteilen von Behandlungen sowie die Informationssuche zum Umgang mit psychischen Problemen bereiten Schwierigkeiten.
  • Es besteht ein moderater Zusammenhang zwischen der Gesundheitskompetenz und dem Impfstatus: Personen mit einer sehr geringen Gesundheitskompetenz sind am seltensten gegen das Coronavirus geimpft.

Von Florian Holl, Christina Walcherberger, Thomas Resch und Julia Partheymüller

Durch die Corona-Krise ist das Thema Gesundheit stark in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt. Angesichts der schier endlosen Flut an Informationen stellt sich jedoch die Frage, wie leicht oder schwer es den Österreicher*innen dabei fällt, die für sie relevanten Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden. Das Konzept der Gesundheitskompetenz probiert dies mittels Selbsteinschätzungen abzubilden. 2011 es das erstmals im Zuge einer international vergleichenden Studie, dem European Health Literacy Survey (HLS-EU 2011), gemessen. Österreich schnitt damals im Vergleich bedeutend schlechter als andere Länder ab, und zeigte somit einen deutlichen Handlungsbedarf auf. Dies führte unter anderem 2012 dazu, dass die „Stärkung der Gesundheitskompetenz“ der österreichischen Bevölkerung als eines von zehn Gesundheitszielen vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit und Pflege definiert wurde. Eine weitere umfangreiche Studie seitens der ÖPGK aus dem Jahr 2020 (HLS 19‐AT) ließ nur eine leichte Verbesserung der Gesundheitskompetenz erkennen. Besondere Herausforderungen zeigten sich u.a. im Umgang mit Gesundheitsinformationen aus den Medien - insbesondere aus digitalen Medien -, im Bereich von Behandlungen und Therapien sowie im Umgang mit psychischen Problemen. Vor diesem Hintergrund wurden im Zuge des Austrian Corona Panel Project (ACPP) im März 2022 zehn Fragen zur allgemeinen sowie auch zur digitalen Gesundheitskompetenz aus den früheren Studien übernommen und erneut abgefragt, um zu ermitteln, inwieweit die Gesundheitskompetenz mit dem Gesundheitsverhalten in der Pandemie, insbesondere dem Impfstatus, zusammenhängt.

Herausforderungen im Umgang mit Gesundheitsinformationen

Abbildung 1 zeigt die Verteilungen der Antworten für die Fragen zur allgemeinen und digitalen Gesundheitskompetenz. Besonders hervorstechend ist die Selbsteinschätzung im Hinblick auf digitale Gesundheitskompetenz. Insgesamt 69 Prozent, das sind mehr als zwei Drittel der Befragten, gaben an, dass es für sie schwierig oder sehr schwierig ist, zu beurteilen, ob hinter Gesundheitsinformationen aus dem Internet wirtschaftliche Interessen stehen. Für ebenfalls gut zwei Drittel aller Respondent*innen ist es gleichfalls „schwierig“ oder „sehr schwierig“ nachzuvollziehen, wie vertrauenswürdig Gesundheitsinformationen aus dem Internet sind. Aber auch der Umgang mit Gesundheitsinformationen aus Medien generell scheint eine gewisse Herausforderung darzustellen. So gaben 46 Prozent an, dass es schwierig oder sehr schwierig sei, anhand von Informationen aus den Medien zu entscheiden, wie man sich vor Krankheiten schützen kann. Diese Ergebnisse bestätigen insgesamt die Erkenntnis aus der ÖGPK-Studie aus 2020, dass in Österreich besondere Herausforderungen im Bereich der digitalen Gesundheitskompetenz und im Umgang mit Gesundheitsinformationen aus den Medien bestehen. Im Vergleich zur ÖPGK-Studie liegen die im ACPP gemessenen Werte tendenziell durchwegs sogar etwas höher, was aber auch durch Unterschiede im Studiendesign erklärbar sein könnte.

Weiters zeigen sich in Einklang mit früheren Befunden auch Herausforderungen beim Beurteilen von Behandlungsmöglichkeiten sowie im Umgang mit psychischen Problemen.   62 Prozent gaben an, es sei schwierig oder sehr schwierig die Vor- und Nachteile von Behandlungen zu beurteilen. 53 Prozent fanden es schwierig oder sehr schwierig, relevante Informationen zu finden, wie man mit psychischen Problemen umgeht. Am leichtesten fällt es gemäß den Selbsteinschätzungen Informationen zu Vorsorgeuntersuchungen zu verstehen, Informationen zu ungesunden Lebensgewohnheiten zu beurteilen sowie Empfehlungen von Ärzt*Innen und Apotheker*Innen zu folgen, auch wenn in allen Bereichen gegenüber der ÖPGK-Studie eine Verschlechterung in den Daten des ACPP zu verzeichnen ist.

Abbildung 1: Allgemeine und digitale Gesundheitskompetenz (Daten: ACPP, 18.03.–25.03.2022, N=1.507, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren,1 gewichtet)

Gesundheitskompetenz und Impfstatus

Abbildung 2 zeigt einen Gesundheitskompetenz-Index in Zusammenhang mit dem Impfstatus in Bezug auf die Corona-Schutzimpfung (min. 1 Dosis). Hierzu wurde zunächst für jede befragte Person der Mittelwert aus allen Antworten auf die obigen zehn Fragen berechnet. Anschließend wurden die Befragten anhand des errechneten Index-Werts in vier gleichgroße Gruppen eingeteilt (Quartile). Es zeigt sich ein moderater Zusammenhang zwischen der Gesundheitskompetenz und dem Impfstatus. In der Gruppe mit der geringsten Gesundheitskompetenz waren 21 Prozent der Befragten nicht geimpft, bei einer geringen Gesundheitskompetenz waren dies 16 Prozent. Hingegen waren bei hoher bzw. sehr hoher Gesundheitskompetenz nur 10 Prozent bzw. 13 Prozent nicht geimpft. Anzumerken ist, dass in allen Gruppen die überwiegende Mehrheit der Befragten zumindest einmal geimpft war.

Abbildung 1: Gesundheitskompetenz-Index (Daten: ACPP, 18.03.–25.03.2022, N=1.507, Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung ab 14 Jahren;[1] gewichtet)

Fazit: Die Gesundheitskompetenz als Ressource zur Pandemiebekämpfung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die größten Herausforderungen im Umgang mit Gesundheitsinformationen aus dem Internet und anderen Medien bestehen. Weiters zeigen sich auch Schwierigkeiten beim Abwägen von Nutzen und Risiko von verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten sowie bei der Informationssuche, wie mit psychischen Problemen umgegangen werden kann. Am einfachsten fällt es den Personen nach ihrer Selbsteinschätzung, persönlichen Empfehlungen durch das Gesundheitspersonal zu folgen. Hinsichtlich eines Zusammenhangs mit dem Impfstatus konnte festgestellt werden, dass insbesondere Personen mit einer sehr geringen Gesundheitskompetenz seltener geimpft sind. Die Befunde legen nahe, dass die persönliche Beratung durch Ärzt*innen und Apotheker*innen gestärkt werden sollte, da vielen der Umgang mit Gesundheitsinformationen aus dem Internet und anderen Medien schwer fällt. Zudem sollte ermittelt werden, wie die digitale Gesundheitskompetenz zukünftig gestärkt werden könnte.


Florian Holl arbeitet als Studienassistent am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und ist Teil des Teams des Austrian Corona Panel Project (ACPP). Er studiert im Bachelorstudiengang Politikwissenschaft.

Christina Walcherberger arbeitet als Studienassistentin am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien und ist Teil des Teams des Austrian Corona Panel Project (ACPP). Sie studiert im Bachelorstudiengang Politikwissenschaft.

Thomas Resch ist als Doktorand am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Gerechtigkeitsforschung, Verteilungspräferenzen, Einstellungen gegenüber dem Wohlfahrtsstaat und international vergleichender Analyse von Wohlfahrtsstaaten.

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES).


 

Fußnoten

[1] Die Umfrage des HLS19-AT beruht auf einer Grundgesamtheit ab 18 Jahre. Die Anzahl derjenigen, die zum Zeitpunkt der Befragung unter 18 waren, belief sich auf n=22. Die vorliegende Grafik wurde gesondert mit und ohne unter 18-Jährigen berechnet, allerdings konnte kein Unterschied festgestellt werden.