14.04.2020

Bloß nichts riskieren – Sinkende Risikobereitschaft in der Corona-Krise

  • Es ist möglich, dass sich durch die Corona-Krise die Risikobereitschaft der Bevölkerung langfristig ändert
  • Insbesondere diejenigen, die sich durch das Coronavirus persönlich gefährdet fühlen, versuchen Risiken zu vermeiden
  • Die Risikobereitschaft der österreichischen Bevölkerung ist in der Corona-Krise deutlich gesunken

Von Monika Mühlböck

Unter dem Schlagwort „Risikopräferenz“ wird untersucht, ob jemand gerne Risiken eingeht oder lieber auf Nummer sicher geht. Unsere Risikopräferenz beeinflusst viele unserer Entscheidungen. Finanzielle Investitionen, Berufswahl, aber auch private Lebensentscheidungen hängen davon ab, ob wir risikofreudig oder risikoscheu sind. Risikopräferenzen sind Teil unserer Persönlichkeit und als solches relativ stabil über die Zeit. Allerdings können Krisen von denen wir entweder persönlich oder kollektiv als Gesellschaft betroffen sind (Krankheit, Jobverlust, Umweltkatastrophen, Wirtschaftseinbrüche, etc.) unser Sicherheitsbedürfnis steigern und dazu führen, dass die Risikobereitschaft zurückgeht.

Dies zeigt sich auch deutlich in der Corona-Krise. In der Umfrage des Corona-Panels der Universität Wien (Welle 1, 27.-30. März 2020) wurden die Befragten gebeten, ihre allgemeine Risikobereitschaft auf einer Skala von 0 (=gar nicht bereit, Risiken einzugehen) bis 10 (= sehr bereit, Risiken einzugehen) anzugeben. Der Mittelwert der Antworten liegt mit 4,3 deutlich im unteren und somit „risikoscheuen“ Bereich der Skala. Rund 13% der Befragten des Corona-Panels stufen ihre Risikobereitschaft mit „0“ ein. Zum Vergleich: bei einer repräsentativen Umfrage unter Österreicher*innen im Dezember 2017 lag der Mittelwert der Antworten bei 4,9 und nur rund 6% gaben den Wert „0“ an (siehe Abbildung 1). Der Prozentsatz der extrem risikoscheuen Personen ist demnach derzeit mehr als doppelt so groß als 2017.

Abbildung 1: Allgemeine Risikobereitschaft in der österreichischen Bevölkerung während der Corona-Krise und davor (Quellen: Austrian Corona Panel Data, Welle 1, gewichtete Daten, n=1.505 & Austrian National Election Study Online-Panel 2017, Welle 6, gewichtete Daten, n=2.893)

Während die beiden Diagramme die Veränderung in der Gesamtbevölkerung deutlich machen, sagen sie nichts über die Veränderungen der Risikopräferenzen einzelner Befragter aus. Um dies zu untersuchen, wären übergreifende Paneldaten, das heißt wiederholte Befragungen derselben Personen vor und während der Krise notwendig. Auch ohne solche Daten sind aber Aussagen darüber möglich, welche Gruppen zu beiden Zeitpunkten eher risikofreudig bzw. risikoscheu waren. Grundsätzlich waren zu beiden Zeitpunkten Männer, jüngere Personen und jene mit höherem Bildungsniveau risikofreudiger als Frauen, Ältere und Personen mit niedrigem Bildungsniveau.

In der Befragung während der Corona-Krise zeigt sich jedoch, dass insbesondere jene, die angeben, zumindest eine Vorerkrankung zu haben, Risiken scheuen. Dies deutet darauf hin, dass Risiken im Kontext der Befragung vor allem mit Gesundheit in Zusammenhang gebracht werden. Darüber hinaus zeigen die Daten aber, dass auch jene, die von der Krise ökonomisch betroffen sind, etwa durch Einkommensverluste [Blogbeitrag Schiestl & Kalleitner], eine verhältnismäßig geringere Risikobereitschaft angeben (Ergebnisse nicht gezeigt). Unter denjenigen, die die gesundheitliche Gefahr, die vom Coronavirus für sie persönlich ausgeht, für sehr groß halten, geben rund 29% an, im Allgemeinen gar keine Risiken einzugehen („0“´auf der Skala von 0-10). Bei denjenigen, die die wirtschaftliche Gefahr für sich persönlich sehr groß einschätzen [Blogbeitrag Kalleitner], sind es ebenfalls noch 22%, die extrem risikoscheu sind (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Allgemeine Risikobereitschaft jener Befragten, die das Corona-Virus als sehr große wirtschaftliche bzw. gesundheitliche Gefahr für sich persönlich einschätzen (Quelle: Austrian Corona Panel Data, Welle 1, gewichtete Daten, sehr große gesundheitliche Gefahr: n=160, sehr große wirtschaftliche Gefahr: n=229)

Wie sich die Risikopräferenzen der österreichischen Bevölkerung im Laufe der Krise entwickeln und ob sie nach der Krise wieder auf das Ausgangsniveau zurückkehren, wird sich erst zeigen. Jedoch konnten vergangene Studien auch Langzeitwirkungen von Krisenerfahrungen nachweisen [Malmendier & Nagel 2011; Guiso et al. 2018]. Sollte die verminderte Risikofreudigkeit in der österreichischen Bevölkerung länger anhalten, kann dies sowohl Vorteile als auch Nachteile haben. Einerseits kann Vorsicht dabei helfen, Gesundheitsrisiken zu minimieren, Unfälle zu vermeiden oder nachhaltiger zu wirtschaften. Andererseits ist ein gewisses Maß an Risikobereitschaft notwendig, um Investitionen zu tätigen, Unternehmen zu gründen und Innovationen voranzutreiben.