24.08.2021 - PDF
Land der unterschiedlichen Impfgeschwindigkeiten
- Seit Beginn der Impfkampagne in Österreich am 27. Dezember 2020 haben sich knapp 60% der Gesamtbevölkerung mindestens einmal gegen das Coronavirus impfen lassen.
- Der Impffortschritt verteilt sich jedoch ungleichmäßig über das Land. So gibt es etwa zwischen verschiedenen Bundesländern, Bezirken und Gemeinden teils große Unterschiede in den Impfraten.
- Der Anteil verschiedener Altersgruppen auf Gemeindeebene korreliert stark mit der Impfrate einer Gemeinde.
- Stellt man die Impfrate einer Gemeinde in Zusammenhang mit dem Wahlergebnis bei den Nationalratswahlen 2019, wird ersichtlich, dass das FPÖ-Ergebnis negativ, und das SPÖ-Ergebnis positiv korreliert.
- Weitere Aspekte wie Einkommen, Bildung, vorhandene Infrastruktur und Impfangebot in den verschiedenen Regionen müssen ebenfalls in die Analyse einfließen, um die Unterschiede in der Impfrate erklären zu können.
Von Nikolaus Kowarz
Seit dem 27. Dezember wird in Österreich gegen das Coronavirus geimpft. Nach einem zunächst langsamen Start der Impfkampagne konnten bis 15. März 2021 eine Million Impfdosen verabreicht werden. In den folgenden Monaten nahm die Zahl der Impfungen rasant zu. So erhielten Mitte August bereits über 60% der Gesamtbevölkerung mindestens eine Corona-Schutzimpfung. Zu diesem Zeitpunkt sind knapp 57% doppelt geimpft. Der Impffortschritt verteilt sich jedoch nicht gleichmäßig auf das gesamte Land. Nach Veröffentlichung der Impfzahlen für Bundesländer, Bezirke und Gemeinden wird schnell ersichtlich, dass in einigen Regionen deutlich mehr Personen geimpft sind als in anderen. Auf Bundesländerebene reicht diese Spanne von 54% (Kärnten) bis 64% (Burgenland). Die Impfzahlen der 2095 Gemeinden (plus 23 Wiener Gemeindebezirke) sprechen eine noch deutlichere Sprache. Während in der Gemeinde mit dem geringsten Impffortschritt erst 32% der Gesamtbevölkerung eine erste Teilimpfung erhielten, sind es in der “impffortschrittlichsten” Gemeinde bereits fast 83%. Wie lassen sich diese Diskrepanzen erklären?
Impfrate und Alter
Ein offensichtlicher Faktor, der die Impfgeschwindigkeit einer Gemeinde beeinflusst, ist das Alter ihrer Bevölkerung. Ähnlich wie in allen anderen Ländern spielte das Alter auch in Österreich bei der Vergabe von Impfterminen eine wesentliche Rolle. Mit dem Argument ältere Personen über 60 seien besonders durch das Coronavirus gefährdet, wurde die Priorisierung stark an das Alter gebunden. In der Regel bedeutete dies, dass im ersten Halbjahr 2021 ältere Personen früher als junge Menschen einen Impftermin bekamen. Auf Gemeindeebene führt dieser Umstand dazu, dass Gemeinden mit einem hohen Durchschnittsalter schneller hohe Impfraten vorweisen konnten als Gemeinden mit vielen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Diese Annahme lässt sich auch empirisch belegen. In Abbildung 1 sind die Impfraten auf Gemeindeebene in Korrelation mit dem relativen Anteil bestimmter Altersgruppen abgebildet. Links zeigt die Abbildung, dass ein höherer Anteil von Personen zwischen 15-30 Jahren in einer Gemeinde durchschnittlich mit einer geringeren Impfrate verbunden ist. Auf der rechten Seite ist dieselbe Korrelation mit dem Anteil von Personen über 60 Jahren abgebildet. Je höher dieser ist, desto höher scheint auch die Impfrate einer Gemeinde zu sein.
Impfrate und Wahlverhalten
Das Durchschnittsalter in einer Gemeinde ist zwar ein notwendiger, jedoch kein hinreichender Faktor, um die regionalen Unterschiede in Österreich bezüglich des Impffortschritts zu erklären. Wie schon im Corona-Blog anhand von Daten des ACPP analysiert, ist die Frage nach dem Angebot eines Impftermins nicht unbedingt relevant, da bestimmte Bevölkerungsgruppen der Impfung an sich vorsichtig, skeptisch oder gar ablehnend gegenüber stehen. Das Alter spielt eine Rolle beim Erhalten eines Impftermins, die Einstellung zur Impfung bestimmt dann, ob das Impfangebot auch angenommen wird. Auf Gemeindeebene sind Messungen dieser Einstellungen natürlich nicht in voller Breite vorhanden. Als Ersatz kann jedoch die parteipolitische Präferenz herangezogen werden, da auf individueller Ebene v.a. Wähler*innen der FPÖ im Vergleich zu Anhänger*innen anderer Parteien signifikant weniger bereit, sich impfen zu lassen. So kann angenommen werden, dass ein hoher Anteil an FPÖ-Wähler*innen in einer Gemeinde auch mit einer niedrigeren Impfrate in Zusammenhang steht. Abbildung 2 zeigt diesen Zusammenhang für alle fünf im Nationalrat vertretenen Parteien und der Wahlbeteiligung auf Gemeindeebene. Stellt man die Impfrate auf Gemeindeebene in Zusammenhang mit dem Abschneiden der Parteien bei den Nationalratswahlen 2019, wird ein leichter Zusammenhang erkennbar. Das Wahlergebnis der FPÖ korreliert negativ (r = -0.27) mit der Impfrate, jenes der SPÖ positiv (r = 0.28). Für Grüne, ÖVP, NEOS und der Wahlbeteiligung lässt sich nur ein sehr schwacher bzw. gar kein Zusammenhang herauslesen. Im Durchschnitt zeigen also Gemeinden, in denen die FPÖ bei Wahlen sehr stark abschneidet, eine niedriger Impfrate auf als Gemeinden, in denen die FPÖ. Für die SPÖ gilt derselbe Effekt umgekehrt. [1]
Schlussfolgerungen
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Impfrate auf Gemeindeebene von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Es wurde gezeigt, dass die Altersstruktur sehr stark mit einer niedrigen bzw. hohen Impfrate korreliert. Im Durchschnitt weisen in Österreich Gemeinden mit einer älteren Bevölkerung höhere Impfraten auf, als Gemeinden mit vielen Kindern, Jugendlichen und Jungen Erwachsenen. Blickt man auf den Zusammenhang zwischen der Impfrate und dem Wahlergebnis bei den letzten Nationalratswahlen auf Gemeindeebene, lässt sich ebenfalls ein Zusammenhang erkennen. Es wurde gezeigt, dass das FPÖ-Ergebnis negativ, und jenes der SPÖ positiv mit der Impfrate einer Gemeinde korreliert.
Trotzdem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die regionalen Unterschiede bei der Impfrate in Österreich allein durch parteipolitische Präferenzen zu erklären sind. In diesem Beitrag sind wesentliche Faktoren ausgeklammert worden, die womöglich noch einen viel stärkeren Einfluss auf die Impfrate einer Gemeinde haben. In Österreich wird die Impfkampagne nicht zentral sondern über die Landesregierungen gesteuert, wodurch es unterschiedliche Geschwindigkeiten im Impfangebot gibt, die unabhängig von der Nachfrage bestehen. Es müssen also in Zukunft auch andere Aspekte in den Fokus gerückt werden, um die mittlerweile nur schleppend vorankommende Impfkampagne in Österreich umfangreich zu analysieren.
[1] Die Effekte der Wahlergebnisse auf die Impfrate bleiben auch signifikant, wenn in einer multivariaten Analyse für den Anteil der Altersgruppen kontrolliert wird.
Nikolaus Kowarz arbeitet als Studienassistent am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien und studiert im Master Politikwissenschaft.
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