01.06.2021 - PDF

„Ost-Lockdown“ drückte Konsumstimmung - nicht nur im Osten

  • Seit Beginn der Corona-Krise werden im Rahmen des Austrian Corona Panel Project (ACPP) ca. 1.500 Personen in Österreich regelmäßig befragt, ob sie es als einen passenden Zeitpunkt erachten, dauerhafte Konsumgüter wie bspw. Kühlschrank, Fernseher, Möbel, etc. zu kaufen. Der Saldo aus den (eher) zustimmenden und (eher) ablehnenden Antworten auf diese Frage ist ein guter Indikator für die Konsumstimmung in Österreich, wie ein Vergleich mit der Privatkonsumkomponente des wöchentlichen WIFO-Wirtschaftsindex nahelegt.
  • Gemäß dem Indikator des ACPP war die Konsumstimmung in Österreich im April 2021 wieder pessimistischer als im März 2021. Dies traf insbesondere – aber nicht nur – auf die östlichen Bundesländer zu, in denen Anfang April verschärfte Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung eingeführt wurden („Ost-Lockdown“). Der stärkste Einbruch der Konsumstimmung wurde in Wien verzeichnet (-15 Prozentpunkte). Dieser Einbruch betraf jedoch nur die Einschätzung für April 2021; für die Sommermonate 2021 waren die Wiener*innen im April optimistischer als im März.
  • Vor allem Befragte in Kurzarbeit sowie arbeitslose Befragte waren im April 2021 deutlich pessimistischer als im März 2021. Aber auch bei diesen beiden Gruppen ist die Stimmung hinsichtlich der Entwicklungen für die Sommermonate optimistischer geworden.

Von Paul Pichler, Philipp Schmidt-Dengler und Christine Zulehner

Im Rahmen des Austrian Corona Panel Project (ACPP) wird seit Beginn der Corona-Krise 1.500 Personen - repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 14 Jahren – regelmäßig die folgende Frage gestellt: „Glauben Sie, dass jetzt ein guter oder schlechter Zeitpunkt ist, um größere Haushaltsgegenstände wie Möbel, einen Kühlschrank, einen Herd, einen Fernseher und solche Dinge zu kaufen?“.[1] Aus den erhobenen Antworten lassen sich Rückschlüsse auf die Entwicklung der Konsumstimmung und die wirtschaftliche Betroffenheit der in Österreich lebenden Personen im Verlauf der Corona-Krise ziehen. In diesem Blog-Beitrag diskutieren wir die Ergebnisse im Frühjahr 2021 vor dem Hintergrund des verschärften Lockdowns in Ostösterreich.

Abbildung 1 vergleicht den Saldo der negativen und positiven Antworten auf diese Konsumfrage mit der Entwicklung des privaten Konsums in Österreich.[2] Der ACPP-Saldo ergibt sich als Anteil derjenigen Befragten, die momentan einen sehr bzw. eher guten Zeitpunkt für die Anschaffung dauerhafter Konsumgüter sehen, abzüglich des Anteils derjenigen, die derzeit einen sehr schlechten oder eher schlechten Zeitpunkt sehen. Ein Anstieg des Saldos bedeutet somit, dass die allgemeine Konsumstimmung optimistischer wird – und umgekehrt. Die Daten für die Entwicklung des Privatkonsums sind aus dem wöchentlichen WIFO-Wirtschaftsindex abgeleitet.[3] Es ist klar erkennbar, dass die mittels Umfrage erhobene Konsumstimmung und die tatsächliche Entwicklung des Privatkonsums hoch korrelieren. Dies stellt Evidenz hinsichtlich der Aussagekraft der ACPP-Daten dar.

Abbildung 1: ACPP-Konsumsaldo (rechte Achse) versus Privatkonsumkomponente des wöchentlichen WIFO-Wirtschaftsindex (linke Achse). Quellen: ACPP und WIFO.

Abbildung 2 illustriert die Veränderung der Konsumstimmung in den einzelnen österreichischen Bundesländern zwischen März und April 2021. Das linke Panel veranschaulicht die Veränderung der Konsumstimmung im April 2021, das rechte Panel die Veränderung des Ausblicks auf einen Zeitpunkt in drei Monaten (ausgehend von April also im Juli 2021). Der exakte Wortlaut der gestellten Frage lautet: „Glauben Sie, dass in drei Monaten ein guter oder schlechter Zeitpunkt sein wird, um größere Haushaltsgegenstände wie Möbel, einen Kühlschrank, einen Herd, einen Fernseher und solche Dinge zu kaufen?“.

Eine regional differenzierte Betrachtung ist deshalb interessant, weil es bekanntlich in der Ostregion (Wien, Niederösterreich, Burgenland) im April 2021 zu einer Verschärfung der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung (inklusive Geschäftsschließungen) gekommen ist. Dies schlug sich auch in der Konsumstimmung in den östlichen Bundesländern nieder. Insbesondere in Wien kam es zu einem starken Rückgang des momentanen ACPP-Saldos von knapp 15 Prozentpunkten. Bemerkenswert ist, dass die Konsumstimmung aber auch in Bundesländern, die nicht von verschärften Maßnahmen betroffen waren, teilweise deutlich eingebrochen ist (etwa in Kärnten um 10 Prozentpunkte). Die Konsumstimmung scheint jedoch vielerorts nur kurzfristig eingebrochen zu sein. In fünf Bundesländern sind die Befragten im April optimistischer geworden, was ihre erwartete Konsumsituation im Sommer 2021 betrifft. Dies trifft auch für Wien zu, das den stärksten Einbruch der Konsumstimmung im April 2021 verzeichnete. In Kärnten, Niederösterreich, Vorarlberg und Tirol ist die mittelfristige Konsumstimmung (d.h. für die Sommermonate 2021) (leicht) pessimistischer geworden. Dies legt nahe, dass sich Veränderungen der Konsumstimmung nicht nur auf politische Maßnahmen wie etwa Geschäftsschließungen zurückführen lassen. Auch andere Faktoren und hier insbesondere Erwartungen über die zukünftige Pandemieentwicklung bzw. zukünftige Maßnahmen scheinen eine wichtige Rolle zu spielen.[4] Angesichts der positiven Entwicklung der Pandemie in den letzten Wochen ist daher mit einem deutlichen Anstieg des Konsumoptimismus in den nächsten Monaten zu rechnen.

Abbildung 2. Veränderung der Konsumstimmung in den österreichischen Bundesländern zwischen März und April 2021. Linkes Panel: Konsumstimmung im April 2021. Rechtes Panel: Erwartete Stimmung in drei Monaten (Juli 2021). Quelle: ACPP (Stichprobe: N = 1.533, Daten gewichtet).

Abbildung 3 betrachtet die Veränderung der Konsumstimmung in Abhängigkeit des Erwerbsstatus der Befragten (pensioniert, unselbständig erwerbstätig, selbständig erwerbstätig, arbeitslos, in Kurzarbeit). Die momentane Konsumstimmung ist im April 2021 quer über alle Erwerbsgruppen pessimistischer geworden. Der deutlichste Rückgang ist bei Arbeitslosen und Personen in Kurzarbeit zu beobachten.[5] Wiederum scheint dieser Einbruch jedoch nur vorübergehender Natur zu sein. Insbesondere arbeitslosen Personen sind seit März 2021 deutlich optimistischer geworden, was ihre Konsumsituation in drei Monaten betrifft. 

Abbildung 3: Veränderung der Konsumstimmung zwischen März und April 2021 nach Erwerbsstatus. Linkes Panel: Konsumstimmung im April 2021. Rechtes Panel: Erwartete Stimmung in drei Monaten (Juli 2021). PEN = pensioniert, UNS = unselbständig erwerbstätig, SEL = selbständig erwerbstätig, AL = arbeitslos, KUA = in Kurzarbeit. Quelle: ACPP (Stichprobe N = 1.533, Daten gewichtet).

Schlussfolgerungen 

Die Konsumstimmung in Österreich ist im April 2021 verglichen mit März 2021 pessimistischer geworden. Dies trifft vor allem – aber nicht nur – auf die östlichen Bundesländer zu, in denen der Lockdown im April verschärft und Geschäfte geschlossen wurden. Insbesondere Arbeitslose und Personen in Kurzarbeit schätzten ihre Konsumsituation im April 2021 deutlich pessimistischer ein als dies noch im März 2021 der Fall war. Die pessimistischere Konsumstimmung in Österreich ist jedoch überwiegend nur vorübergehender Natur. Der Ausblick auf die Sommermonate 2021 ist im April 2021 vorwiegend optimistischer geworden.


[1] Mögliche Antworten sind: (1) ein sehr guter Zeitpunkt, (2) ein eher guter Zeitpunkt, (3) teils-teils, (4) ein eher schlechter Zeitpunkt, (5) ein sehr schlechter Zeitpunkt, und (6) Weiß nicht.

[2] Die ACPP-Umfragen werden seit dem Sommer 2020 nur mehr monatlich durchgeführt. Um eine einheitliche (monatliche) Frequenz der Daten in der Abbildung zu erreichen, wird auch für das Frühjahr 2020 nur eine Umfrage pro Monat herangezogen. Abgebildet sind die Umfragewellen 1, 4, 8, 11, 13 und 15 bis 22.

[3] Die abgebildete Privatkonsumkomponente des WIFO-Wirtschaftsindex entspricht einem Drei-Wochen- Mittelwert der vom WIFO für jede Kalenderwoche erhobenen Daten. Der Mittelwert wird über den Befragungszeitraum des ACPP (der jeweils in zwei aufeinanderfolgende Kalenderwochen fällt) und die nachfolgende Kalenderwoche gebildet. Fällt der ACPP-Befragungszeitraum etwa in die Kalenderwochen 11 und 12, wird der Saldo mit der durchschnittlichen Privatkonsumentwicklung in den Kalenderwochen 11, 12 und 13 verglichen. Wir wählen diesen Ansatz, weil sich Änderungen der Konsumstimmung üblicherweise erst mit einer Zeitverzögerung im privaten Konsum widerspiegeln.

[4] Vergleiche ACPP Blog 102 – „Zukunftserwartungen in der Corona-Krise: „Noch kein Licht am Ende des Tunnels“, von Julian Aichholzer.

[5] Da die Arbeitslosenrate in Wien deutlich höher ist als in anderen Bundesländern, ist dies auch eine teilweise Erklärung dafür, dass der Einbruch in Wien besonders stark war. Siehe z.B. die monatliche Übersicht des AMS, verfügbar unter https://www.ams.at/arbeitsmarktdaten-und-medien/arbeitsmarkt-daten-und-arbeitsmarkt-forschung/arbeitsmarktdaten


Paul Pichler ist assoziierter Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.

Philipp Schmidt-Dengler ist Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.

Christine Zulehner ist Professorin am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.


Appendix: Daten (Abbildung 2 und 3)

 

Umfragewelle 21

(12.3.-19.3.)

Umfragewelle 22

(16.4.-23.4.)

Veränderung zwischen W22 & W21

 

Momentan

In 3 M

Momentan

In 3 M

Momentan

In 3 M

Pensionisten

16.1

10.8

11.6

13

-4.5

2.2

Unselbständig

13.7

12.7

3.3

10.2

-10.4

-2.5

Selbständig

2.3

0.8

-4.1

-0.6

-6.4

-1.4

Arbeitslos

3.3

-10.7

-15.3

-3.1

-18.6

7.6

Kurzarbeit

-4.4

10.8

-19.2

13.3

-14.8

2.5

 

 

 

 

Vorarlberg

15.9

13.7

13.5

13.1

-2.4

-0.6

Tirol

5.2

8.2

5.8

2.9

0.6

-5.3

Salzburg

-0.7

-7.9

-2.2

-2.2

-1.5

5.7

Steiermark

7.7

6.8

3.2

9.8

-4.5

3

Kärnten

25.1

22.3

14.6

19.4

-10.5

-2.9

22.7

12.5

17.4

18.2

-5.3

5.7

7.9

9.7

-0.7

6.3

-8.6

-3.4

Wien

8.2

8.1

-6.6

11.5

-14.8

3.4

Burgenland

-6.9

-15.1

-18.6

-14.6

-11.7

0.5