11.03.2022 - PDF
Kurzarbeit oder Home Office? Wer in der Pandemie wie arbeitete
- Im Frühjahr 2020 gab es in Österreich mehr Erwerbstätige im Home Office und/oder in Kurzarbeit als Erwerbstätige, die regulär wie vor der Pandemie arbeiteten. Seither folgte ein Auf-und-Ab bei den krisenbedingten Arbeitsformen.
- Zwei Jahre später, im Frühjahr 2022, sind nur noch wenige Erwerbstätige in Kurzarbeit wohingegen weiterhin etwa jede*r fünfte Erwerbstätige aus dem Home Office tätig ist.
- Kurzarbeit und Home Office sind je nach Branche unterschiedlich stark verbreitet: Erwerbstätige im Bereich von Wissensdienstleistungen waren eher im Home Office anzutreffen. Menschen, die im Baugewerbe, Handel, in der Industrie oder in Tourismus und Gastronomie tätig sind, waren eher in Kurzarbeit.
- Ebenso gibt es sozio-ökonomische Unterschiede: Home Office war im Gegensatz zu Kurzarbeit vor allem bei Menschen mit hohem Bildungsstand und hohem Haushaltseinkommen verbreitet.
Von Lukas Schlögl, Fabian Kalleitner und Licia Bobzien
Die Corona-Krise beschwört Bilder einer Arbeitswelt im Ausnahmezustand: Pflegekräfte in überbelegten Spitälern. Supermarkt-Personal, das Hamsterkäufe abwickelt. Kulturschaffende im Zwangsurlaub. Lehrkräfte abwechselnd am Computer und in den Klassenzimmern. Und eine Vielzahl weiterer Bilder neuer beruflicher Realitäten.
Eine große Zahl der Erwerbstätigen in Österreich erlebte seit Beginn der Krise besonders zwei ‘Krisen-typische’ Formen der Arbeit: das Arbeiten von Zuhause aus (‘Home Office’) und die Stundenreduktion bei Weiterbezug eines Teils des Entgelts (‘Kurzarbeit’). Bei genauerer Betrachtung betrafen diese Arbeitsformen jedoch unterschiedliche berufliche und soziale Gruppen. Dieser Beitrag wirft auf Grundlage von Umfragedaten des Austrian Corona Panel Project (ACPP) ein Schlaglicht auf sozio-ökonomische Unterschiede im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarktstatus in der Coronakrise.
Entwicklungen beim Arbeitsmarktstatus
Etwa die Hälfte der Befragten des ACPP – einer Stichprobe der österreichischen Wohnbevölkerung ab 14 Jahren – war seit April 2020 nicht erwerbstätig (siehe Abbildung 1). Zum größten Teil waren dies Menschen, die nicht auf Arbeitssuche waren, da sie etwa eine Ausbildung absolvierten, im familiären Haushalt tätig oder in Pension waren. Ein kleinerer Teil davon waren Arbeitslose, nämlich bis zu 11% aller Befragten am Höhepunkt des ersten Lockdowns im Jahr 2020. Die zweite Hälfte der Befragten ging einer Erwerbsarbeit nach; sei es in selbständiger oder unselbständiger Form, in Teil- oder Vollzeit. Von diesen Erwerbstätigen war über weite Strecken eine Mehrheit regulär arbeitend wie bisher – erlebte also keine Änderung der Arbeitsform, obwohl sich Qualität und Intensität der Arbeit auch für viele in dieser Gruppe veränderte. Eine weitere Gruppe erlebte darüber hinaus auch Veränderungen bei Status bzw. Form der Arbeit.
Ihren frühen Höhepunkt erreichten die Veränderungen am Arbeitsmarkt im Frühjahr 2020 als – zusätzlich zu einem Rekordniveau an Arbeitslosen – für einige Wochen mehr Erwerbstätige im Home Office und/oder in Kurzarbeit waren als regulär arbeitend wie zuvor (d.h. wie im Februar 2020). Seither folgte die Entwicklung dieser Arbeitsformen einer Wellenbewegung, die mit Lockdowns und Öffnungsschritten im Gleichschritt ging. Bei der Kurzarbeit ist im Laufe der letzten zwei Jahre ein sukzessiver Rückgang zu beobachten; Mitte Februar 2022 gaben dagegen immer noch knapp 20% der Erwerbstätigen an, aus dem Home Office zu arbeiten – eine erstaunliche Permanenz dieser Arbeitsform. Gesamt gesehen waren im Zeitraum März 2020 bis Februar 2022 nie weniger als ca. 15% der Erwerbstätigen im Home Office und/oder in Kurzarbeit.
Wer arbeitete wie?
Welche Erwerbsgruppen waren in der Krise eher im Home Office bzw. in Kurzarbeit? Ein Blick auf die Branchenstruktur (Abbildung 2) zeigt, dass Erwerbsstätige in Wissens- und Informationssektoren – also Bereiche, in denen “Bürojobs” weit verbreitet sind – besonders häufig von Zuhause arbeiteten. Tätigkeiten in den Bereichen Finanzen und Versicherungswesen, Internet- und Kommunikationstechnologie, Wissenschaft, technischer oder wirtschaftlicher Dienstleistungen, im Erziehungsbereich oder in der öffentlichen Verwaltung werden von hoch qualifiziertem Personal oft mit digitalen Arbeitsmitteln ausgeübt. Sie eignen sich daher besonders für die Arbeit aus dem Home Office. Auffallend ist dabei der Bereich ‘Erziehung und Unterricht’, in dem der Anteil der im Home Office Arbeitenden aufgrund wiederholter Schulschließungen und -öffnungen im Verlauf der Pandemie stark variierte.
Die Branchenverteilung der Kurzarbeit ist tendenziell spiegelbildlich zum Home Office. Beschäftigte im Bereich der Fertigung von Waren, im Bau, Handel, aber auch im Gastgewerbe und im freiberuflichen Bereich waren vergleichsweise häufig in Kurzarbeit. Auch hier zeigen sich wiederum Wellen über die Zeit, besonders im Gastgewerbe, das je nach Ausgangssperren geöffnet oder geschlossen war; oder im freiberuflichen Bereich, zu dem etwa auch gewisse von restriktiven Regeln betroffenen ‘körpernahen Dienstleistungen’ zählen. Fast keine Kurzarbeit gab es in der öffentlichen Verwaltung und bei Berufen im Finanz- und Versicherungswesen. Starke Varianzen über die Zeit sind im Bereich Beherbung und Gastronomie zu beobachten, wo – analog zum Home Office bei Pädagog*innen – Lockdowns und Öffnungen das Arbeitsformat bestimmten.
Anhand von Abbildung 3 können wir das demografische und sozio-ökonomische Profil von Beschäftigen im Home Office und in Kurzarbeit entlang dreier Dimensionen vergleichen: Bildungsstand, Haushaltseinkommen und Geschlecht. Auch hier sind teilweise Unterschiede beobachtbar. Menschen mit Hochschulbildung, aber auch mit Mittelschulabschluss, konnten ihrer Arbeit eher im Home Office nachgehen als dass sie in Kurzarbeit gehen mussten. Ähnlich verhält es sich mit der Einkommensverteilung: Personen mit höheren Einkommen waren seltener in Kurzarbeit und häufiger im Home Office. Frauen und Männer waren im Schnitt beide häufiger im Home Office als in Kurzarbeit. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind gering.
Fazit: Eine Geschichte zweier Statusgruppen
Zusammenfassend zeichnen sich damit klare Unterschiede bei der sozialen Zusammensetzung neuer Arbeitsformen in der Krise ab: Home Office war vor allem bei Menschen mit hohem Bildungsstand und hohem Haushaltseinkommen sowie Beschäftigten in Informationssektoren verbreitet. In Kurzarbeit gingen einerseits Beschäftigte im verarbeitenden Gewerbe und andererseits Erwerbstätige im Tourismus und Gastronomie sowie im heterogenen Bereich wirtschaftlicher und freiberuflicher Dienstleistungen. Der Grund für die sozio-ökonomischen Unterschiede zwischen Beschäftigten im Home Office und in Kurzarbeit dürfte darin liegen, dass Menschen mit höherem Bildungsabschluss und höherem Einkommen eher Berufen nachgehen, die sich für digitales Arbeiten eignen. In der Pandemie ergaben sich aus dieser beruflichen Differenzierung neue Formen sozialer Ungleichheiten: etwa unterschiedliche Gehaltsentgänge und unterschiedliche gesundheitliche Risiken im Beruf.
Daten zur Vertiefung
Wie hängen gesellschaftliche Einstellungen und Verhaltensweisen in der Krise – etwa Lebenszufriedenheit oder wirtschaftliche Risikowahrnehmungen – mit dem Arbeitsmarktstatus zusammen? Das neue WoCo Dashboard erlaubt Ihnen, Daten über eine Vielzahl von Einstellungen im Kontext der Pandemie nach dem Arbeitsmarktstatus der Befragten auszuwerten. Darüber hinaus gibt ein Dashboard des IHS auf Basis von Registerdaten Aufschluss über Erwerbsverläufe in der Coronakrise und ergänzt damit zusammen mit der offiziellen Arbeitsmarktstatistik und einem Dashboard des WIFO das Umfrage-basierte Bild dieses Beitrags.
Lukas Schlögl ist Post-Doc Universitätsassistent für Vergleichende Politikfeldanalyse am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Themen der Technologie-, Industrie- und Arbeitspolitik.
Fabian Kalleitner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien. Aktuell forscht er zu Themen wie Steuerpräferenzen, Steuerwissen, Wahrnehmungsmechanismen und Arbeitswerte.
Licia Bobzien ist Postdoktorandin im Projekt perzepEU ('Cohesion in Europe – Perceptions and Fields of Action') an der Hertie School, Berlin. Ihre Forschung beschäftigt sich mit (der Wahrnehmung) ökonomischer Ungleichheit und deren Auswirkungen auf politische Präferenzen und Einstellungen.
Work and Corona Blog
Dieser Beitrag ist zuvor im Work and Corona Blog erschienen.
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