03.11.2020 - PDF
Die Pandemie könnte den privaten Konsum langfristig reduzieren
- 1 von 5 befragten Personen ist bereit, durch eigenen Konsum Wirtschaft anzukurbeln
- 7 von 10 befragten Personen möchten in Zukunft persönlichen Konsum reduzieren.
- 60% der Befragten können sich vorstellen, geplante Käufe rascher durchzuführen, um Arbeitsplätze zu sichern.
Von Petra Riefler
Die Phase des sogenannten Lockdowns im Frühjahr 2020 war für die Menschen in Österreich eine völlig ungewohnte Erfahrung. Es war für die meisten Generationen ein bislang unbekannter Mangel an Möglichkeiten und eine Zeit des Verzichts. Dieser Verzicht hatte, neben all den Entbehrungen und auch finanziellen Sorgen, für viele Menschen aber auch positive Seiten, wie Befragungen des Instituts für Marketing und Innovation der Universität für Bodenkultur (BOKU) zeigen. Demnach konnten etwa 80 Prozent der Befragten dem Lockdown auch Positives abgewinnen. Häufig wurde von einem Gefühl persönlicher Freiheit und geistigem Wohlbefinden berichtet, gefolgt von finanzieller Entlastung durch weniger Konsum sowie dem Gefühl einer stärkeren Verbindung mit der Natur.
Im Rahmen des Austrian Corona Panel Projects wurde im August 2020 eine repräsentative Stichprobe der österreichischen Bevölkerung (ab 14 Jahre) gefragt, wie sie aktuell und künftig ihren Konsum gestalten möchten. Die Antworten zeigen eine allgemeine Zurückhaltung im Konsum. So sagt ein beachtlicher Anteil von 70 Prozent der befragten Personen, sie möchten in Zukunft versuchen, (eher) weniger zu kaufen und zu besitzen. Diese Tendenz ist bei jüngeren Menschen etwas stärker ausgeprägt als bei älteren, und bei Frauen etwas stärker als bei Männern; insgesamt ist sie jedoch über alle demographischen Bevölkerungsgruppen beobachtbar. Das Vorhaben, weniger zu kaufen ist zudem relativ unabhängig von der aktuellen Einkommenssituation. Auch Menschen, die von der Krise finanziell nicht betroffen sind, sehen eine Konsumreduktion als attraktive Option. Neben einem vermehrten Sparen für mögliche unsichere Zeiten, scheint ein weiteres zugrundeliegendes Motiv die Erkenntnis, dass Konsum und Besitz für ein erfülltes Leben weniger bedeutsam ist, als man denken könnte – dieser Aussage stimmen 8 von 10 Befragten zu.
Die Personen wurden zudem über ihre eigene Rolle für den Wirtschaftsaufschwung nach der Pandemie befragt. Lediglich jede/r Fünfte/r zeigt sich bereit, durch mehr Konsum zu helfen, die Wirtschaft anzukurbeln. Fragt man spezifisch nach dem persönlichen Beitrag zum Erhalt von Arbeitsplätzen in Österreich, so ändert sich das Bild: 60 Prozent der Befragten können sich vorstellen, Käufe, die sie ohnehin geplant hatten, rascher zu tätigen, um mitzuhelfen, Arbeitsplätze zu sichern. Dem stimmen Menschen, die finanziell durch die Krise nicht betroffen sind, etwas häufiger zu als jene, die Einkommensverluste haben.
Insgesamt zeigen die Daten somit eine Tendenz in Richtung weniger privater Konsum in Folge der Gesundheitskrise. Für die Wirtschaftskrise könnte diese Tendenz, wenn in Tat umgesetzt, ungünstig sein. Zeitgleich stellt ein Umdenken der Bevölkerung im Sinne von Suffizienz, dass man auch mit weniger gut oder sogar besser leben kann, eine Chance für die Klimakrise und die Erreichung der Klimaziele dar.
Petra Riefler ist Professorin am Institut für Marketing & Innovation der Universität für Bodenkultur (BOKU). Sie forscht zu den Themen nachhaltiges Konsumverhalten und Suffizienz.
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