15.10.2020 - PDF

Veränderungen der Haushaltseinkommen in der Corona-Krise: Wer ist betroffen?

  • Zwischen Februar und September 2020 haben sich die Nettohaushaltseinkommen im Durchschnitt der Bevölkerung noch nicht erholt. 
  • Junge Menschen (<30) waren besonders stark von Einkommensverlusten betroffen.
  • Höhergestellte Dienstleistungsberufe und Selbstständige mit mittelgroßen bis größeren Unternehmen (mit 11+ Mitarbeiter*innen) verzeichneten häufiger Einkommensgewinne als der Durchschnitt.
  • Menschen mit höherem Bildungsgrad realisierten häufiger Einkommensgewinne.

Von Thomas Resch

Im interimistischen European Economic Summer Forecast 2020, einem wirtschaftlichen Prognosepapier der Europäischen Kommission, wurde für die EU 27 ein Rückgang des realen BIP im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 8,3% vorausgesagt. Für Österreich fiel die EU-Prognose mit -7,1% etwas milder aus. Im Vergleich dazu rechnet das IHS im Oktober mit einem Rückgang des realen BIP Österreichs um 6,7%. Nimmt man die IHS Prognose, so bedeutet dies einen Rückgang des realen BIP pro Kopf und Jahr von 38.170 Euro auf 35.613 Euro von 2019 auf 2020.

In Anbetracht der prognostizierten wirtschaftlichen Lage betrachtet dieser Blogbeitrag zwei Aspekte näher: Erstens wird die wirtschaftliche Situation der in Österreich Lebenden anhand ihres Nettohaushaltseinkommens genauer umrissen und zweitens werden Einkommensveränderungen bestimmter Bevölkerungsgruppen genauer beschrieben.

1. Generelle Einkommensentwicklungen 

Bereits im April belegten Kollegen Einkommenseinbußen in der Frühphase der Corona-Krise und gingen dabei speziell auf die ungleichen Auswirkungen von Kurzarbeit und Home-Office ein.

Abbildung 1 zeigt drei Dinge. Erstens fand der größte Rückgang an Haushaltseinkommen [1] von Februar auf Ende März 2020 statt. Dieser Verlust konnte zweitens bis Mitte September 2020 nicht aufgeholt werden. Drittens waren die Nettohaushaltseinkommen von Anfang April (Welle 2) bis Ende Mai/Anfang Juni (Welle 10) von größeren Schwankungen betroffen als dies ab Mitte Juni (Welle 11) der Fall war. Seit dieser Zeit scheinen die Einkommen stabilere Zuwächse zu verzeichnen. 

Abbildung 1: Links sind die Mittelwerte der Nettohaushaltseinkommen pro Welle und rechts die prozen-tuellen Veränderungen der Nettohaushaltseinkommen zur vorherigen Welle (Welle 1 im Vergleich zu Februar 2020) abgebildet, gewichtet (Quelle: Austrian Corona Panel Project), Welle 1-15. N=1275-919.

Abbildung 2 zeigt die Veränderungen der Haushaltseinkommen von Februar bis Mitte September 2020. Die Grafik ist nach Einkommen im Februar geordnet ist (Y-Achse). So konnten 30% derjenigen, die noch im Februar im niedrigsten Einkommensdezil (1) waren, Einkommensgewinne realisieren. Im Gegensatz dazu haben 42% derjenigen, die im Februar im höchsten Dezil (10) waren, Einkommensverluste erfahren.

Insgesamt haben 25% der Befragten an Einkommen eingebüßt und 22% an Einkommen gewonnen (N=1154). Rechnet man die gewichteten Einkommensverluste und die gewichteten Einkommensgewinne gegeneinander so wurden um 20% stärkere Verluste verzeichnet als Gewinne. [2] Die Einkommensverluste wiegen also verhältnismäßig schwerer als die Gewinne.

2. Einkommensveränderungen nach Soziodemografie

Zunächst illustriert Abbildung 3, dass die Unter-30-Jährigen besonders mit Einkommensverlusten zu kämpfen hatten: Ein Drittel von ihnen hat zwischen Februar und September 2020 mindestens ein Dezil an Einkommen eingebüßt. Menschen mittleren Alters haben im Schnitt Einkommensverluste wie auch Gewinne erfahren und Über-65-Jährige weisen die meiste Stabilität in ihren Einkommen auf.

Abbildung 3: Veränderungen des Nettohaushaltseinkommens geordnet nach Altersgruppe, gewichtet (Quelle: Austrian Corona Panel Project), Welle 15 (11.09.-18.09.2020). N=1154.

Abbildung 4 zeigt die Veränderung des Einkommens, gruppiert nach sozioökonomischem Status. Es ist ersichtlich, dass höhergestellte Dienstleistende und größere Unternehmer*innen (11+ Mitarbeiter*innen) leicht unterdurchschnittliche Verluste und überdurchschnittliche Einkommensgewinne erfahren haben. Selbständige und Kleinunternehmer*innen hingegen verzeichneten deutlich überproportionale Einkommenseinbußen.

Abbildung 4: Veränderungen des Nettohaushaltseinkommens geordnet nach sozioökonomischem Status , gewichtet (Quelle: Austrian Corona Panel Project), Welle 11 (12.06-17.06.2020) für Berufszugehörigkeit und Welle 15 (11.09.-18.09.2020) für die anderen Variablen. N=663.

Sieht man sich die Einkommensveränderungen zwischen Februar und Mitte September 2020 an, so zeigt sich, dass höher Gebildete ebenso Einkommenseinbußen erlitten haben.  Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen den Bildungsschichten in Bezug auf Einkommensgewinne. Hier gilt: Je höher der erreichte Bildungsgrad, desto höher der Anteil der Personen mit Zuwächsen beim Einkommen. Ebenso wie bei der Altersgruppe 65+ (viele Pensionist*innen) ist das Einkommen in der Gruppe mit sehr geringer formaler Bildung weitaus weniger volatil.

Abbildung 5: gewichtet (Quelle: Austrian Corona Panel Project), Welle 15 (11.09.-18.09.2020). N=1154. Veränderungen des Nettohaushaltseinkommens geordnet nach Bildungsniveau.

Fazit

Das reale BIP Österreichs sowie auch die Nettohaushaltseinkommen haben von Februar bis September 2020, und ganz besonders bereits mit Ende März, deutliche Einbrüche erfahren. Die Frage, die im Raum steht, ist, wie sich ein zweiter Lockdown auf Österreichs Wirtschaft auswirken würde. So rechnet etwa die OECD mit zwei möglichen Szenarios: Single vs. Double-hit, also ein Szenario ohne und eines mit einer zweiten Infektionswelle mit einhergehendem Lockdown. Würde ein zweiter Lockdown kommen, so könnte die Wirtschaft um zusätzliche 1,3% schrumpfen

Insgesamt waren die im Austrian Corona Panel abgefragten Haushaltseinkommen von starker Fluktuation geprägt. Nur knapp über 50% der Haushalte konnten ihr Einkommen halten. Zudem überschatten die Verluste die Gewinne sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen. Während besonders die oberen Einkommen deutlich an Einkommen verloren haben, so sind im Durchschnitt dennoch rund 16% der unteren fünf Einkommensgruppen auch von Einkommenseinbußen betroffen. Die unteren Einkommen konnten häufiger Gewinne verzeichnen als die oberen. Dennoch zeichnen sich wachsende einkommensbedingte Spaltungen zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen nach Alter, Bildung und sozioökonomischem Status ab. Um eine noch weiter zunehmende ökonomische Polarisierung zu vermeiden, sollten also die Maßnahme der Kurzarbeit, die Unterstützung für Unternehmer und andere finanzielle Unterstützungen fortgesetzt insbesondere im Hinblick auf die Bedürfnisse kleiner Selbstständiger erweitert werden. Zusätzlich wird der Staat mit Einkommensausfällen durch geringere Steuereinnahmen rechnen müssen. 


Thomas Resch ist als Doktorand am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Gerechtigkeitsforschung, Verteilungspräferenzen, Einstellungen gegenüber dem Wohlfahrtsstaat und international vergleichender Analyse von Wohlfahrtsstaaten.


 

 

Fußnoten

[1] Gemessen in Einkommensdezilen.

[2] Hierfür wird die Anzahl der Betroffenen mit der Anzahl an Auf-/Abstiegen in Dezilen multipliziert. Gleichbleibende Einkommen erhalten den Wert 0. N=1154.