29.04.2021 - PDF
Die Häufigkeit von Coronatests: eine selbsterfüllende Prophezeiung?
- Die Testbereitschaft der österreichischen Bevölkerung ist seit Januar 2021 deutlich angestiegen. 24% haben in den vier Wochen vor der Befragung Mitte April 2021 häufiger als einmal pro Woche einen Test durchgeführt.
- Allerdings hat ein ebenso großer Anteil (24%) in diesen vier Wochen kein einziges Mal einen Test durchführen lassen und weitere 29% haben dies nur ein oder zwei Mal getan.
- Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Effektivität der Teststrategie und der Häufigkeit, sich testen zu lassen.
Von Bernhard Kittel
Seit Beginn des Jahres 2021 versucht die österreichische Regierung, die Pandemie mit Hilfe einer breit ausgerollten Teststrategie zu bekämpfen, nach der sich „[i]dealerweise (…) jede und jeder ein- bis zweimal pro Woche testen lassen [sollte], jedenfalls aber vor einem Zusammentreffen mit vulnerablen Personen“. Diese Strategie findet auch international einige Beachtung und gilt als nachahmenswert. Die zentrale Herausforderung dieser Strategie ist die Mitwirkung der Bevölkerung. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Testhäufigkeit, gemessen an der Anzahl der durchgeführten Tests in den vier Wochen vor der Befragung, zwischen Januar und April 2021. Die vorliegende Analyse ergänzt Analysen der Testhäufigkeit sowie der Einstellungen zum Testangebot auf Basis der Daten vom März 2021.
Der Anteil der Menschen, die angaben, sich mehrmals pro Woche testen zu lassen, ist von 3% im Januar auf 24% im April angestiegen. Weitere 9% gaben an, sich im Durchschnitt einmal pro Woche testen zu lassen. Im Gegenzug hat sich der Anteil derjenigen, die sich in den vier Wochen nie haben testen lassen, von 48% im Januar auf 24% im April halbiert. Insofern kann mit einiger Berechtigung von einem großen Erfolg der Kampagne zur Vermarktung der Teststrategie gesprochen werden. Allerdings haben sich immer noch 52% der Befragten in den vier Wochen vor Mitte April nach eigenen Angaben höchstens zweimal testen lassen. Dies erlaubt zwar individuell, körpernahe Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die Frequenz bleibt jedoch deutlich hinter der Empfehlung, zweimal pro Woche zu testen, zurück.
Testhäufigkeit (Anzahl angegebener Tests in den vier Wochen vor der Befragung)
Nicht geimpft 1 x geimpft 2 x geimpft Infektion
& keine Infektion
Nie 28,9% 10,6% 3,8% 29,1%
1-2x 31,1% 28,0% 32,6% 17,5%
3-4x 18,5% 28,2% 26,8% 30,1%
Öfter als 4x 21,5% 33,1% 36,8% 30,5%
100% 100% 100% 100%
N 1181 212 89 127
Tabelle 1. Testhäufigkeit aufgeschlüsselt nach Kategorien. ACPP Welle 22 (April 2021), Daten gewichtet. Die Zahlen für „mindestens 1x geimpft“, „festgestellte Infektion mit SARS-CoV-2“ sind wechselseitig nicht ausschließlich.
Bis zuletzt galt die Devise, dass sich auch Personen, die geimpft sind, testen lassen sollten, da unklar ist, ob sie nicht im Falle eines Kontakts mit dem Virus dennoch zur Verbreitung beitragen können. Auch ist gegenwärtig unklar, wie lange die Immunität von Personen, die eine Infektion überstanden haben, andauert. Studien deuten darauf hin, dass Reinfektionen zur Verbreitung des Virus beitragen können. Insofern erscheint es sinnvoll, wenn sich auch Personen, die eine Infektion hatten, an der Teststrategie beteiligen.
Die Aufschlüsselung der Testhäufigkeit nach erfolgter erster oder zweiter Impfung und nach einer nachgewiesenen Infektion mit SARS-CoV-2 in Tabelle 1 zeigt, dass sowohl geimpfte Personen als auch Personen, die eine Infektion überstanden haben, nach eigenen Angaben deutlich häufiger testen als Personen, die weder eine Infektion hatten noch geimpft sind. Da Personen, die Mitte April mindestens eine Impfung erhalten haben, überproportional einer Risikogruppe angehören oder einen Beruf ausüben, in dem sie mit einer Risikogruppe Kontakt haben und daher aus diesem Grund regelmäßige Tests durchführen lassen, ist dieses Ergebnis wenig überraschend.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Das Angebot an gratis Testmöglichkeiten wird von der österreichischen Bevölkerung zunehmend angenommen. Allerdings testen nach wie vor nur 24% der Bevölkerung häufiger als einmal pro Woche, weitere 9% einmal pro Woche. Dieser Anteil bleibt deutlich unter seinem Potenzial. Die Testhäufigkeit ist höher unter denjenigen, die eine Impfung erhalten oder eine Infektion durchgemacht haben. Unter denjenigen, die weder geimpft sind noch eine Infektion hatten, ist die Testhäufigkeit deutlich niedriger. Insgesamt besteht ein starker Zusammenhang zwischen der Einschätzung, die Tests seien effektiv, und der angegebenen Testhäufigkeit.
Dies deutet darauf hin, dass zusätzliche Informationen zur Teststrategie und ihrer Effektivität auch die Beteiligung an den Tests weiter erhöhen könnten. Bleibt dies aus, besteht womöglich die Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, denn je größer der Anteil der Bevölkerung ist, der die Effektivität des Testens bezweifelt und daher womöglich nicht testet, desto größer ist die Chance, dass sich die ZweiflerInnen durch die tatsächliche Entwicklung anhaltend hoher Infektionszahlen trotz Testangebots irrtümlich bestätigt sehen. Dies wäre fatal für die Teststrategie.
Bernhard Kittel ist Professor für Wirtschaftssoziologie an der Universität Wien und Leiter des Austrian Corona Panel Projects (ACPP).
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