19.05.2020
Was bringt die Zukunft nach Corona? Zukunftserwartungen zwischen persönlichem Optimismus und gesellschaftlichem Pessimismus
- 62% der Österreicher*innen gehen davon aus, dass sich die Lebensumstände im Land in den nächsten Jahren verschlechtern werden.
- Besonders Frauen, Personen mit geringer formaler Bildung und Personen über 60 gehen häufiger davon aus, dass sich die gesellschaftliche Lage verschlechtern wird.
- Aber nur 25% der Österreicher*innen gehen davon aus, dass ihre persönlichen Lebensumstände in den nächsten Jahren schlechter werden.
- Die Daten aus dem Corona-Panel zeigen, dass ein “unrealistischer Optimismus” für die eigene Lage existiert.
Von Dimitri Prandner, Robert Moosbrugger und Christoph Glatz
Die Frage, was die Zukunft bringt, beschäftigt in der Corona-Krise viele Österreicher*innen. Wie lange wird die Krise andauern? Was sind die langfristigen Konsequenzen? Wie stark wird man selbst davon betroffen sein? Der folgende Blogbeitrag geht der Frage nach, inwieweit die Österreicher*innen davon ausgehen, dass sich a) ihre persönlichen Lebensumstände und b) die Lebensumstände in Österreich in den nächsten Jahren verändern werden. Die Analysen basieren auf der fünften Welle des Corona-Panels, wo die Befragten für beide Bereiche ein Urteil fällen konnten: Von einem pessimistischen “deutlich verschlechtern” hin zu einem optimistischen “deutlich verbessern”.
Unrealistischer Optimismus in der Krise?
Bereits in den Jahren vor der Corona-Pandemie war in vielen Ländern Europas ein zunehmender Zukunftspessimismus erkennbar. Oftmals wird die zunehmendeVerteilungsungleichheit – von materiellen Gütern hin zu gesellschaftlichen Teilhabechancen – als Erklärungsansatz herangezogen. Auffällig ist, dass die eigene Zukunft und die Zukunft der Gesellschaft in der man lebt, unterschiedlich beurteilt werden: die Entwicklung der eigenen Lebensumstände wird typischerweise optimistischer beurteilt, da diese kontrollierbarer erscheinen, während Urteile über die Entwicklung der Gesellschaft pessimistischer ausfallen.
Diese Diskrepanz kann über den Schutzmechanismus des „unrealistischen Optimismus“ begründet werden; also der Vorstellung, dass negative Entwicklungen eher andere treffen, während man selbst verschont bleibt. Auch die Daten des Corona-Panels zeigen eine entsprechende Tendenz, wie u.a. Kalleitner, Schiestl und Kittel in ihrem Beitrag zu den wahrgenommenen Gefahren durch Corona illustrieren konnten. Die Folgen für Österreich werden als schlimmer eingeschätzt als für einen selbst. Die hier behandelten Fragen zu den Zukunftserwartungen zeigen ein vergleichbares Muster (siehe Abbildung 1).
Annähernd zwei Drittel der Befragten des Corona-Panels gehen davon aus, dass sich die Lebensumstände in Österreich in den kommenden Jahren deutlich oder zumindest etwas verschlechtern werden. Verglichen mit 2018 ist das ein Anstieg von 20 Prozentpunkten. Beim Sozialen Survey Österreich waren 40% der Befragten dieser Ansicht. Dem gegenüber steht die Beurteilung der persönlichen Zukunft: Hier geht nur ein Viertel davon aus, dass es deutlich oder etwas schlechter wird. Dennoch: Die gemessenen Werte zeigen einen signifikanten Abwärtstrend im Vergleich zu 2018. Besonders auffällig ist dabei, dass ein größerer Anteil an Befragten im Corona-Panel skeptisch in die eigene Zukunft blickt. Im SSÖ überwogen die Optimist*innen.
Wer sind die Optimist*innen und Pessimist*innen in der Krise?
Die Daten des Corona-Panels zeigen, dass die Beurteilung der Entwicklung der Lebensumstände in Zusammenhang mit demographischen Merkmalen steht.
Am auffälligsten ist der Zusammenhang zwischen Alter und den erwarteten Veränderungen der Lebensumstände. Sowohl bei der persönlichen als auch bei der auf Österreich bezogenen Zukunftserwartung zeigt sich, dass Personen über 60 pessimistischer sind (siehe Abbildungen 2 und 3). 76% dieser Gruppe erwarten eine Verschlechterung der Lebensumstände in Österreich und 28% eine Verschlechterung der persönlichen Situation. Von den Personen bis 30 sind im Gegensatz dazu nur 39% pessimistisch, was ihre Erwartungen für Österreich betrifft und gar nur 15% haben eine negative Erwartungshaltung für ihre persönliche Zukunft. Im Umkehrschluss sind in dieser Alterskohorte 40% optimistisch bezüglich der persönlichen und 22% bezüglich der Lebensumstände in Österreich.
Wenn es um die zukünftigen Lebensumstände in Österreich geht, ist auch erkennbar, dass Frauen (66%) sowie Personen mit niedriger formaler Bildung (64%) signifikant pessimistischer sind, als ihre Vergleichsgruppen. Betrachtet man die Einschätzung der persönlichen Lebensumstände, sind solche Unterschiede in der Stichprobe jedoch nicht vorhanden.
Vergleicht man die unterschiedlichen Gruppen an Befragten im Detail, zeigt sich bei den Personen bis 30 zusätzlich, dass das Antwortverhalten nicht einheitlich ausfällt. In dieser Altersgruppe sind Frauen mit höheren formalen Bildungsabschlüssen besonders skeptisch (54%), was die Zukunft Österreichs angeht.
Annähernd zwei Drittel der Befragten des Corona-Panels gehen davon aus, dass sich die Lebensumstände in Österreich in den kommenden Jahren deutlich oder zumindest etwas verschlechtern werden. Verglichen mit 2018 ist das ein Anstieg von 20 Prozentpunkten. Beim Sozialen Survey Österreich waren 40% der Befragten dieser Ansicht. Dem gegenüber steht die Beurteilung der persönlichen Zukunft: Hier geht nur ein Viertel davon aus, dass es deutlich oder etwas schlechter wird. Dennoch: Die gemessenen Werte zeigen einen signifikanten Abwärtstrend im Vergleich zu 2018. Besonders auffällig ist dabei, dass ein größerer Anteil an Befragten im Corona-Panel skeptisch in die eigene Zukunft blickt. Im SSÖ überwogen die Optimist*innen.
Wer sind die Optimist*innen und Pessimist*innen in der Krise?
Die Daten des Corona-Panels zeigen, dass die Beurteilung der Entwicklung der Lebensumstände in Zusammenhang mit demographischen Merkmalen steht.
Am auffälligsten ist der Zusammenhang zwischen Alter und den erwarteten Veränderungen der Lebensumstände. Sowohl bei der persönlichen als auch bei der auf Österreich bezogenen Zukunftserwartung zeigt sich, dass Personen über 60 pessimistischer sind (siehe Abbildungen 2 und 3). 76% dieser Gruppe erwarten eine Verschlechterung der Lebensumstände in Österreich und 28% eine Verschlechterung der persönlichen Situation. Von den Personen bis 30 sind im Gegensatz dazu nur 39% pessimistisch, was ihre Erwartungen für Österreich betrifft und gar nur 15% haben eine negative Erwartungshaltung für ihre persönliche Zukunft. Im Umkehrschluss sind in dieser Alterskohorte 40% optimistisch bezüglich der persönlichen und 22% bezüglich der Lebensumstände in Österreich.
Wenn es um die zukünftigen Lebensumstände in Österreich geht, ist auch erkennbar, dass Frauen (66%) sowie Personen mit niedriger formaler Bildung (64%) signifikant pessimistischer sind, als ihre Vergleichsgruppen. Betrachtet man die Einschätzung der persönlichen Lebensumstände, sind solche Unterschiede in der Stichprobe jedoch nicht vorhanden.
Vergleicht man die unterschiedlichen Gruppen an Befragten im Detail, zeigt sich bei den Personen bis 30 zusätzlich, dass das Antwortverhalten nicht einheitlich ausfällt. In dieser Altersgruppe sind Frauen mit höheren formalen Bildungsabschlüssen besonders skeptisch (54%), was die Zukunft Österreichs angeht.
Herr oder Frau der Lage? Gefühl der Kontrolle und die Erwartungen für die eigene Zukunft
Personen, die (eher) der Meinung sind, sie hätten ihr Leben selbst in der Hand, sie hätten Erfolg, wenn Sie sich anstrengen, oder, dass sie ihr privates und berufliches Leben zum großen Teil selbst bestimmen können, sind optimistischer, was die Entwicklung ihrer individuellen Lebensumstände angeht (siehe Abbildung 4). Im Spiegel dazu kann man insbesondere bei jenen Befragten, die glauben ihre Leben nicht selbst bestimmen zu können, ein pessimistischeres Zukunftsbild beobachten: 36% glauben, dass es für sie in den nächsten Jahren etwas oder deutlich schlechter wird.
Die Corona-Krise und Zukunftserwartungen - Alles beim Alten?
Die Frage, ob und wie sich die Zukunftserwartungen durch die Corona-Krise verändert haben, lässt sich einfach beantworten: Die Österreicher*innen blicken aktuell deutlich pessimistischer in die Zukunft als noch vor 2 Jahren. Allerdings zeigt sich weiterhin eine deutliche Diskrepanz zwischen den Erwartungen für das eigene Leben und die Lebensumstände in Österreich. So sehen über 60% der Corona-Panel-Teilnehmer*innen die Entwicklung für Österreich kritisch, aber nur ein Viertel glaubt, dass die eigene Situation in Zukunft schlechter wird.
In dieser Hinsicht ist auch erkennbar, dass die Entwicklung der persönlichen Situation während der Corona-Krise in einem Zusammenhang mit der eigenen Handlungsfähigkeit gesehen wird. Wer auch jetzt glaubt, sein Schicksal selbst bestimmen zu können, blickt optimistischer in die Zukunft als jene, die sich handlungsunfähig fühlen.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen in dieser Diskussion jüngere, hochgebildete Frauen: Sie sehen die Zukunft Österreichs deutlich pessimistischer als ihre Alterskolleg*innen. Wenig verwunderlich: Ist diese Gruppe doch darauf sensibilisiert, dass es in Österreich ausgeprägte Ungleichheiten gibt. Und diese haben sich während der Corona-Krise nochmals verstärkt.
Schlussendlich ist in den Daten des Corona-Panels deutlich erkennbar, dass sich die Kluft zwischen den persönlichen Zukunftserwartungen und der Einschätzung, wie sich die Lebensumstände in Österreich entwickeln werden, durch die Corona-Krise ausgeweitet hat. Die Frage ist nun, für welche Personen in Österreich werden sich die optimistischeren, persönlichen Erwartungen an die Zukunft erfüllen, für wen nicht? Hierzu ist weitere Forschung notwendig. Diese kommenden Analysen müssen aber über die wirtschaftlichen Folgen hinausgehen und eine gesamtheitliche Betrachtung der Konsequenzen der Krise ermöglichen: Also z. B. auch Fragen über die längerfristigen Veränderungen des sozialen und kulturellen Lebens diskutieren.
Dimitri Prandner ist als Senior Scientist (Post-Doc) am Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Salzburg und an der Abteilung für empirische Sozialforschung der Universität Linz tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Nachrichtensoziologie, des politischen Informationsverhalten und der quantitativen Umfrageforschung.
Robert Moosbrugger ist Universitätsassistent und Doktorand an der Abteilung für empirische Sozialforschung der Universität Linz. Seine Schwerpunkte sind Bildungs- und Gesundheitsforschung.
Christoph Glatz ist wissenschaftlicher Projektmitarbeiter und Doktorand am Institut für Soziologie an der Universität Graz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Well-Being-Forschung und Umfrageforschung.
Methodische Anmerkungen
Die Grundlage für die Analysen in diesem Kapitel sind univariate und bivariate Auszählungen. Es wurden zusätzlich Unterschieds-Tests bzw. Zusammenhangstests für die einzelnen Variablen berechnet (Chi2). Es wird im Text von signifikanten Zusammenhängen gesprochen, sobald der ausgewiesene Alphafehler kleiner als 0,05 war. Die Irrtumswahrscheinlichkeit, dass ein Zusammenhang, der in Grundgesamtheit vorzufinden ist, in der Stichprobe nicht reproduziert werden kann, muss daher bei 5% oder weniger liegen.
Wie im Text angegeben, wurde für die Zukunftserwartung die Fragestellung herangezogen, ob die Befragten glauben, dass sich (a) die persönlichen Lebensumstände bzw. (b) die Lebensumstände in Österreich in den nächsten Jahren verändern werden. Bei der Darstellung der Variablen wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit die fünf ursprünglichen Antwortkategorien auf drei reduziert. Dementsprechend sind die Antwortoptionen „1 – deutlich schlechter“ und „2 – etwas schlechter“ in einer Kategorie zusammengefasst worden und die Antwortoptionen „4 – etwas besser“ und „5 – deutlich besser“ ebenso. Die Mittelkategorie “3 – gleichbleiben” wurde unverändert übernommen.
Für den Abschnitt “Herr oder Frau der Lage” bzw. Abbildung 4 wurden die Antworten zu folgenden drei Aussagen herangezogen:
„Bitte geben Sie bei jeder Aussage an, inwieweit diese auf Sie persönlich zutrifft.
a. Ich habe mein Leben selbst in der Hand.
b. Wenn ich mich anstrenge, werde ich auch Erfolg haben.
c. Egal ob privat oder im Beruf: Mein Leben wird zum großen Teil von anderen bestimmt.“
Aus den ursprünglichen vier Antwortkategorien wurden zwei Gruppen gebildet. Hat eine Person der Aussage „1 – voll und ganz“ oder „2 – etwas“ zugestimmt, wurden sie zu der Gruppe „Ja“ zugeteilt. Wenn die Befragten meinten, die Aussage stimmt „3 – wenig“ oder „4 – nicht“, wurden sie der Gruppe „Nein“ zugeteilt.