02.06.2020

Corona-Impfung: Zurückhaltung in der Bevölkerung – aber gratis soll sie sein.

  • Sollte ein Impfstoff bereitstehen, geben 47,5% der Befragten an, sich ehestmöglich impfen lassen zu wollen. Demgegenüber zeigt etwa ein Drittel der Befragten eine ablehnende Haltung.
  • Eine Coronavirus-Impfpflicht unterstützen nur ca. 37% der Befragten. 45% der Befragten sind dagegen, 18% sind unentschlossen.
  • Der Großteil der Bevölkerung (76%) ist sich jedoch einig, dass der Impfstoff gratis zur Verfügung gestellt werden soll.
  • Wer eine größere Bedrohung durch das Virus wahrnimmt oder ein starkes Gemeinschaftsgefühl verspürt, steht einer etwaigen Corona-Impfung positiver gegenüber.
  • Parteipolitische Zuordnung sowie der Glaube an Verschwörungstheorien spielen bei der Impfbereitschaft eine wesentliche Rolle.

Von Jakob-Moritz Eberl, Katharina T. Paul und Julia Partheymüller

Eine mögliche Impfung gegen das Coronavirus soll nicht nur Leben retten, sondern auch eine Wiederaufnahme des “normalen” Lebens ermöglichen. Die Corona-Krise macht somit den vielfachen Wert von Impfungen deutlich. Ganz allgemein steht die österreichische Bevölkerung dem Thema Impfungen allerdings alles andere als euphorisch gegenüber. Die vorgegebenen Durchimpfungsraten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden nicht erreicht, was sich u.a. in regelmäßig zurückkehrenden Ausbrüchen der Masernerkrankung zeigt. Die österreichische Bioethikkommission hat bereits 2015 eine Impfpflicht unter bestimmten Bedingungen empfohlen, doch bisher fand diese Empfehlung in Österreich keinen großen Anklang. Auch die jetzige Bundesregierung plant vorerst keine Impfpflicht gegen die Eindämmung des Coronavirus.

Welche gesellschaftlichen Gruppen sind beim Thema Impfungen zurückhaltend? Die Gründe für Nicht-Impfen sind mannigfaltig: sie reichen von Vertrauensmangel in wissenschaftliche und staatliche Institutionen und Industrie bis zu Vergesslichkeit und Bequemlichkeit. Die abnehmende Akzeptanz von Impfungen in unterschiedlichsten Bildungsschichten in Italien, den Niederlanden und den USA, geben Hinweise darauf, dass Impfbereitschaft weniger eine Frage mangelnder Bildung ist, als bisher weitgehend angenommen. Aber wie verhält es sich nun im Rahmen der Corona-Krise in Österreich mit der Bereitschaft zu einer Corona-Impfung? Um diese Frage im Detail zu beantworten, verwenden wir die Daten der neunten Befragung unserer Panel-Umfrage.

Eines ist klar: Die Impfung darf nichts kosten

Um den Einstellungen der österreichischen Bevölkerung zu einer Corona-Impfung auf den Grund zu gehen, wollten wir von den Befragten wissen, inwiefern die folgenden drei Aussagen im Falle einer Corona-Impfung auf sie persönlich zutreffen: (1) ob sie bereit wären, sich ehestmöglich impfen zu lassen, (2) ob sie für eine allgemeine Impfpflicht wären und (3), ob sie der Meinung sind, dass der Impfstoff gratis zur Verfügung gestellt werden sollte.

Die österreichische Bevölkerung zeigt sich beim Thema Impfungen zurückhaltend (Abbildung 1). Mit 47,5% der Befragten gibt es zwar eine relative Mehrheit, die bereit wäre, sich ehestmöglich zu impfen (= “Trifft eher zu”/“Trifft voll und ganz zu”). Dieser stehen aber 34,3% gegenüber, die sich dies eher nicht vorstellen können (= “Trifft eher nicht zu”/“Trifft gar nicht zu”). Dazwischen stehen noch 18,2% der Befragten, die noch unentschlossen sind. Eine Coronavirus-Impfpflicht befürworten hingegen nur 36,8% der Befragten. Weitere 18,3% sind noch unentschlossen und die relative Mehrheit der Befragten (45%) ist gegen eine Impfpflicht.

Abbildung 1: Einstellungen zur Corona-Impfung (Anmerkungen: Feldzeit: 23.-27. Mai 2020, N=1.502 befragte Personen (ab 14 Jahre), Daten repräsentativ für die österreichische Wohnbevölkerung gewichtet.)

Bei einer Sache ist sich die Bevölkerung allerdings einig. Sollte es einen Impfstoff geben – egal, ob man ihn selber in Anspruch nehmen würde oder nicht –, dann soll er jedenfalls gratis zur Verfügung stehen. 76% der Befragten sind dafür, 15,7% sind unentschlossen und nur 8,4% sind dagegen.

Impfskepsis: An der Bildung liegt es nicht

In Hinblick auf die eigene Impfbereitschaft und die Frage einer Impfpflicht herrscht also noch unterschiedliche Meinungen in der österreichischen Bevölkerung. Um zu untersuchen, welche Gruppen besonders zurückhaltend beim Impfthema sind, haben wir unsere Befragten anhand mehrerer individueller Eigenschaften in Subgruppen eingeteilt, die wir im Folgenden miteinander vergleichen. In Abbildung 2 sind Durchschnittswerte (Skala von 0 “trifft gar nicht zu” bis 4 “trifft voll und ganz zu”) für die einzelnen Subgruppen anhand verschiedener Merkmale dargestellt. Wir betrachten insbesondere Alter, Geschlecht, Bildung, Entscheidung bei der Nationalratswahl 2019, wahrgenommene Gefahr durch das Coronavirus, Gemeinschaftsgefühl und den Glauben an die “Bill-Gates-Verschwörung”. Die Formulierungen der zugehörigen Fragen sind dem Anhang zu entnehmen.

Abbildung 2: Unterschiede in Einstellungen zur Corona-Impfung (Anmerkungen: Feldzeit: 23.-27. Mai 2020, N=1.502 befragte Personen (ab 14 Jahre), Daten repräsentativ für die österreichische Wohnbevölkerung gewichtet. Mittelwerte für die einzelnen Subgruppen. Ein Wert bei “0” entspricht einer Ablehnung (= “Trifft gar nicht zu”) der Aussage “ehest möglich impfen” bzw. “Impfpflicht für alle”. Ein Wert näher bei “4” entspricht einer Zustimmung (= “Trifft voll und ganz zu”). Die Mittelkategorie der Unentschlossenen befindet sich bei “2”.

Beim Alter zeigen sich gewisse Unterschiede zwischen den Subgruppen. Befragte über 65 Jahren sind eher gewillt sich impfen zu lassen und treten auch eher für eine allgemeine Impfpflicht ein als Befragte mittleren und jüngeren Alters, wobei letztere der Impfpflicht etwas positiver gegenüberstehen und hier im Mittelfeld liegen. Eine Analyse nach Geschlecht zeigt außerdem, dass Männer dem Impfen und einer Impfpflicht leicht positiver gegenüberstehen als Frauen. Die Unterschiede sind aber gering. Bei der Bildung gibt es allerdings keinerlei nennenswerte Unterschiede.

Unterteilt man die Befragten nach ihrer Wahlentscheidung zur Nationalratswahl 2019 zeigt sich ein deutlicher Ausreißer. Wähler*innen der FPÖ sind signifikant weniger bereit, sich impfen zu lassen, und auch die allgemeine Impflicht findet in dieser Gruppe weniger Zustimmung. Dieses Muster steht im Einklang mit anderen Forschungsergebnissen, denen zufolge eine Ablehnung von Impfungen im Zusammenhang mit politischem Populismus steht.

Unsere Daten zeigen außerdem, dass die Zustimmung zu beiden Aussagen – also zur eigenen Impfbereitschaft und zur Impfpflicht – mit der Gefahrenwahrnehmung (d.h. der Einschätzung über persönliche und kollektive gesundheitliche und wirtschaftliche Gefahr) und dem Gemeinschaftsgefühl (d.h. der Einschätzung über den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Krisensituation) steigt. In anderen Worten: Umso mehr man eine persönlich oder kollektive Gefahr durch das Virus wahrnimmt, desto größer ist die Bereitschaft zur eigenen Impfung und die Zustimmung zur Impfpflicht. Ebenso gilt: Umso mehr man in der Krisenzeit einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt wahrnimmt, desto positiver ist die Einstellung zum Impfen und der Impfpflicht.

Zuletzt haben wir uns noch mit einer Verschwörungstheorie zu Impfungen befasst. Seit Anfang der Corona-Krise werden wilde Thesen um den Microsoft Mitgründer Bill Gates im Zusammenhang mit der Corona-Impfung verbreitet. Tatsächlich finden wir auch unter unseren Befragten etwa 39% “Gates Skeptiker*innen”. Dabei handelt es sich um Personen, die sich bei der Aussage “Bill Gates will die Menschheit zwangsimpfen, um damit viel Geld zu machen” sicher sind, dass dieser Vorwurf richtig ist (15%) oder sich zumindest über den Wahrheitsgehalt unsicher sind (24%). Wer eine solche Verschwörungstheorie nicht als unwahr erkennt, hat eine signifikant geringere Bereitschaft sich impfen zu lassen und lehnt gleichzeitig eine Corona-Impfpflicht häufiger ab.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass, wenn es einen Impfstoff geben sollte, dieser gratis zur Verfügung gestellt werden sollte. Um das Thema “Impfungen” finden sich ansonsten keine klaren Mehrheiten und ein großer Anteil der österreichischen Bevölkerung steht sowohl einer eigenen Corona-Impfung als auch einer staatlichen Impfpflicht zurückhaltend gegenüber. Dies gilt es im Nachdenken über mögliche Politikinstrumente zu beachten, da eine staatliche Verpflichtung nicht zuletzt auch Reaktanz erzeugen könnte, d.h. eine stärkere Ablehnung von Impfungen.

Um die Impfbereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen, könnten Informationskampagnen vielversprechend sein, die sowohl die persönliche als auch die kollektive gesundheitliche und wirtschaftliche Gefahr einer Nicht-Impfung thematisieren. Eine andere könnte sich stattdessen am Gemeinschaftsgefühl orientieren, also dem Verständnis der Impfung als Akt der Solidarität gegenüber jenen, die sich nicht schützen können.

Letztlich zeigt sich auch eine deutliche (partei-)politische Dimension in der Impfbereitschaft. FPÖ-Wähler*innen haben die niedrigste Impfbereitschaft. Zudem stehen Verschwörungstheoretiker*innen einer Corona-Impfung skeptisch gegenüber.

Möchte man im Bereich Impfungen politisch etwas bewegen, gilt es hier parteiübergreifend aktiv zu werden und auch die politischen Verantwortungsträger*innen in die Pflicht zu rufen. Mit etwaigen Bemühungen sollte man jedenfalls jetzt schon beginnen und nicht abwarten, bis eine Impfung da ist.


Jakob-Moritz Eberl ist seit April 2017 Projektmitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und seit 2013 Mitglied der österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES, Media Side). Er ist außerdem assoziierter Wissenschafter im Vienna Center for Electoral Research (VieCER) und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu Medienwirkung, Medienvertrauen und Wahlverhalten.

Katharina T. Paul ist seit 2013 senior research fellow (Post-Doc) und Lektorin am Institut für Politikwissenschaft und seit 2019 Mitglied der Forschungsgruppe Zeitgenössische Solidaritätsstudien (CeSCoS). In ihrem FWF Elise Richter Projekt forscht sie zu vergleichender Gesundheitspolitik, insbesondere Impfpolitik.

Julia Partheymüller arbeitet als Senior Scientist am Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien und ist Mitglied des Projektteams der Austrian National Election Study (AUTNES). Sie promovierte in Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim und studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Universität Hamburg.